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Asylrechtsverschärfungen: Respekt für alles und jeden
Der Länderrat der Grünen diskutierte über Asylrechtsverschärfungen. Zum Eklat kam es nicht
»Habt keine Sehnsucht nach einer Minderheitenposition, habt keine Sehnsucht nach Opposition«, rief Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck den knapp 100 Delegierten des Länderrats, wie der kleine Parteitag von Bündnis 90/Die Grünen heißt, am Samstag im hessischen Bad Vilbel zu. Seine vermeintliche Sorge war allerdings unbegründet. Der Länderrat ist ein Funktionärsgremium. Kaum jemand hier will zurück in die Opposition. Habecks Botschaft traf auf offene Ohren: Wer regieren will, muss harte Entscheidungen treffen.
Die größte Kröte, die das grüne Führungspersonal den Delegierten an diesem Tag zum Schlucken vorsetzte, war die geplante Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (Geas), die diverse Asylrechtsverschärfungen beinhaltet. Draußen, vor der Stadthalle von Bad Vilbel, hielten Pro Asyl und der Hessische Flüchtlingsrat eine Kundgebung mit etwa 30 Menschen ab, die forderten: »Nein zum Europa der Haft- und Elendslager«. Dass es nicht mehr waren, dürften die Grünen der Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu verdanken haben, die den sogenannten Asylkompromiss als »historischen Erfolg« bezeichnet hatte und sich an eben diesem Samstag in Hanau auf einem SPD-Landesparteitag zur Spitzenkandidatin für die hessische Landtagswahl am 8. Oktober aufstellen ließ. Auch dort protestierte Pro Asyl. Während Faeser es vermied, das Thema Asyl anzusprechen, bemühte sich der grüne Co-Bundesvorsitzende Omid Nouripour, den Protest von Pro Asyl einzuhegen. Er kenne »diese Leute«, habe »Seite an Seite« mit ihnen gestanden und sie leisteten »unglaublich tolle Arbeit«.
Die grünen Delegierten arbeiten sich ohnehin lieber an Faeser ab, als ihre Parteifreundin und Außenministerin Annalena Baerbock, die ebenfalls an der Aushandlung der Geas-Reform beteiligt war, allzu stark zu kritisieren. In ihrer Rede sprach Baerbock von Schmerzen, die sie bei den Verhandlungen gehabt habe, von »ganz viel Zerrissenheit« und von einer »Stimme in meinem Ohr«, die ihr gesagt habe: »Das kann ich uns eigentlich nicht zumuten.« Für sie sei es eine 51-zu-49-Entscheidung gewesen, doch ein Nein hätte noch viel schlimmere Folgen gehabt, und mehr hätte sie nun mal nicht herausholen können. Baerbock erhielt viel Beifall. Bei dem ganzen Gerede über schmerzliche Entscheidungen, die eine Regierungspartei treffen müsse, und dem vielen Selbstmitleid der Grünen hätte man für einen Moment fast das tatsächliche Leiden der Menschen an den Außengrenzen der EU und auf dem Mittelmeer vergessen können.
Nur wenige Rednerinnen vertraten in der Debatte über die Asylpolitik eine klar humanistische Position. Zu den wenigen Ausnahmen gehörten die Bundestagsabgeordnete Awet Tesfaiesus und die schleswig-holsteinische Sozialministerin Aminata Touré. Letztere redete ihren Parteifreunden ins Gewissen: »Uns darf nicht mehr beschäftigen, wie politische Entscheidungen kommunikativ und strategisch da draußen ankommen, als die realen Auswirkungen dieser Entscheidungen.«
Am Ende ging es dennoch nur darum, wie sich die Grünen kommunikativ und strategisch verkaufen wollen. Von den 46 Änderungsanträgen, die zum Antrag »Für eine moderne und menschenrechtsorientierte Migrationspolitik in Deutschland und der Europäischen Union« des Parteivorstands eingereicht worden waren, blieben nach der Debatte nur drei übrig, die freilich abgelehnt wurden. Die anderen wurden nach Verhandlungen über Wortklaubereien im Antragstext zurückgezogen.
So heißt es im letztlich einstimmig gefassten Beschluss: In der Partei gebe es Leute mit »unterschiedlichen Einschätzungen«, die sich einander respektierten. Der sogenannte Asylkompromiss könne zwar »zentrale Anforderungen nicht erfüllen, die wir an eine Asylpolitik der Humanität und Ordnung stellen – gerade weil sie im EU-Kontext vieler restriktiverer Mitgliedstaaten nicht durchsetzbar waren«. Man sehe aber »das europapolitische Dilemma«, dass es für »maßgebliche Verbesserungen (…) keine Mehrheiten« gebe. Und weiter heißt es: »Der Ratsbeschluss wäre ohne unseren Einsatz, gerade von grünen Regierungsmitgliedern, ein schlechterer gewesen. Doch er enthält auch substanzielle Verschärfungen, die wir aus asylpolitischer Sicht falsch finden.« Da ist für jeden was dabei, alle wurden mitgenommen.
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