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Innenminister sehen Bedrohungen überall

Innenminister beraten über Umgang mit »Linksextremisten«, »Klimaklebern« und mehr Abschiebungen

  • Dirk Burczyk
  • Lesedauer: 5 Min.

An diesem Freitag geht in Berlin die turnusmäßige Frühjahrskonferenz der Innenminister*innen und -senator*innen und ihrer Amtskollegin im Bund, Nancy Faeser (SPD), zu Ende. Im Mittelpunkt stand vor allem der Umgang mit vermeintlichen Bedrohungen, so zum Beispiel mit »Linksextremisten« und den Klimaschutzaktivist*innen der Letzten Generation. Nicht wenige Innenminister*innen meinen, es handle sich bei den Klimaaktivist*innen um eine »kriminelle Vereinigung«. Eine solche Einordnung gibt dem Staat weitgehende Überwachungs- und Ermittlungsbefugnisse.

Punkte, die Bundesinnenministerin Faeser besonders am Herzen liegen und die auf der nichtöffentlichen Konferenz eine große Rolle spielen sollten, sind die Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder, die Sicherheit von Polizei und Rettungskräften sowie Messerverbote in Bussen und Zügen. Auch die Einigung zur EU-Asylpolitik am 8. Juni und die »Nationale Sicherheitsstrategie« waren Themen der Innenministerkonferenz (IMK), die nun zum ersten Mal offiziell »gegendert« wird und ab sofort »Innenminister:innenkonferenz« heißt.

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Was diese Riege der obersten Sheriffs im Lande da so tut, entzieht sich weitgehend den Blicken der Öffentlichkeit. Die IMK besteht seit 1954 und ist ein klassisches Element des kooperativen Föderalismus: Da Aufgaben der Gefahrenabwehr nach dem Grundgesetz Ländersache sind und es zugleich eine gewisse Erwartungshaltung an Bundeseinheitlichkeit gibt – wie die Debatten zu den Corona-Schutzmaßnahmen gezeigt haben – werden dort Absprachen zu allem Möglichen getroffen, zum Beispiel zur Ausstattung und Ausbildung von Polizei und Rettungskräften, zum Umgang mit länderübergreifenden Gefahren und Bedrohungen oder zum Auftreten der Bundesländer in den Gremien der EU.

Es kommt also alles auf den Tisch, worum sich Innenminister*innen so kümmern. Beschlüsse werden einstimmig und durch die Länder getroffen; die Bundesinnenministerin ist nur Gast. Der Vorsitz wechselt in alphabetischer Reihenfolge, nach Bayern im vergangenen ist dieses Jahr Berlin dran.

Geheimbündelei

Gerade im Sicherheitsbereich ist ein starker Föderalismus gegenüber zentralstaatlichen Lösungen durchaus ein Vorteil. Bei der IMK zeigt sich aber auch eine Schattenseite. Die IMK und ihre Mitglieder verstehen ihre Treffen als Teil des »Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung«, der frei von parlamentarischer Kontrolle sein soll. Debatte und Aufregung sollen die Regenten nicht in ihrem weisen Ratschluss stören. Die dort vorgelegten Berichte, Beschlussvorschläge und Beschlüsse sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Selbst, wenn im Bundestag vom Bundesinnenministerium die Herausgabe eines Berichts verlangt wird, der dort verfasst und der IMK vorgelegt wurde, wird dies verweigert. Gleiches gilt für die Länderparlamente. Nur die Dokumente, bei denen die IMK einmütig eine Veröffentlichung beschließt, sind zugänglich. Und das auch erst seit 2015, als die IMK hierzu ein Verfahren beschlossen hat.

Ohnehin vollkommen dem öffentlichen Blick entzogen ist die fachliche Arbeit der IMK, die bei den Frühjahrs- und Herbsttagungen nur ihren Abschluss findet. Vorgeschaltet sind Facharbeitsgremien, die Arbeitskreise, mit wiederum einer großen Zahl von Unterarbeitskreisen und Arbeitsgruppen. Hier sitzen die Zuständigen aus Innenverwaltungen und Behörden unmittelbar zusammen.

Arbeitskreise existieren zu Fragen von Staatsrecht und Verwaltung (hierunter zählen auch Asyl- und Aufenthaltsrecht), zur Inneren Sicherheit, zu kommunalen Angelegenheiten, zum Verfassungsschutz, zu Feuerwehr und Katastrophenschutz sowie zu Fragen des öffentlichen Dienstes. Die dort erarbeiteten Beschlussvorlagen werden von der IMK meist nur abgenickt. Man konzentriert sich dort auf strittige Punkte.

Dabei gäbe es da einiges, was für die Bürger*innen von Interesse ist. So hat der Reformprozess der Polizei in den 1970er Jahren seinen Ausgang im »Programm Innere Sicherheit« genommen, das in der IMK erarbeitet wurde. Teil des Programms war ein Musterpolizeigesetz, das damals für einen weitgehenden Gleichklang der Polizeigesetze in den Ländern sorgte. Es ging einher mit der Zentralisierung der Polizeien in den Ländern und machte Schluss mit den teils noch bestehenden eigenständigen Stadt- oder Kreispolizeibehörden.

In den vergangenen Jahren gab es einen erneuten Anlauf für ein Musterpolizeigesetz, der allerdings als gescheitert gelten kann. Zu weit lagen hier die Vorstellungen von SPD- und CDU-Innenminister*innen darüber auseinander, welche Spähbefugnisse die Polizei erhalten sollte. Auch die Architektur der polizeilichen Datenhaltung ist immer wieder Thema der IMK und ihrer Arbeitsgremien. Die dürren Regelungen im Bundeskriminalamtsgesetz zu einem zentralen polizeilichen Informationsverbund werden hier erst mit Leben gefüllt – so wie im aktuellen Programm »P20« (zuvor »Polizei 2020«), mit dem ein gemeinsames »Datenhaus« der Polizei mit einheitlichen Anwendungen in allen Landespolizeien geschaffen wird.

Politikinstrument Kriminalstatistik

Hier wird auch detailliert verabredet, wie die Polizei Statistiken im Bereich der Allgemein- und der politisch motivierten Kriminalität (PMK) erstellt – Zahlenwerke, mit denen bekanntlich Politik gemacht wird, deren Grundlage aber der politischen Debatte entzogen werden.

Gerade diese Geheimhaltung der Inhalte und fachlichen Abstimmungen ermöglicht der IMK, selbst die öffentliche Debatte zu bestimmen und Themen zu setzen. So auch bei dieser Tagung: In Reaktion auf die Mordtaten in einer Regionalbahn in Brokstedt, bei der im Januar ein junges Paar Opfer einer Messerattacke wurde, haben Hamburg und Schleswig-Holstein einen Katalog von Vorschlägen unter anderem zur weiteren Vertiefung des Informationsaustauschs zwischen Polizei, Justiz und Ausländerverwaltung vorgelegt.

Derweil machte auch EU-Innenkommissarin Ylva Johannsson der IMK ihre Aufwartung, um für ihr Projekt einer Überwachung von Messengerdiensten zur Bekämpfung von Missbrauchsdarstellungen von Kindern zu werben, von Kritiker*innen auch Chatkontrolle genannt – ein Thema, bei dem sie Bundesinnenministerin Faeser an ihrer Seite weiß.

Unser Autor ist Mitarbeiter der Linksfraktion im Bundestag.

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