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Yorck-Kinos in Berlin: Letzte Vorstellung im Arbeitskampf
Klaus Lederer soll Schlichtung im Tarifstreit bei den Yorck-Kinos herbeiführen
Sie gehören zu einer der wichtigsten Kinoketten der Hauptstadt: Die Yorck-Kinos sind vielen Berlinern ein Begriff. Seit ungefähr einem Jahr herrscht Unruhe in den Programmkinos. Die Gewerkschaft Verdi fordert deutlich höhere Löhne. Bereits jetzt gilt in den Yorck-Kinos ein Haustarifvertrag, bei dem die Einstiegsgehälter mit 12,50 Euro nur knapp über dem Mindestlohn liegen. Verdi will den Einstiegslohn auf 13,50 Euro erhöhen.
Neun Streiktage hat es bereits gegeben, seit Verdi im November 2022 erstmals zu einem Warnstreik aufgerufen hatte. Nach mehreren Verhandlungsrunden gibt es allerdings kaum Fortschritte. Im Gegenteil: Zuletzt hatte die Arbeitgeberseite den Manteltarifvertrag gekündigt. Seitdem gelten für Neueinstellungen die tariflichen Regelungen nur eingeschränkt.
Die Yorck-Kinos wollen nicht mehr als 12,75 Euro zahlen – Verdi beharrt wiederum auf ihrer Tarifforderung. In dem Streit soll nun der ehemalige Kultursenator Klaus Lederer (Linke) vermitteln. Das berichtete zuerst die »Taz«. Verdi hatte die Schlichtung angestrebt, die Geschäftsführung der Yorck-Kinos stimmte dem Verfahren und dem Schlichter zu.
Jörg Reichel, Gewerkschaftssekretär bei Verdi, blickt optimistisch auf die Verhandlungen. »Ich denke, dass ein guter Kompromiss möglich ist«, sagt er. »Klaus Lederer ist hier der richtige Mann an der richtigen Stelle.« Der ehemalige Kultursenator sei in der Branche gut vernetzt und kenne die Befindlichkeiten von Beschäftigten und Betreibern. Über Termine und Inhalt der Schlichtung wurde Stillschweigen zwischen den Parteien vereinbart. »Das Verfahren muss sich jetzt auch entwickeln können«, so Reichel.
Nach nd-Informationen aus Beschäftigtenkreisen hatte ein Vorfall das Fass zum Überlaufen gebracht: Im März seien die befristeten Verträge von sieben Beschäftigten nicht verlängert worden. Alle waren gewerkschaftlich engagiert, drei von ihnen hatten auch an den Tarifverhandlungen teilgenommen.
In der Belegschaft sorgte die von vielen als Rausschmiss empfundene Maßnahme für Empörung. Mehrere Beschäftigte wandten sich mit Briefen an die Geschäftsführung, um für den Verbleib der erfahrenen Kollegen zu werben – vergeblich. Die Geschäftsführung versicherte auf einer Betriebsversammlung zwar, dass das Auslaufen der Verträge in keinem Zusammenhang zur gewerkschaftlichen Arbeit stehe, wollte allerdings auch keine anderen Gründe nennen. Die betroffenen Stellen wurden kurz darauf neu ausgeschrieben. Unter den Beschäftigten gebe es seitdem Angst, sich exponiert zu engagieren, heißt es von einer Quelle, die anonym bleiben möchte.
Der größte Brocken bei der Schlichtung wird die Lohnfrage bleiben. 25 Cent Lohnaufschlag, die der Arbeitgeber anbiete, das ist nicht nur wenig, sondern auch zeitlich begrenzt. Dies soll aus der Inflationsausgleichsprämie finanziert werden. Mit der Inflationsausgleichsprämie können Arbeitgeber einen bestimmten Beitrag steuerfrei zum Lohn zuschießen – allerdings nur befristet. Nach anderthalb Jahren würde die Lohnerhöhung dann wieder wegfallen. Die Geschäftsführung verweist auf die großen Verluste, die die Kinos während der Corona-Pandemie eingefahren hatten, sowie auf die gestiegenen Betriebskosten.
Neben einem Grundlohn von 13 Euro und einer mit dem Monatslohn auszuzahlenden Jahreszulage von 50 Cent pro Arbeitsstunde will Verdi auch eine Zulage für Beschäftigte, die in Kinos mit mehreren Vorführungssälen arbeiten. »Das sind Leute, die eine große Verantwortung tragen«, so Beschäftigte gegenüber »nd«. Eine solche Zulage habe es bereits einmal gegeben, sie sei allerdings vom Arbeitgeber ersatzlos gestrichen worden. Nach den Vorstellungen von Verdi soll in Kinos mit zwei Sälen der Zuschuss 20 Cent betragen, bei Kinos mit drei Sälen 50 Cent.
Eine Besonderheit der Kinobranche sind Grenzen für die Zahl der befristet Beschäftigten. Maximal 10 Prozent der Belegschaft durften nach dem zuletzt gültigen Tarifvertrag bei den Yorck-Kinos befristet angestellt werden. Die Regelung wurde allerdings im letzten Dreivierteljahr häufig missachtet. Inzwischen bewege sich die Befristungsquote um die 40 Prozent; in einem Kino seien es sogar zeitweise 75 Prozent gewesen, wie es in einer Verdi-Tarifinformation heißt. Für Verdi geht es darum, dass die Quote ihren Weg auch wieder in den neuen Tarifvertrag findet – und dann auch eingehalten wird.
Die Corona-Pandemie hat der Kinobranche zugesetzt. Erholt hat sie sich davon noch nicht. Zwar ist ein großflächiges Kinosterben ausgeblieben. Doch die Besucherzahlen reichen immer noch nicht an die vor der Pandemie heran.
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