Rassistische Zuschreibungen im Datensystem der Berliner Polizei

»Afrikanisch« oder gar »indianisch«: Das Datenverarbeitungssystem Poliks der Polizei Berlin kategorisiert Tatverdächtige nach Phänotypen

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 3 Min.

519 827 Straftaten. So viele Delikte erfasste die Berliner Polizei 2022. Das bedeutet in einem Jahr mindestens 519 827 Einträge für die jeweiligen Tatverdächtigen in das Datenverarbeitungssystem Poliks. Zusätzlich liegen dort die Daten aller Berliner*innen, die als Zeug*in oder Opfer Kontakt mit den Sicherheitsbehörden oder der Staatsanwaltschaft hatten. Bei derartigen Datenmengen kommt es auf einen diskriminierungssensiblen Umgang an. Doch eine Antwort aus der Innenverwaltung auf eine schriftliche Anfrage der Linksfraktion zeigt: Die Berliner Polizei kategorisiert Menschen weiterhin nach ihrem Erscheinungsbild.

»Die Kategorie ›Phänotyp‹ dient als Teil der Personenbeschreibung insbesondere dem Wiedererkennen von Personen nach Straftaten, zu Fahndungszwecken, dem Erkennen von Tatzusammenhängen oder Tatmotiven«, heißt es in dem Schreiben, das »nd« exklusiv vorliegt. Wer also bei der Berliner Polizei Anzeige erstattet, kann bei der Beschreibung einer tatverdächtigen Person, über die unter Umständen keine Informationen zur Nationalität oder ethnischen Selbstzuschreibung vorliegen, einen Phänotyp auswählen. Polizeibeamt*innen nehmen die Zuordnung etwa bei erkennungsdienstlichen Maßnahmen selbst vor. Unter den Optionen finden sich die Kategorien »südosteuropäisch«, »asiatisch«, »afrikanisch« oder gar »indianisch«.

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Besonders bei Lichtbildvergleichen kommen diese rassistischen Kategorien dann zum Tragen. Wenn ein Zeuge im Rahmen einer Strafermittlung unter mehreren Fotos einen Tatverdächtigen erkennen soll, werden die Bilder im Vorfeld gefiltert – auch nach Phänotyp. Polizist*innen selbst können diesen Filter für ihre Ermittlungen nutzen.

Die ethnisierende Einteilung von Menschen basierend auf ihrem Aussehen erinnert Elif Eralp an die pseudowissenschaftliche Idee von Rassekreisen. »Wie sieht denn jemand ›asiatisch‹ oder ›indianisch‹ aus? Man arbeitet hier mit rassistischen Vorurteilen, die wissenschaftlich nicht erwiesen und auch nicht mehr zeitgemäß sind«, so die diskriminierungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus.

Wenn dann zum Beispiel bei einer deutschen Person ein Phänotyp wie »asiatisch« angegeben werde, reproduziere das außerdem das rassistische Klischee, wie »echte Deutsche« auszusehen hätten. Tatsächlich bestätigt die Innenverwaltung selbst dieses Vorgehen: »Bei offensichtlichen Diskrepanzen zwischen der Staatsangehörigkeit und dem Erscheinungsbild der betroffenen Person hat die durchführende Dienstkraft des Erkennungsdienstes die Möglichkeit, einen anderen Katalogwert aus der Kategorie Phänotyp auszuwählen.«

Eric Töpfer vom Deutschen Institut für Menschenrechte erinnert daran, dass Kategorien zur polizeilichen Personenbeschreibung bereits in den 1990er Jahren in der Kritik standen. Begriffe wie etwa »südländisch« seien daraufhin gestrichen worden, andere hätten überlebt. Aber auch heute sei unklar, wie Unterscheidungen etwa zwischen »osteuropäisch«, »südosteuropäisch« und »südeuropäisch« in der Praxis vorgenommen würden.

Ohnehin basiere die Methode aber auf einem standardisierten und bundesweit geltendem Katalog. Das heißt, Länder und Bund müssten sich auf eine gemeinsame Alternative einigen. Ganz auf die Beschreibung des Erscheinungsbildes werde die Polizei vermutlich nicht verzichten. »Man würde versuchen, irgendeinen Ersatz zu finden, um etwa bei einem Lichtbildvergleich weiterhin die Daten einzugrenzen.«

Das sieht auch Eralp ein: »Ich verstehe, dass man eine Beschreibung braucht. Aber warum nehmen sie nicht die Hard Facts wie Haarfarbe und Körpergröße?« Unter der neuen schwarz-roten Regierung glaubt sie nicht an Veränderung. Denn das Vorhaben der Vorgängerregierung, die internen Strukturen der Polizei auf Rassismus zu überprüfen, findet sich im aktuellen Koalitionsvertrag nicht wieder.

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