Streit um Wasser zwischen Afghanistan und dem Iran

Zwischen Afghanistan und dem Iran gibt es seit Jahren Konflikte um Staudämme und Ressourcen

  • Hila Latifi
  • Lesedauer: 5 Min.

Seit Monaten warten Tausende Menschen in der Provinz Farah im Norden Afghanistans auf Wasser. Die Wasserknappheit in der Grenzregion zum Iran hat in den vergangen Monaten immer wieder für Konflikte gesorgt. Was genau ist passiert?

Der Fluss Helmand ist mit einer Gesamtlänge von etwa 1150 Kilometern der längste Fluss Afghanistans. Er durchquert verschiedene Regionen Afghanistans und beeinflusst das Leben zahlreicher Menschen entlang seines Verlaufs, bevor er in den Hamun-See an der Grenze zum Iran mündet. Die anhaltende Dürre und der Rückgang des Wasserspiegels des Helmand haben zu einer Verringerung der Wassermenge geführt, was sich negativ auf die Landwirtschaft und die Lebensgrundlagen der Menschen in der Region auswirkt.

Nun haben die Taliban Pläne bekannt gegeben, laut der sie in der Region Farah einen Staudamm errichten wollen: Bakhschabad. Ein zukünftiges Wasserkraftwerk soll Tausende Haushalte mit Strom versorgen und der Bevölkerung dringend benötigtes Wasser bereitstellen. »Durch den Bau des Staudamms könnte die Landwirtschaft dieser Region und halb Afghanistan deutlich profitieren«, meint Hadschi Schir Agha, ein Einwohner von Farah.

Der Bau schafft Arbeitsplätze und wirkt sich auch auf benachbarte Gebiete positiv aus. Afghanistan leidet seit langer Zeit unter Wasserknappheit, die von verschiedenen Faktoren beeinflusst wird. Dazu zählt die geografische Lage des Landes, in der bestimmte Regionen nur geringe Niederschlagsmengen erhalten. Der Klimawandel hat zudem zu veränderten Bedingungen geführt, die die Wasserverfügbarkeit weiter beeinträchtigen.

Die unzureichende Infrastruktur, mangelnde Wassermanagementstrategien und der begrenzte Zugang zu modernen Bewässerungstechniken tragen ebenfalls zur Wasserknappheit bei. Der Wassermangel im Land beeinträchtigt die Landwirtschaft, Lebensgrundlagen und Entwicklung des Landes. Bauern leiden unter Ernteausfällen, während die Bevölkerung unter begrenztem Trinkwasser und an Gesundheitsproblemen leidet. In den letzten beiden Jahrzehnten hat Afghanistan Maßnahmen ergriffen, um seine Wasserressourcen effizienter zu verwalten und zu kontrollieren. Infolgedessen wurden der große Ghoshtepe-Kanal vom Fluss Amu-Darja sowie mehrere Staudämme und Wasserumleitungsdämme im Westen und Süden des Landes errichtet. Der Bau von Wasserkraft- und Staudämmen in Afghanistan bedeutet aber auch einen verringerten Wasserabfluss in benachbarte Länder.

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi beschuldigte die Taliban, Wasser des Helmand zurückzuhalten und wirft ihnen Vertragsbruch vor. Er bezieht sich auf ein Abkommen aus dem Jahr 1973. Damals vereinbarten der Premierminister Afghanistans Musa Schafiq und der iranische Premierminister Amir Abbas Howveida ein Abkommen zur Regelung der Wasserrechte des Helmand. Eine vorläufige Regelung sah vor, dass der Iran einen beträchtlichen Anteil des Wassers erhalten und für landwirtschaftliche Zwecke nutzen sollte. Aufgrund der als ungleich angesehenen Verteilung der Wasserressourcen führte diese Entscheidung damals schon zu Protesten in Afghanistan.

In den darauffolgenden Jahren wurde die Wasserversorgung aufgrund der Veränderungen und Unruhen im Land aber vernachlässigt und geriet aus dem Fokus der Öffentlichkeit. Doch durch die Pläne der Taliban rückt dieses Thema wieder ins Zentrum und der Konflikt entfacht erneut. Auf der iranischen Seite der Grenze hätte eine Verschlechterung der Wasserversorgung für die Provinz Sistan und Belutschistan ebenfalls erhebliche Folgen und könnte das fragile Ökosystem beeinträchtigen.

Die Menschen auf beiden Seiten der Grenzen fordern endlich eine angemessene Lösung für den Konflikt am Helmand, die ein Gleichgewicht zwischen dem Recht Afghanistans, seine eigenen Wasserressourcen zu nutzen, und dem Anspruch Irans aufgrund des historischen Abkommens von 1973. Der Klimawandel, die anhaltende Dürre und der sinkende Wasserspiegel machen deutlich, wie dringend wirksame Wassermanagementstrategien zwischen den beiden Ländern benötigt werden.

Bislang sind sowohl vonseiten der Taliban als auch der Islamischen Republik keine erkennbaren Bemühungen oder konkreten Pläne für die Aufnahme von Verhandlungen zu erkennen. Die Reise des iranischen Präsidenten Ebrahim Raisi in die Provinz Sistan-Belutschistan wird von Kritikern als inszeniert angesehen. Die Menschen der mehrheitlich sunnitischen Provinz beklagen starke Repressionen, Diskriminierung und Ausbeutung, weshalb sie besonders stark in die Proteste gegen die Regierung in Teheran involviert waren. Das Vorgehen des Regimes war hier besonders gewaltsam und brutal.

Laut der Nachrichtenagentur Afghanistan International zielt die islamische Republik nicht darauf ab, Wasser nach Sistan-Belutschistan umzuleiten, sondern vielmehr, die Wut und den Protest der Menschen in Richtung der Taliban zu lenken. Die wachsenden Spannungen bieten den Taliban ebenfalls eine propagandistische Gelegenheit, um sich nicht nur als starke Macht in Afghanistan, sondern auch in der Außenpolitik zu präsentieren.

Seit der feierlichen Eröffnungszeremonie des Staudamms Bakhschabad werden Informationen zum Stand des Projektes von den Taliban zurück gehalten, was den Iran dazu veranlasst, die Entsendung eigener Experten vor Ort zu fordern. Allerdings lehnt Schir Mohammad Abbas Stanekzai, der politische Stellvertreter des Taliban-Außenministeriums, den Besuch iranischer Experten ab und betont: »Staudämme sind sensible Einrichtungen eines Landes«.

Am 27. Mai kam es zu bewaffneten Auseinandersetzungen an der Grenze, bei dem zwei iranische Grenzsoldaten getötete wurden, auch auf afghanischer Seite waren Todesopfer zu beklagen. Ohne eine baldige Lösung für beide Länder besteht die Gefahr weiterer Todesfälle, da in den letzten Monaten bereits eine hohe Gewaltbereitschaft auf beiden Seiten der Grenze zu beobachten war.

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