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Geschwächt, aber nicht verschwunden
Russland wird im Südkaukasus auch weiterhin eine Rolle spielen
Das Jahr 2020 war ein gutes Jahr für Russlands Außenpolitik. Erfolgreich hatten Moskaus Diplomaten den Krieg um Bergkarabach zwischen Armenien und Aserbaidschan beendet und Soldaten in die Region entsandt. Für Russland waren die Friedenstruppen eines der wichtigsten Symbole der konstruktiven und stabilisierenden Rolle, die man für sich in der Region deklariert. Ein Erfolg, der auch von der internationalen Gemeinschaft anerkannt wurde.
Zwei Jahre später scheint davon nicht mehr viel übrig zu sein. Tatenlos mussten die Friedenstruppen mitansehen, wie Aserbaidschan den Latschin-Korridor und damit die einzige Verbindung zwischen Armenien und Bergkarabach sperrte. Eine Blockade, die bis heute anhält. Seit Moskaus Einmarsch in die Ukraine nutzt Baku die Ablenkung des Kremls aus, der komplett mit dem Krieg gegen den Nachbarn beschäftigt ist, und füllt das Vakuum mit aggressiven Aktionen wie der Blockade. »Russlands Einfluss schwindet im Moment direkt vor unseren Augen«, erklärte der Leiter des Jerewaner Kaukasus-Instituts, Aleksandr Iskandarjan, vor wenigen Tagen in einem TV-Interview die armenische Sicht. Tatsächlich ist man in Jerewan durchaus verärgert, dass der historisch wichtigste Partner nicht mehr alles zur Unterstützung des kleinen Landes unternimmt. Eine Sicht, die man in Moskau nicht unterstützt. Dort betonen Historiker und Politikwissenschaftler nach wie vor die herausragende Bedeutung Armeniens für Russland. Ministerpräsident Michail Mischustin sprach zuletzt von einer »brüderlichen Verbindung mit strategischem und vereinendem Charakter«.
Doch angesichts der westlichen Sanktionen versucht Russland, sich breiter aufzustellen. Armenien ist eine der Drehscheiben für den grauen Import von Waren, also die Einfuhr ohne Genehmigung des Rechteinhabers, geworden. Erst am Montag wurde bekannt, dass die Kaukasusrepublik ihren Export nach Russland 2022 um 187 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigern konnte. Allerdings wird auch Aserbaidschan für Moskaus Handel immer wichtiger. Das Land liegt zwischen den Verbündeten Russland und Iran und dem Nord-Süd-Korridor, den die drei Staaten im September 2022 vereinbarten. Zudem hat Moskau ein Interesse an der Einrichtung des Sangesur-Korridors, gegen den sich Jerewan sträubt. Dadurch könnten türkische Waren über Aserbaidschan nach Russland gelangen.
Weil die Türkei mittlerweile der wichtigste Partner in der Region ist, schaut Moskau weitgehend tatenlos zu, wie sich Ankara in der Region ausbreitet. Anders beim Westen, der sich immer stärker im Kaukasus engagieren will. Diplomatisch fürchtet die russische Regierung eine Ausweitung der geopolitischen Auseinandersetzung mit dem Westen. Zwar ist Moskau immer noch ein Vermittler zwischen Armenien und Aserbaidschan, aber nicht mehr der Einzige. Russland muss womöglich zusehen, wie der Frieden im Südkaukasus in Brüssel oder Washington geschlossen wird und die Friedenstruppen bald die Region verlassen müssen. Die Bevölkerung Armeniens weiß Russland dennoch mehrheitlich hinter sich. Schließlich hat Brüssel viel zu lange zugeschaut und keine konstruktiven Vorschläge für die Lösung des Konflikts unterbreitet. Auch die Tatsache, dass westliche Politiker den aserbaidschanischen Diktator Ilham Alijew und vor allem dessen Gas hofieren und dafür großzügig bei Menschenrechtsverstößen und Kriegsverbrechen wegschauen, macht die Menschen in Armenien wütend – und hilft Moskau.
Trotzdem könnte Moskau sein Engagement von sich aus etwas zurückfahren, glaubt Aleksandr Iskandarjan: »In der russischen Führung gibt es Menschen, die sagen: Egal, wie viel Geld, Energie und Aufmerksamkeit wir in den Südkaukasus buttern, werden weder Armenien noch Aserbaidschan letztendlich ›unser‹«, so der Politikwissenschaftler. Dass Russland aber komplett aus der Region verdrängt wird, hält er für unmöglich. Dafür ist der Nachbar viel zu mächtig. »Russland wird in unserer Region seinen Einfluss haben, selbst wenn es das nicht möchte«, so Iskandarjan.
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