Mythen rund um das selbstfahrende Auto

Nur eine rundum sichere Software reicht nicht aus

Ist das die Zukunft? Ganz entspannt im Fahrzeug, ohne das Lenkrad zu bedienen?
Ist das die Zukunft? Ganz entspannt im Fahrzeug, ohne das Lenkrad zu bedienen?

Zum umstrittenen autonomen Fahren gibt es eine aktuelle Expertenstudie »SocAlty« der Audi Initiative. Sie beschäftigt sich mit einigen weitverbreiteten Mythen rund um die Technologie und will so eine positive Akzeptanz fördern. Was steckt hinter den Mythen? Was stimmt – und was stimmt nicht?

Mythos Nr. 1: Ein selbstfahrendes Auto wird wie ein normales Auto sein, nur ohne Fahrer/Fahrerin.

Aerodynamik ist besonders bei rein elektrisch angetriebenen Autos ein Schlüsselfaktor für die Reichweite und spielt daher beim Design weiterhin eine große Rolle. In diesem Punkt wird sich das Aussehen von Autos und anderen Fortbewegungsmitteln mit zunehmender Automatisierung nicht radikal ändern.

Fest steht: Der Schwerpunkt des Designs wird künftig auf der Innenraumgestaltung liegen. Dort wird der Komfort der Fahrgäste im Vordergrund stehen, deren Sitze in Zukunft in bestimmten Anwendungsfällen nicht mehr zwingend in Fahrtrichtung blicken müssen. Diese Freiheit bei der Gestaltung des Innenraums bietet den Personen an Bord eine große Vielfalt an Optionen für individuell gestaltbare Erlebnisse, für Kommunikation oder Entspannung, Arbeit oder Rückzug. Der Platz für die Fahrgäste wird maximiert, indem alles, was nicht mehr benötigt wird – Pedale, Schalthebel, Lenkräder –, temporär versenkt werden kann.

Mythos Nr. 2: Sobald die Software entwickelt und verfügbar ist, können autonome Autos überall fahren.

Um selbstfahrende Autos auf die Straßen zu bringen, braucht es nicht nur eine voll zuverlässige und rundum sichere Software für das Auto, sondern auch für die gesamte Umgebung. Das Bild unserer Städte wird sich dafür Schritt für Schritt verändern: Dazu muss die Infrastruktur um intelligente Ampeln und Straßensensoren erweitert werden. Die Städte werden digitaler und bieten so für mehr und mehr automatisierte Autos ein geeignetes Ökosystem. Die Städte werden so sicherer und entspannter, da der Verkehr im Idealfall ohne Störungen und Staus fließen kann.

Mythos Nr. 3: Mit selbstfahrenden Autos geht der Fahrspaß verloren.

Autoliebhaber ängstigt, zum Passagier und damit zur Tatenlosigkeit verdammt zu sein. Sie glauben, die Maschine würde sie daran hindern, mit ihrem Auto durchs Land zu fahren und das Vergnügen zu genießen, ihren Fuß auf dem Pedal und ihre Hände am Lenkrad zu fühlen. Richtig ist jedoch: Selbstfahrende Autos bedeuten nicht das Ende allen Fahrvergnügens. Kein Hersteller wird seine Kunden daran hindern, ihr Auto selbst zu steuern, wenn sie dies wünschen. Die Wahl, das Auto selbst zu fahren oder unliebsame Fahraufgaben wie stop-and-go auf der Autobahn an das Auto abzugeben, wird dem Besitzer des Fahrzeugs auch künftig weiterbleiben.

Mythos Nr. 4: Selbstfahrende Autos bieten ein Einfalltor für Hacker.

Nein. Sie werden grundsätzlich nicht angreifbarer sein als jene, die von Hand gesteuert werden. Allerdings können die Auswirkungen eines Hackerangriffs auf die sicherheitsrelevanten Systeme eines selbstfahrenden Autos gravierender sein. Deshalb entwickeln die Hersteller die Schutzmaßnahmen gegen Cyber-Attacken ständig weiter und verbessern die Schutzmechanismen innerhalb des Fahrzeuges und außerhalb im Backend. Mit zunehmender Vernetzung des Autos mit seiner Umwelt wird deshalb auch der Aufwand für eine zuverlässige und immer aktuelle Cyber-Security größer. Gleichzeitig steigt mit automatisierten Fahrzeugen die Verkehrssicherheit – neben besserer Effizienz und höherem Komfort ein Gewinn für die ganze Gesellschaft.

Mythos Nr. 5: Selbstfahrende Autos benötigen weniger Parkplätze.

Selbstfahrende Autos werden nicht weniger Parkraum benötigen – sie werden ihn aber deutlich effizienter nutzen. Zudem könnte in Ballungsräumen die Fahrzeugdichte sinken, wenn ein steigender Anteil der Autos in Sharing-Modellen genutzt wird. Interessant ist dabei der Fakt: Laut Umweltbundesamt werden private Fahrzeuge heute durchschnittlich nur eine Stunde am Tag bewegt.

