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Der SC Magdeburg kann in der Champions League zum Giganten werden

Wie Trainer Bennet Wiegert Magdeburgs Handballer zu großen Jungs gemacht hat

  • Erik Eggers
  • Lesedauer: 6 Min.
Trainer Bennet Wiegert und seine Magdeburger Handballer könnten zu Giganten werden.
Trainer Bennet Wiegert und seine Magdeburger Handballer könnten zu Giganten werden.

Das Gefühl SC Magdeburg. Es gibt nicht viele Menschen, die dieses stärker verinnerlicht haben und intensiver leben als Bennet Wiegert. Geboren 1982 in Magdeburg, aufgewachsen als Sohn der Kreisläufer-Legende Ingolf Wiegert, hatte er alle Jahrgänge des SCM durchlaufen und war Handball-Meister mit der B- und der A-Jugend geworden, bevor er 2001 unter dem Trainer Alfred Gislason die umjubelte Deutsche Meisterschaft gewann. Ein Jahr später half er als nervenstarker Linksaußen, als Magdeburg als erster deutscher Klub in der Champions League triumphierte.

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Das Gefühl SC Magdeburg bewog Wiegert auch, als der Verein im Herbst 2015 in Turbulenzen gestürzt war, den Trainerposten zu übernehmen. Er war damals 34 Jahre alt und ein Neuling, zuvor lediglich Jugendkoordinator. Sein Vater warnte ihn vor dem Job, an dem er selbst einmal gescheitert war, weil die Emotionen beim Traditionsverein so schnell hochschlagen. »Trainer in Magdeburg zu sein, das ist ein Grenzgang. Hier oder da ein Tor weniger, und du stehst auf der Abschussliste«, sagte er vier Monate später und schämte sich seiner Tränen nicht. Denn da hatte Bennet Wiegert sein Team sensationell zum Pokalsieg geführt. Damals war er der jüngste Coach der Bundesliga und blickte schon sehnsüchtig nach Köln, wo seit 2010 das Finalturnier der Champions League stattfindet. »Da spielen die großen Jungs. Vielleicht können wir da auch mal drum kämpfen.«

Nun reist der SC Magdeburg, der im vergangenen Jahr ebenso sensationell Meister geworden war, tatsächlich erstmals nach Köln und spielt mit beim »größten Handballturnier, das es in Europa gibt«, wie Wiegert es ehrfürchtig nennt. Nun gehören sie selbst zu den großen Jungs. An diesem Wochenende konkurrieren sie mit dem FC Barcelona, KS Kielce und Paris St.-Germain um die wertvollste Klubtrophäe der Welt. »Jetzt ist es so weit. Das ist ein Meilenstein für den Verein«, freut sich der Trainer. Geschäftsführer Mark-Hendric Schmedt sagt: »Ich bekomme noch immer eine Gänsehaut, wenn ich daran denke, dass wir da mitmachen dürfen.«

Auf dem Papier ist der SC Magdeburg krasser Außenseiter im Halbfinalduell an diesem Sonnabend gegen den FC Barcelona. Die Katalanen streben nach dem dritten Königsklassen-Titel in Folge, sind besetzt mit zahlreichen französischen Olympiasiegern und haben mit Gonzalo Pérez de Vargas einen Supertorwart zwischen den Pfosten. Allerdings hat der SCM dieser Übermannschaft zuletzt zwei empfindliche Niederlagen zugefügt, jeweils beim Super Globe, der Klubweltmeisterschaft. Entsprechend selbstbewusst sind die Magdeburger: »Wir wissen, wozu wir fähig sind«, sagt der zuletzt wieder in Topform agierende Rückraum-Linkshänder Kay Smits.

