- Berlin
- Baurecht
Berlin: Wird Dachgrün zur Pflicht?
Umweltverbände fordern ökologische Vorschriften beim Neubau
Wie viel Natur- und Klimaschutz bleibt in der neuen Bauordnung? Verbände befürchten, dass die Vorgaben für ökologisches Bauen zusammengestrichen werden könnten. Mit einem Thesenpapier erinnert der BUND an den Entwurf des rot-grün-roten Vorgängersenats für die neue Bauordnung, der bereits zahlreiche Vorschriften enthielt. Vom neuen, »entschlackten« Entwurf, den die Stadtentwicklungssenatsverwaltung angekündigt hat, befürchten sie nun Rückschritte. »Jede Maßnahme, die für eine kurzfristige Kosteneinsparung gestrichen wird, führt zwangsläufig zukünftig zu erheblichen Mehrkosten«, so Tilmann Heuser, Geschäftsführer des BUND, laut einer Pressemitteilung.
Die Bauordnung ist der rechtliche Rahmen für Baugenehmigungsverfahren. Der BUND fordert, Bauherren an ökologische Standards zu binden. Demnach soll ein Fünftel der Grundstücksfläche begrünt werden. Auch auf den Dächern soll es nach BUND-Willen blühen: Dort sollen Grünflächen angelegt werden. Zudem soll es Pflicht werden, Niststätten an Gebäuden anzubringen.
All diese Forderungen waren bereits im Entwurf für die Bauordnung enthalten, die der damalige rot-grün-rote Senat im Februar 2022 beschloss. Ex-Bausenator Andreas Geisel (SPD) verzögerte allerdings die Beschlussfassung im Parlament, sodass die Bauordnung nicht mehr beschlossen werden konnte. Geisel warnte damals, dass die geplante Bauordnung »das Bauen völlig unmöglich« mache.
Der neue Senator Christian Gaebler (SPD) kündigte zuletzt an, zügig einen neuen Entwurf für die Novelle vorzulegen. »Diese Regelungen, die schon vor zwei Jahren beschlussreif vorlagen, dürfen im Zuge der erneuten Überarbeitung nicht entfallen, sondern müssen – auch vor dem Hintergrund der zukünftigen Herausforderungen – konsequent weiterentwickelt werden«, fordert der BUND.
Grund für die Sorge: Gaebler hat bereits mehrfach klargemacht, dass es ihm darum geht, den Umfang der Bauordnung zu reduzieren. Im Abgeordnetenhaus kritisierte er zuletzt, Grüne und Linke hätten versucht, Sachstände mit der Bauordnung zu regeln, für die diese nicht das richtige Instrument sei. Gegenüber der RBB-»Abendschau« bekräftigte Gaebler am Montag, dass die Senatsvorlage unsauber ausgearbeitet gewesen sei und Formulierungen enthalten habe, die rechtlich angreifbar gewesen seien. Nach der Vorstellung des ersten Entwurfs gab es zudem die Kritik, dass es in den Bezirken nicht genügend Personal gebe, um die komplizierteren Genehmigungsverfahren zu betreuen.
Ein Teil der Anforderungen soll trotzdem in der Bauordnung verbleiben. »Wir sind da noch in der Abstimmung, aber grundsätzlich kann ich sagen, dass die begrünten Dächer drinbleiben«, so Gaebler. Andere Regelungen wie die Bestimmungen zu Niststätten sollen dagegen aus der Bauordnung verbannt werden und stattdessen in der Naturschutzordnung ihren Platz finden. Bauämter sollen dann bei Genehmigungsverfahren entscheiden können, wie sie die Anweisungen aus den beiden Regelwerken gewichten, so Gaeblers Vorschlag.
Der BUND fürchtet indes, dass die Naturschutzvorschriften bei Bauplanungen zurückgestellt werden, wenn sie nicht in der Bauordnung integriert sind. Dabei sei es auch für Bauherren vorteilhaft, wenn alles an einer Stelle geregelt sei, weil so vermieden werde, dass Umplanungen notwendig werden, wenn artenschutzrechtliche Genehmigungen ans Ende des Verfahrens gestellt werden.
Andreas Otto, baupolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus, sieht in der Frage erst einmal einen »rechtsphilosophischen Streit«. »Ich glaube, die Architekten wollen auch nicht so viele verschiedene Verordnungen haben«, sagt er. Auch er befürchtet, dass die Novelle den Umweltschutz zurückstellen könnte. »Jetzt zu sagen: Weniger Umweltschutz, weniger Klimaschutz in der Bauordnung – das geht nicht«, meint er. Er streitet nicht ab, dass sich die Genehmigungsverfahren verlängern könnten, wenn es mehr Vorschriften gibt. Im Gegenzug möchte er allerdings, dass mehr Bauvorhaben ohne Genehmigungsverfahren starten können. »Bei den großen Bauvorhaben ist die Aufsicht wichtig, aber bei kleinen kann die Verantwortung auch in den Schoß der Bauherren gelegt werden«, so Otto.
Die Forderungen des BUND gehen dabei über den rot-grün-roten Entwurf hinaus. So wollen die Umweltschützer zum Beispiel, dass mehr Möglichkeiten zum Versickern von Wasser geschaffen werden. »Die Einleitung von Regenwasser in die Kanalisation ist grundsätzlich abzulehnen«, heißt es in dem Papier. Auf Grundstücken, die so stark versiegelt sind, dass Wasser nicht vollständig versickern kann, soll es stattdessen verdunsten oder aufgefangen und wieder genutzt werden. »Bei vielen Neubauprojekten wird schon jetzt auf Sickerflächen geachtet«, sagt Andreas Otto. »Ich bin mir nicht sicher, ob wir da eine Verschärfung brauchen.« Das Problem liege eher bei Bestands- als Neubauten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.