Neues Einwanderungsgesetz: Punkte für den deutschen Arbeitsmarkt

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz soll die Einwanderung potenzieller Arbeitskräfte erleichtern und »irreguläre Migration« einschränken

Ende des letzten Jahres blieben 1,8 Millionen Stellen unbesetzt; 7 Millionen Arbeitskräfte werden bis 2035 laut Prognosen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung in Deutschland fehlen. Besonders vom Fachkräftemangel betroffen sind der Pflegesektor und das Handwerk. Er zählt damit zu den wichtigsten Wachstumsbremsen der deutschen Wirtschaft. Um diesen hohen Bedarf zu decken, gelte es weiterhin, in erster Linie inländische und innereuropäische Potenziale zu heben, heißt es in dem Gesetzesentwurf. Diese alleine reichen allerdings nicht aus: »Zusätzlich müssen drittstaatsangehörige Fachkräfte für eine Erwerbsmigration nach Deutschland gewonnen werden und ihnen hierzu ein rechtmäßiger Aufenthalt gewährt werden«, schreibt die Bundesregierung.

Nach einer hitzigen Debatte stimmte der Bundestag am Freitag mehrheitlich für den Koalitionsentwurf des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, das dem Mangel entgegenwirken soll. Laut Innenministerin Nancy Faeser (SPD) sei dies das »modernste Einwanderungsgesetz der Welt«. Aber was genau wurde jetzt eigentlich beschlossen?

Zum einen soll die Immigration von Arbeitskräften aus dem nicht-europäischen Ausland über ein Punktesystem ähnlich wie in Kanada erleichtert werden: Wer ein im eigenen Land staatlich anerkanntes Studium hat oder per Arbeitsvertrag mindestens drei Jahre Berufserfahrung nachweisen kann, erhält jeweils bis zu drei Punkten; wer Deutschkenntnisse vorweisen kann oder eine Bezugsperson in Deutschland hat, erhält weitere Punkte; wer eine bestimmte Altersgrenze nicht überschreitet, bekommt ebenfalls Punkte. Mit mindestens sechs Punkten erhalten Bewerber*innen entweder eine Blaue Karte der EU für Hochschulabsolvent*innen oder eine nationale Aufenthaltserlaubnis für Fachkräfte. Voraussetzung für das Visum ist auch, dass sich Einreisende ihren Lebensunterhalt in Deutschland selbst finanzieren können. Wer nach einem Jahr eine feste Anstellung gefunden hat, soll dann seine Aufenthaltserlaubnis unkompliziert verlängern können.

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Das neue Gesetz soll außerdem bürokratische Hürden bei Einwanderungsverfahren von Fachkräften verringern: Die Anerkennung des Berufsabschlusses soll jetzt schon im Ausland zum Beispiel über einen einfachen Arbeitsvertrag möglich sein. Das ging vorher nur in Deutschland. Zudem werde eine niedrige Mindestgehaltsschwelle für Berufseinsteiger*innen mit akademischem Abschluss geschaffen, was die Arbeitsaufnahme erleichtere. Asylbewerber*innen, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind und eine Qualifikation sowie ein Jobangebot haben, sollen – wenn sie ihren Asylantrag zurücknehmen – eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft beantragen können. Bislang musste man dafür erst ausreisen und sich dann vom Ausland aus um ein Arbeitsvisum bemühen.

Gökay Akbulut, integrations- und migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, kritisiert, der Gesetzesentwurf sei zu stark »auf die Interessen der Wirtschaft und der Arbeitgeber ausgerichtet«, und warnt vor einer »Zwei-Klassen-Migrationspolitik«. Eine Reform des Einwanderungsrechts müsse sich an menschenrechtlichen Gesichtspunkten orientieren und die Rechte von Migrant*innen stärken, so Akbulut. Damit bezieht die Linken-Politikerin sich auf eine Neuregelung, die den Familiennachzug erleichtern soll, allerdings nur für Fachkräfte. Das Recht auf Familiennachzug für Geflüchtete ist seit Jahren teilweise durch eingestellte oder verlangsamte Antragsverfahren massiv eingeschränkt, obwohl es jeder Person mit Asyl rechtlich zusteht.

Das neue Fachkräftegesetz bildet zusammen mit den jüngst verabschiedeten Änderungen im Asylrecht die neue Migrationsstrategie der Ampelkoalition, die laut Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) dafür sorgen soll, »Migration nach Deutschland besser zu steuern und besser zu sortieren«. Der neue Kurs laute, »die irreguläre Migration muss runter, die reguläre Migration muss hoch«, so formuliert es der FDP-Abgeordnete Johannes Vogel.

Während das Fachkräftegesetz die reguläre Einwanderung von Arbeitskräften also erleichtern soll, soll die Asylrechtsverschärfung auf europäischer Ebene die Zahl der Asylsuchenden möglichst reduzieren. Im EU-Rat stimmte die Bundesregierung in der vergangenen Woche einem Entwurf zu, nach dem auch Familien mit Kindern für sogenannte Grenzverfahren in gefängnisähnlichen Strukturen festgehalten werden sollen. Das Vorhaben muss nun noch einen Trilog zwischen EU-Kommission, -Parlament und -Rat durchlaufen.

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