Mythos Nr. 6: Die Technik ist entwickelt, aber es fehlt noch an Gesetzen zum autonomen Fahren.

Richtig ist, dass die technologische Entwicklung in Ländern wie den USA oder China rascher voranzuschreiten scheint als in Deutschland und Europa. Richtig ist aber auch, dass der deutsche Gesetzgeber sehr früh einen rechtlichen Rahmen geschaffen hat, der die Sicherheit bei der Entwicklung und Einführung der Technologie an erste Stelle setzt. In dieser Hinsicht gilt Deutschland im internationalen Vergleich als Pionier.

Schon seit 2017 dürfen autonome Fahrsysteme unter bestimmten Voraussetzungen Tätigkeiten übernehmen, für die bis dahin ausschließlich der Mensch zuständig war. Im Juni 2021 wurde ein Rechtsrahmen geschaffen, der Fahrzeuge ab Level 4 im öffentlichen Straßenverkehr im Regelbetrieb anerkennt, allerdings nur in definierten Bereichen (zum Beispiel Shuttle-Verkehre von A nach B oder »People Mover«-Busse auf festgelegten Routen). Dieses Gesetz ist ein erster Schritt für eine umfassendere Regulierung, an der intensiv gearbeitet wird. Fakt ist also: Die Behörden, die die Gesetze umsetzen, blockieren die Entwicklung nicht, sondern folgen schlicht dem gesetzlich festgelegten Grundsatz, dass die Sicherheit an erster Stelle steht.

Mythos Nr. 7: Autonome Fahrzeuge können im Extremfall Entscheidungen über Leben und Tod treffen.

Mit Blick auf das autonome Fahren ist aus heutiger Sicht entscheidend: Nicht das Auto selbst entscheidet, sondern das, was der Mensch für das Fahrzeug programmiert. Das Fahrzeug bildet nur das ab, was die Software vorgibt. Und hier zeigen alle bisherigen Untersuchungen: Maschinen sind deutlich weniger anfällig für »menschliches Versagen« als Menschen, da sie zum Beispiel auch bei langen Fahrten nicht ermüden.

Die Frage, ob und wie eine Maschine in einer Gefahrensituation richtig entscheiden kann, bewegt viele Menschen. Sie ist jedoch nicht erst mit dem autonomen Fahren aufgekommen. Sie wird seit Jahrzehnten in der Ethik am Beispiel des »Weichenstellerfalls« diskutiert. Dabei geht es um die Frage, ob ein Weichensteller einen auf eine Personengruppe zufahrenden Zug auf ein anderes Gleis umleiten darf, auf dem sich ebenfalls Personen befinden – jedoch weniger. Ist sein Handeln in dieser Konstellation eine Straftat? Wäre er somit zum Nichtstun verdammt? Oder hat er richtig abgewogen und den größtmöglichen Schaden verhindert?

Mit dem autonomen Fahren erlebt diese Diskussion ein Comeback: Der zentrale Punkt in der Debatte sei jedoch, so die Experten der Studie, dass in einer Gefahrensituation nicht das Auto selbst entscheidet, sondern nur das abbildet, was die von Menschen programmierte Software vorgibt. Es kann und wird immer nur die ethischen Entscheidungen und Werte des Menschen übernehmen und konsequent anwenden – ohne eigene Interpretation.

Mythos Nr. 8: Selbstfahrende Autos werden so teuer sein, dass sich nur wenige Menschen die Technologie leisten können.

Die Entwicklung autonomer Autos ist mit hohen Investitionen verbunden. Kurz- und mittelfristig wird sich das natürlich auf die Produktkosten auswirken – langfristig, das heißt bei Serienreife und entsprechender Amortisation der Entwicklungskosten, werden die Preise aber wieder zurückgehen. Hinzu kommt, dass bei der prognostizierten Erhöhung der Verkehrssicherheit Schadenfälle deutlich zurückgehen werden und damit möglicherweise auch Reparatur- und Versicherungskosten.

Wichtig ist aber auch die zu erwartende Veränderung bei der Mobilitätsnutzung: In Ballungsräumen wird ein Teil der Fahrzeuge, die sich autonom bewegen, nicht mehr Einzelpersonen gehören, sondern Mobilitätsanbietern – oder sie werden von mehreren Personen in Sharing-Konzepten geteilt. Auch das erhöht die Nutzungseffizienz und wird sich auf der Kostenseite positiv auswirken.

Die 76-seitige Audi Studie »SocAlty – autonomes Fahren auf dem Weg zur gesellschaftlichen Akzeptanz« entstand 2021 unter Mitwirkung von 19 renommierten Experten aus aller Welt zu den Themenfeldern Recht, Ethik und Daten.

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