Die großen Jungs. Mit dieser Formulierung beweist Trainer Bennet Wiegert seinen feinen Sinn für Ironie. Schließlich wurde ihm über viele Jahre immer wieder vorgeworfen, »Zwergenhandball« zu fabrizieren, indem er zu viele kleine Spieler für den Rückraum verpflichte. Seine Spielidee besteht seit 2016 darin, mit kleinen wendigen Profis so viel Tempo zu entwickeln, um mit Durchbrüchen und erfolgreichen Zweikämpfen in die Nahwurfzone zu kommen, in der bekanntlich die Trefferquote deutlich höher ist als aus dem Rückraum. Dieses Konzept sei auch vor dem Hintergrund ökonomischer Zwangslagen entstanden, sagt Wiegert, man habe sich, anders als der THW Kiel, teure Rückraumstars schlicht nicht leisten können. »Da steckt ein Plan dahinter.«

Spätestens seit dem Gewinn des Meistertitels im vergangenen Jahr sind diese Vorwürfe verstummt. Seitdem schwärmen die Experten, Wiegert habe mit seiner Spielidee die Tür zur Handball-Moderne aufgestoßen. 2021 hatte der SCM bereits die European League gewonnen. Nun kann der Trainer das nächste große Kapitel in der Magdeburger Handballgeschichte schreiben. Allein die Reise nach Köln ist ein großer Erfolg – wie auch die diesjährige Vizemeisterschaft. Hatte das Team in der Rückrunde doch zahlreiche Ausfälle zu beklagen. Omar Ingi Magnusson, der spielintelligente Isländer auf Halbrechts, ist immer noch verletzt. Aber Gísli Kristjánsson, der mit seinem schnellen Antritt und seiner Zweikampfstärke viele Angriffe einleitet, ist rechtzeitig wieder zurück. Der isländische Regisseur ist mit seinen 1,91 Metern Körpergröße den meisten Abwehrhünen im Mittelblock körperlich eigentlich unterlegen. Aber angesichts seiner Leistungen ist er längst ein Großer. Jetzt könnten er und seine Mitspieler zu Giganten werden.

Was auch immer in Köln passieren mag: Die Zukunft leuchtet hell für den SCM. Denn der Klub ist derzeit auch wirtschaftlich so gut wie noch nie aufgestellt. Geschäftsführer Schmedt hat über 600 Sponsoren an Bord, so viele, dass einige VIPs bei Heimspielen in einem Zelt beherbergt werden müssen. Damit ist der SCM für den Geschäftsführer der Bundesliga Frank Bohmann ein leuchtendes Vorbild: »Auf Dauer muss sich ein Klub aus den sportgegebenen Geschäftsmodellen finanzieren, ansonsten ist eine ökonomische Nachhaltigkeit kaum zu realisieren.«

Bei der Konkurrenz in Köln sieht das anders aus, sie sind sämtlich angewiesen auf Geldspritzen. Die Handballabteilung des FC Barcelona, die seit Jahrzehnten vom Fußball querfinanziert wird, muss angesichts der gewaltigen Schuldenlast des Klubs den Etat deutlich kürzen, weshalb eine Spitzenkraft wie Kreisläufer Ludovic Fabregas im Sommer zum ungarischen Meister Veszprem flüchtet. Das gleiche Problem besteht bei Paris St.-Germain, dessen katarische Geldgeber allmählich die Lust am Handball verlieren.

Der polnische Serienmeister Kielce stand im Herbst enorm unter Druck, weil eine Brauerei nicht mehr zahlen konnte. Doch Kielces Präsident Bertus Servaas, ein schillernder Unternehmer, der die Bühne gern in Schlangenlederschuhen betritt, hat den laut Forbes-Liste reichsten Polen zum Investieren motiviert. Das Geld fließt also wieder für den Klub, der im vergangenen Jahr erst im Siebenmeterwerfen an Barcelona gescheitert war. Damals wie heute im Tor: Andreas Wolff. Der deutsche Nationaltorhüter will unbedingt diese Trophäe. Gelingt das, dürfte ihm ziemlich egal sein, ob hinter diesem Sieg ein nachhaltiges Wirtschaften steht oder nicht.

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