- Berlin
- Mietspiegel
Berliner Mietspiegel: Grünes Licht für Mieterhöhungen
Mit dem neuen Mietspiegel steigt die ortsübliche Vergleichsmiete um 5,4 Prozent
Erstmals liegt die mittlere ortsübliche Vergleichsmiete über der Marke von sieben Euro. Mit dem neuen Mietspiegel steigt sie im Jahr um rund 2,7 Prozent an. Auf die übliche Geltungsdauer von zwei Jahren gerechnet sind das 5,4 Prozent. Im Mittel steigt sie nun von 6,79 auf 7,16 Euro je Quadratmeter. Das hat Bausenator Christian Gaebler am Donnerstag bekannt gegeben. Damit vergrößert sich der Spielraum für Vermieter, Mieten zu erhöhen. Gleichzeitig begrenzt der neue Mietspiegel auch die Möglichkeiten für Vermieter. »Der Mietspiegel schafft Sicherheit«, so Gaebler.
Vermieter dürfen bei Erhöhungen in laufenden Verträgen die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschreiten. Diese fällt je nach Lage, Größe, Baualter und Ausstattung einer Wohnung unterschiedlich hoch aus. Eine zweite Beschränkung ist die sogenannte Kappungsgrenze: In angespannten Wohnungsmärkten wie Berlin dürfen die Erhöhungen 15 Prozent in drei Jahren nicht überschreiten.
»Ich glaube, dass es jetzt keine Welle geben und sich das im normalen Mieterhöhungsgeschehen abspielen wird«, erklärte Gaebler bereits am Mittwoch vor Journalisten. Er habe nicht den Eindruck, dass alle auf den neuen Mietspiegel gewartet hätten, sondern auch aufgrund des alten Mieterhöhungen ausgesprochen wurden. Der Mietspiegel ist relevant für 1,5 Millionen Wohnungen in Berlin. Die Erhöhung um 37 Cent bewegt sich im Bereich vorheriger Steigerung. Zwischen 2015 und 2017 stieg sie um 55, danach um 34 und zuletzt um sieben Cent.
Der Mieterverein empfiehlt Mietern, Mieterhöhungen unbedingt überprüfen zu lassen. »Mit Veröffentlichung eines neuen Mietspiegels nutzen viele Vermieter meist sehr schnell diese Möglichkeit«, sagte Wibke Werner vom Berliner Mieterverein diese Woche. Dennoch ist fraglich, ob Vermieter jetzt ihre Chance nutzen oder noch warten. Denn Mieten dürfen nur alle 15 Monate erhöht werden. Und schon im Mai 2024 soll ein neuer Mietspiegel veröffentlicht werden.
Eigentlich gibt es alle zwei Jahre einen neuen Mietspiegel. Doch dem aktuellen »Übergangs-Mietspiegel« ging ein Rechtsstreit mit weitreichenden Folgen voraus. Wegen des Streits ist jetzt auch lediglich ein »einfacher« Mietspiegel erstellt worden, bei dem die Senatsbauverwaltung die Tabellenwerte aus 2021 mit einem Preisindex fortgeschrieben hat. Zuvor haben sich Mieter- und Vermietervertreter nicht auf gemeinsame Tabellenwerte einigen können.
Normalerweise wäre aber ein »qualifizierter« Mietspiegel nach wissenschaftlichen Kriterien zu erstellen gewesen. Doch das Land und ein Regensburger Professor lieferten sich vor der Vergabekammer einen Rechtsstreit um die Methode. Die Senatsbauverwaltung wollte einen Tabellen-Mietspiegel erstellen, der Professor argumentiert aber schon seit Jahren dafür, dass die aufwendigere Regressionsmethode besser geeignet wäre.
Beide werden in der Praxis in deutschen Städten angewandt. Bei der Regressionsmethode werden allerdings deutlich mehr Details abgefragt, die Wohnung in mehr Kategorien aufgegliedert. In der Konsequenz dürfte diese Methode deshalb teils höhere Mieten ergeben.
Das Land gewann im Oktober vergangenes Jahr. Doch war da bereits die Zeit zu knapp, um einen neuen qualifizierten Mietspiegel zu erstellen, bis der alte nun im Mai dieses Jahr auslief. Denn für den qualifizierten Mietspiegel hätten Miet-Daten durch Befragungen von Vermietern und Mietern erhoben werden müssen. Dass Berlin jetzt zur Überbrückung einen einfachen Mietspiegel veröffentlicht, ist wichtig, um Mieterhöhungen im Zaum halten zu können. Ohne Mietspiegel könnten Vermieter vor Gericht Mieterhöhungen mit lediglich drei vergleichbaren Wohnungen begründen.
Zu Gerichtsverfahren, bei denen ein Vermieter eine höhere Mietsteigerung als nach der Tabelle möglich ist, durchsetzen will, indem er den einfachen Mietspiegel als unzulässig anfechtet, kann es dennoch kommen. Auch zuletzt hatte das Amtsgericht Spandau bereits den Mietspiegel 2021 nicht anerkannt. Die Landgerichte in nächster Instanz akzeptieren den Mietspiegel aber bisher als Grundlage zur Prüfung, ob Mieterhöhungen rechtmäßig sind.
»Wir werden uns überlegen müssen, wie wir künftig solchen Angriffen begegnen«, sagte der damalige Bausenator Andreas Geisel (SPD) im Oktober im Abgeordnetenhaus zu der Klage des Regensburger Professors gegen das Vergabeverfahren. »Eine Möglichkeit wäre, einen solchen Mietspiegel selbst erstellen zu lassen«, so Geisel. Dann müsste nicht ausgeschrieben werden, es bräuchte aber eigenes Fachpersonal.
Zumindest zeitnah passiert das nicht. Die Vergabe für die Erstellung des nächsten Mietspiegels ist erfolgt. Der Mietspiegel für 2024 ist bereits in Arbeit. Dann dürfte der Anstieg bei der ortsüblichen Vergleichsmiete deutlich größer ausfallen. München hatte zuletzt im März seinen neuen qualifizierten Mietspiegel veröffentlicht, der eine Steigerung von 21 Prozent ausgibt.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.