Polizeigewalt gegen Linke beim Tag der Bundeswehr

Ermittlungen gegen Beamte, die Yasha Domscheit von der Linksjugend abführten und brutal zu Boden warfen

  • Lesedauer: 4 Min.

Brandenburg/Havel. Nach einem umstrittenen Einsatz von Polizisten gegen einen Mann bei einer Protestaktion zum Tag der Bundeswehr in Brandenburg/Havel wird gegen zwei Beamte ermittelt. Zu dem Einsatz am Samstag kursiert im Internet ein Video, das zwei Beamte zeigt, die einen jungen Mann abführen. Einer der Polizisten drückt den Mann außerdem mit einem speziellen Griff zu Boden, wozu er ihm plötzlich und unvermittelt die Hand ins Gesicht drückt, dass es schon wie ein Schlag aussieht. Im Netz sorgte dieses Video für scharfe Kritik.

»Bezüglich des Handelns der Polizeibeamten liegt eine Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt vor«, teilte die Polizei am Sonntag mit. »Die Ermittlungen dazu dauern an.« Eine Sprecherin des Polizeipräsidiums sagte: »Natürlich nehmen wir die Strafanzeige entsprechend auf und ermitteln da.«

Gegen den Tag der Bundeswehr in Brandenburg/Havel hatte es am Samstag 200 Meter entfernt vom Festplatz eine vom örtlichen Bündnis für Frieden angemeldete Protestkundgebung gegeben. Außerdem hatte die Linksjugend Solid mit einer Aktion auf dem Festplatz selbst gegen die Werbung für die Armee protestiert. Vier Menschen hatten sich nach Angaben der Polizei und auch nach Darstellung der Linksjugend ihre weißen T-Shirts mit roter Flüssigkeit übergossen – es soll Rote-Bete-Saft gewesen sein – und sich auf den Boden gelegt, um im Krieg Getötete zu imitieren. Eine fünfte Person verkündete mit einem Megafon, dass man hier gegen das Werben fürs Sterben protestiere und gegen die Militarisierung eines zivilen Stadtfestes. Die Polizei sprach Platzverweise aus. Im Zusammenhang mit diesem Protest kam es zu dem umstrittenen Einsatz.

In dem Video ist zu hören, wie ein Zeuge des Vorfalls fragt: »Was soll denn so eine Brutalität?« Ein Beamter antwortet: »Ich habe ihm gesagt, er soll sich hinsetzen. (…) Ich habe ihn umgelegt.« Der Beamte warnt: »Gehen Sie beiseite, sonst lege ich Sie daneben.«

Die Bundestagsabgeordnete Anke Domscheit-Berg (Linke) verbreitete das Video im Internet und schrieb dazu: »Polizeigewalt in Brandenburg an der Havel – ohne Grund einfach ins Gesicht hauen, das geht einfach mal gar nicht!« Das Video stamme von einem Zeugen vor Ort, der eine vertrauenswürdige Quelle sei, sagte Domscheit-Berg. »Da waren keine Aggression oder Gewalttaten vorher abgelaufen.« Das Internetvideo wurde bis Montagnachmittag mehr als eine Millionen Mal angeklickt.

Lisa Pfitzmann, die als jugendpolitische Sprecherin im Vorstand der Berliner Linken sitzt, war an der Aktion beteiligt und erklärte, entsetzt von der Polizeigewalt: »Wir haben friedlich protestiert. Mit Gewalt hat niemand von uns gerechnet. Während der polizeilichen Maßnahme wurde an keiner Stelle Gegenwehr ausgeübt. Im Gegenteil: Wir waren dort mit Minderjährigen unterwegs und wollten die Anwendung von polizeilichem Zwang vermeiden. Nachdem die Polizei uns dazu aufforderte, haben wir unsere Aktion freiwillig beendet. Wir waren bereit, den Platz zu verlassen.«

Getroffen hat es mit dem Griff ins Gesicht Yasha Domscheit von der Linksjugend Brandenburg. Erst ist der Sohn der Bundestagsabgeordneten Anke Domscheit-Berg. »Als die Polizisten meine Handgelenke überdehnten, schrie ich in Schmerzen auf«, berichtete Yasha am Sonntagabend. »Warum macht ihr das?«, habe er gerufen. »Ich gehe doch!« Für Yasha Domscheit hat es sich angefühlt wie Folter. Er hatte ins Megafon gesprochen. Dafür werde ihm jetzt richtig wehgetan. Das war seine Wahrnehmung. »Ich verstehe das als Einschüchterungsversuch gegen uns. Aber wir lassen uns nicht einschüchtern!«

Die Linksjugend kritisiert, dass Yasha Domscheit Opfer von Polizeigewalt wurde, nachdem die Protestaktion bereits beendet war. Zwei Polizisten haben ihn demnach 200 Meter weit mit Schmerzgriff von beiden Seiten weggeführt. Die »Handbeugetransporttechnik« könne erhebliche körperliche Schäden in den Handgelenken verursachen. Yasha Domscheit sei von einem der Polizisten ohne Ankündigung mit einem Schlag der flachen Hand ins Gesicht auf den Boden geworfen worden.

Die angewendete Gewalt sei in beiden Situationen klar unverhältnismäßig gewesen. Zwar habe der eine Polizist Yasha Domscheit mehrmals angewiesen, sich auf den Boden zu setzen. Doch das habe dieser nicht mitbekommen können, weil er mit dem anderen Polizisten sprach.

Laut Linksjugend wurde gegen beide Polizisten Anzeige wegen Körperverletzung gestellt. Brandenburgs Polizeibeauftragte Inka Gossmann-Reetz habe bereits öffentlich geäußert, dass sie zu diesem Vorfall einen Vorgang eröffne und das Innenministerium um Stellungnahme bitte. dpa/nd

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.