- Wirtschaft und Umwelt
- Grüner Wasserstoff
Zukunftstechnologie mit Schwachstellen
Natürliche Bedingungen könnten die Herstellung grünen Wasserstoffs in Spanien weiter verteuern
Die Klimakatastrophe hat aus Spanien schon im April einen Glutofen gemacht, als die Temperaturen auf neue Rekordwerte von fast 40 Grad gestiegen sind. Die Dürre hat das Land im Griff, Stauseen sind leer, Bauern dürfen oft ihre Felder nicht mehr bewässern, um die Trinkwasserversorgung zu sichern, wie »nd« berichtete. Mit der seit drei Jahren anhaltenden Dürre auf der Iberischen Halbinsel wird ein neues Problemfeld für die Wasserstoff-Strategie deutlich, da schlicht notwendiges Wasser zur Produktion immer knapper wird. Das kommt zu den vielen unbeantworteten Fragen hinzu, die aus den Träumen vom grünen Wasserstoff eher Wunschträume machen statt eine erfolgversprechende Zukunftsstrategie.
Schauen wir uns das an einem Projekt konkret an. Der spanische Acciona-Konzern hat mit EU-Förderung im Umfang von zehn Millionen Euro, dazu kommen vier Millionen Euro der Regionalregierung, gemäß der »Hydrogen Roadmap« der Zentralregierung eine Wasserstoff-Pilotanlage auf der Ferieninsel Mallorca errichtet. Die wurde im März eingeweiht und soll nun 300 Tonnen grünen Wasserstoff pro Jahr produzieren. Auf der Insel fahren sogar schon Wasserstoff-Busse, die etwa 35 Kilogramm davon am Tag verbrauchen. Der für die Elektrolyse benötigte Strom kommt nach Angaben des großen Baukonzerns aus zwei Photovoltaikanlagen in Lloseta und Petra mit einer maximalen Kapazität von 6,9 und 6,5 Megawatt. Die seien für die Produktion ausreichend, meint Acciona. Ein Problem ist auch auf Mallorca, dass Wasserknappheit herrscht. Zudem verbrauchen Touristen überdurchschnittlich viel Wasser, nach Studien bis zum fünffachen Bedarf eines Bewohners.
Nun kommt die Wasserstoff-Anlage hinzu, während die Niederschlagsmengen weiter sinken. Etwa 20 Liter Wasser werden benötigt, um ein Kilogramm Wasserstoff herzustellen. Lokale Umweltschützer sehen deshalb selbst dann, wenn der Wasserstoff direkt am Produktionsort verbraucht wird, ein sehr kurzsichtiges Vorgehen. Sie verweisen darauf, dass schon im vergangenen Jahr Gärten nicht mehr bewässert werden durften. Allein zum Betrieb eines Busses werden zusätzlich etwa 700 Liter pro Tag des wertvollen nassen Guts gebraucht. Rentabel ist der Bus-Betrieb ohnehin nicht, nur hohe EU-Subventionen machen das möglich. Ein Kilogramm Wasserstoff kostet etwa 10 Euro. Statt 350 Euro für Wasserstoff würde der Betrieb mit Diesel nur etwa die Hälfte kosten.
Wasser, gerade auf einer Insel, ist scheinbar unbegrenzt vorhanden, werden sich viele denken. Doch für die Elektrolyse müsste das erst aufwendig entsalzt werden. Nach Angaben von Experten bis zu 85 Kilowattstunden bei der Verdampfungsmethode und etwa drei bei der Umkehrosmose. Kommt die Energie aus fossilen Brennstoffen, ist das wieder mit hohen CO2-Emissionen verbunden. Ansonsten müsste man noch mehr Flächen für Windräder oder Photovoltaikanlagen bereitstellen.
Bei dem derzeit meist eingesetzten Niedertemperatur-Elektrolyseverfahren gehen nach Angaben von Wirtschaftsingenieur Martin Wietschel zudem etwa 30 Prozent der eingesetzten Energie verloren. Die Energieeffizienz ist gering. »Wenn Sie Wasserstoff in der Rückverstromung für das Netz einsetzen, erreichen Sie über die gesamte Kette einen Wirkungsgrad von etwa 40 bis 50 Prozent.« Bei Brennstoffzellen-Autos liege der Wirkungsgrad sogar nur zwischen rund 35 und 40 Prozent, erklärt der Experte für Wasserstoffwirtschaft am Fraunhofer-Institut Karlsruhe.
Das alles gilt schon für den direkten Verbrauch vor Ort. Viel schlechter wird die Energieausbeute, wenn man den aufwendig in Wasserstoff umgewandelten Strom nach Nordeuropa leiten will. Derartige Pipelines gibt es nicht, Erdgas-Pipelines sind nicht nutzbar. Das Pilotprojekt einer solchen Pipeline soll mit H2Med unter dem Mittelmeer von Barcelona ins französische Marseille für geplante 2,5 Milliarden Euro gebaut werden. Anforderungen an die Dichtheit wegen des sehr flüchtigen Gases sind enorm.
Da Wasserstoff nur etwa ein Achtel der Energie von Erdgas enthält, wird auch der Transport ineffizient. Der Pumpenaufwand ist viermal so hoch wie bei Erdgas. Durch das gleiche Rohr kann pro Stunde nur ein Achtel der Energie fließen, die mit Erdgas transportiert werden könnte. Neue Leitungsnetze müssten gebaut werden, um Wasserstoff an die Tankstellen zu bringen. Die Investitionen dafür wären exorbitant, der Wirkungsgrad nach langem Transport sehr gering.
Ein weiteres großes Problem aber ist, dass es keinen überschüssigen Strom aus Erneuerbaren gibt. Der spanische Energieplan sieht vor, dass 2030 das Land seine eigene Stromversorgung zu 74 Prozent darüber decken wird. Dazu kommt, dass der Widerstand gegen immer neue Anlagen stärker wird. Neue Großprojekte werden als »koloniale Projekte« abgelehnt, denn es profitierten davon vor allem »reiche Länder, die zu viel Strom verbrauchen«, erklärt etwa die Umweltschutzorganisation Aliente.
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