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Wettstreit um den Südkaukasus
Iran und die Türkei wollen ihren Einfluss ausbauen
Anderthalb Monate, insgesamt 44 Tage, kämpften Aserbaidschan und Armenien im Herbst 2020 um Bergkarabach. Am Ende des Konflikts, bei dem mindestens 5000 Menschen auf beiden Seiten starben, konnte Baku die Kontrolle über den Großteil des zuvor verloren gegangenen Gebietes zurückgewinnen. Neben Aserbaidschan gab es damals noch einen weiteren Nutznießer, die Türkei.
Für Recep Tayyip Erdoğan, der mit der Unterstützung für Aserbaidschan seine Präsenz im Südkaukasus festigte, war es der »wichtigste außenpolitische Erfolg der Türkei 2020«. Im trilateralen Abkommen zwischen Aserbaidschan, Armenien und Russland vom 10. November 2020, mit dem das Blutvergießen beendet wurde, musste Jerewan die »Sicherheit der Verkehrsverbindung zwischen den westlichen Gebieten Aserbaidschans und Nachitschewan garantieren«, der Exklave, die direkt an die Türkei grenzt. Sobald der sogenannte Sangesur-Korridor, der durch armenisches Territorium verläuft, eröffnet wird, bekommt Ankara endlich direkten Zugang nach Zentralasien.
Gute Beziehungen zwischen Teheran und Jerewan
Nach außen hin nahm der Iran das Resultat des Bergkarabachkrieges gelassen hin und betonte die territoriale Integrität Aserbaidschans. Dabei hat Teheran nach dem Ende der Sowjetunion engere Beziehungen zu Jerewan als zu Baku aufgebaut. Nur dank des Irans konnte Armenien Anfang der 1990er die Blockade durch Aserbaidschan und die Türkei überleben.
Mehrfach hat sich der Iran seitdem unzufrieden mit der sich ändernden geopolitische Lage im Südkaukasus gezeigt und auch versucht, gegenzusteuern. Am 21. Oktober 2022 eröffnete Teheran in der südarmenischen Gebietshauptstadt Kapan ein Generalkonsulat. Der Ort liegt nördlich des vorgeschlagenen Verlaufs des Sangesur-Korridors und keine fünf Kilometer von der aserbaidschanischen Grenze entfernt. Bei der Eröffnungsfeier betonte der iranische Außenminister Hossein Amir-Abdollahian, dass Teheran »die Sicherheit Armeniens als Sicherheit des Iran« betrachtet.
Interessanterweise wurde nur einen Tag zuvor in Zangilan, einem kleinen Ort, den Baku 2020 zurückerobert hatte, in Anwesenheit von Erdoğan und dem aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew ein Flughafen eröffnet.
Iran und Türkei Rivalen und Partner
Offen zugeben wollen die iranischen Behörden ihre Befürchtungen wegen der wachsenden türkischen Präsenz im Südkaukasus nicht. Regierungsnahe Kreise gehen davon aus, dass eine direkte Konfrontation zwischen Teheran und Ankara verhindert werden kann. »Ich glaube nicht, dass es grundlegende Veränderungen in den Beziehungen zwischen Teheran und Ankara geben wird. Der Iran und die Türkei hatten immer schon eine Beziehung, die auf Rivalität und Zusammenarbeit beruht, insbesondere seit Erdoğan. Allerdings ist die Rivalität nie außer Kontrolle geraten. So wird es auch weiterhin sein«, erklärt Abolfazl Bazargan, Experte für internationale Sicherheit der Teheraner Universität, dem »nd«.
Dennoch werden in iranischen Staatsmedien immer wieder Stimmen laut, dass der Sangesur-Korridor ein Komplott sei, der »einen türkischen Nato-Korridor« errichten will. Auch der wachsende israelische Einfluss im Südkaukasus wird in Teheran mit Sorge betrachtet. Man betrachte die Anwesenheit in der Region als eine ernsthafte Bedrohung für den Frieden und die Stabilität, erklärte der iranische Außenminister Amir-Abdollahian seinem türkischen Amtskollegen im März in Ankara.
Gleichzeitig reagierte Teheran relativ schweigsam auf die Eröffnung der aserbaidschanischen Botschaft in Israel und einer diplomatischen Vertretung in Turkmenistan, in direkter Nachbarschaft zum Iran. Weitere Kopfschmerzen bereitet den Iranern die Annäherung zwischen der Türkei und Israel in den vergangenen Jahren. Wahrscheinlich sah sich Teheran auch deswegen veranlasst, mit anderen Regionalmächten wie Saudi-Arabien Gespräche aufzunehmen.
Ohne Teheran und Ankara kein Frieden im Südkaukasus
Momentan stehen Aserbaidschan und Armenien kurz davor, dank russischer Vermittlung einerseits und der aus Washington und Brüssel andererseits, ein Friedensabkommen zu unterzeichnen. Einer der Stolpersteine auf dem Weg dorthin ist die Frage des Sangesur-Korridors. Für eine Lösung müssen sich Baku und Ankara sowie Jerewan und Teheran absprechen.
Dabei werden die Augen auch auf den neuen türkischen Außenminister Hakan Fidan gerichtet sein, den Erdoğan nach der Wiederwahl ernannte. »Der neue Minister Fidan hat einen sehr erfahrungsreichen Background, kennt sich im Nahen Osten und im Kaukasus hervorragend aus, wo die Interessen Irans und der Türkei direkt aufeinandertreffen. Der wachsende Einfluss Ankaras beunruhigt Teheran. Aber unabhängig davon, wer auf dem Stuhl des Außenministers sitzt, wird der komplizierte Kontext der iranisch-türkischen Beziehungen sich nicht sehr schnell ändern«, sagt Fehim Taştekin, Journalist, Schriftsteller und Kolumnist, dem »nd«.
Fidan hatte nach Amtsantritt erklärt, »bei nächster Gelegenheit« in den Iran zu reisen und sich mit Amir-Abdollahian zu treffen. Wie es im Südkaukasus weitergeht, wird von Fidans Arbeit und dem persönlichen Verhältnis zu Amir-Abdollahian abhängen. Klar ist: Wie der mögliche Friedensvertrag zwischen Aserbaidschan und Armenien aussieht, hängt auch maßgeblich davon ab, wie stark darin die Interessen Ankaras und Teherans berücksichtigt werden.
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