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European Games: Klein-Olympia in Kleinpolen
Die European Games in Kraków sind mit 7000 Startern das größte Sportfest in Polens Geschichte
Der Sommeranfang ist die Zeit der Großsportevents: Während in Berlin dieser Tage 7000 Athleten mit geistiger Behinderung bei den Special Olympics antreten, erlebt unser Nachbarland Polen das größte Multi-Sportfest seiner Geschichte. Mit einer großen Eröffnungsfeier vor 30 000 Zuschauern im Städtischen Henryk-Reyman-Stadion beginnen am Mittwochabend die dritten Europaspiele: »Kraków – Małopolska 2023«.
Zwölf Tage lang misst sich die stattliche Anzahl von 7000 Athleten aus 48 europäischen Nationen in Kraków und elf weiteren Ortschaften der Region Małopolska (Kleinpolen) in olympischen und nichtolympischen Sportarten. Zum Vergleich: Bei den letzten Sommerspielen in Tokio waren 11 000 Sportler dabei. In elf Sportarten fungieren die Spiele von Kraków zugleich auch als Europameisterschaften. Im Badminton, Fechten, Judo, Kanu (Slalom, Sprint), Leichtathletik (Team), Modernen Fünfkampf, Radsport (BMX/Mountainbike), Schwimmen (Synchronschwimmen, Wasserspringen), Taekwondo, Tischtennis und Triathlon werden kontinentale Titel vergeben.
Außerdem geht es in 19 Disziplinen auch um Olympiaqualifikationspunkte für Paris 2024. Kein Wunder, dass sich auch allerlei europäische Spitzenathleten in Kraków und Umgebung tummeln. Im deutschen Team ist sicherlich der 42-jährige Tischtennis-Altstar Timo Boll der namhafteste Starter, neben Kanuslalom-Olympiasiegerin Ricarda Funk und Florett-Europameisterin Leonie Ebert. Bekannte internationale Teilnehmer sind Viktor Axelsen, amtierender Olympiasieger und Weltmeister im Badminton aus Dänemark, das lettische 3x3-Basketballteam, das in Tokio 2021 die Olympiapremiere gewann, oder der dreifache Skisprung-Olympiasieger Kamil Stoch aus dem Gastgeberland.
Hoppla, Skispringen? Ja, tatsächlich, das in Polen äußerst beliebte Skispringen gehört ins Programm dieser Sommerspiele: In Zakopane, 90 Kilometer südlich von Kraków in der Hohen Tatra gelegen, wird auf Matten um Europaspiele-Gold gesprungen. Für Deutschland geht unter anderem Katharina Schmid, vormals Althaus, auf den Bakken.
Auch unbekannte Sportarten bekommen ihre Bühne. Muay Thai, eine Kampfsportart aus Thailand, wird in der Stadt Myślenice dem polnischen Publikum bekannt gemacht. Die spektakulärsten Randsportarten gibt’s sogar auf dem Rynek Główny, dem Hauptmarktplatz von Kraków, zu sehen: Teqball, bei dem mit einem Fußball auf einer Art geschwungener Tischtennisplatte gegeneinander gespielt wird, oder Padel, eine Mischung aus Tennis und Squash. Das Rückschlagspiel nimmt in Spanien oder Schweden bereits Platz zwei unter den meistgespielten Sportarten ein.
Mannschaftssportler sind natürlich auch vertreten: Die deutschen Beach-Handballerinnen starteten bereits am Dienstag mit einem 2:0-Sieg über Griechenland in das Turnier – als absolute Favoritinnen. Nach jeweils Goldmedaillen bei den World Games 2022, bei der WM 2022 und der EM im Mai soll es nun auch bei den Europaspielen bis ins Finale am Donnerstag in der Kleinstadt Tarnów gehen.
»Beachhandball wird stetig populärer«, sagt Spielführerin Carolin Hübner aus München gegenüber »nd.DerTag« am Telefon. »Für uns sind die Europaspiele ein echter Höhepunkt.« Die 19-Jährige ist begeistert vom Olympischen Dorf, einem umfunktionierten Studentenwohnheim, in dem sie mit Letten, Griechen und Luxemburgern das Haus teilt: »Es ist extrem cool, man lernt ständig neue, interessante Leute kennen.«
Klein-Olympia, wie es sein soll, jedenfalls aus Athletensicht. Für das EOC, den Zusammenschluss der Europäischen Olympischen Komitees, das die Spiele 2012 ins Leben hob, sind die Europaspiele allerdings noch keine echte Erfolgsgeschichte. Nicht nur, dass sich mit den European Championships, 2022 in München von den Sportverbänden und der Europäischen Rundfunkunion ausgerichtet, ein echter Rivale im Ringen um die Aufmerksamkeit etabliert hat. Auch die Suche nach Ausrichtern ist regelmäßig problematisch.
Nach der umstrittenen Premiere im autoritär regierten Aserbaidschan (Baku 2015) folgten die Spiele in Europas letzter Diktatur, Belarus (Minsk 2019). Dass sich mit Polen nun erstmals ein EU-Land als Ausrichter fand, galt einerseits als Erfolg. Andererseits unterscheiden sich die Möglichkeiten deutlich von jenen Spielen, für die sich ein Alleinherrscher höchstpersönlich einsetzt. Der Gesamtetat der Kraków-Spiele liegt bei etwa 400 Millionen Złoty, umgerechnet 90 Millionen Euro.
Bei den Spielen von Aserbaidschan 2015 ließ Organisationschefin und Präsidenten-Gattin Mehriban Alijew allein für die Eröffnungsfeier 85 Millionen Euro springen, insgesamt betrug der offizielle Etat 817 Millionen. In Baku sang Lady Gaga, in Kraków muss das Publikum mit den ESC-Siegern von 2022 vorliebnehmen: Kalush aus der Ukraine.
Und natürlich macht auch die große Politik keinen Bogen um Klein-Olympia in Kleinpolen: Sportlern aus Russland und Belarus ist wegen des Angriffskrieges gegen die Ukraine die Teilnahme untersagt. Stattdessen wird ein fünfköpfiges Refugee-Team aus Geflüchteten mitmischen: drei Taekwondo-Kämpferinnen aus dem Iran, ein Boxer aus Afghanistan und eine Boxerin aus Kamerun.
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