- Berlin
- Sozialwohnungen
Auslaufende Sozialbindung in Berlin: Kotti nicht mehr für alle
In den kommenden Jahren läuft die Sozialbindung für Hunderte Wohnungen aus
In den kommenden zehn Jahren läuft die Sozialbindung von Hunderten Wohnungen am Kottbusser Tor aus. Das zeigt eine schriftliche Anfrage der Linke-Abgeordneten Elif Eralp und Niklas Schenker, die »nd« vor Veröffentlichung vorliegt. Nach der erfolgreichen Rekommunalisierung drohen nun Mieterhöhungen.
»Es ist dramatisch, dass so viele Sozialwohnungen am Kottbusser Tor aus der Bindung fallen«, sagt Eralp. »Oftmals steigen danach die Mieten, aber die Menschen haben kaum eine Möglichkeit, woanders eine bezahlbare Wohnung zu finden«, berichtet die Kreuzberger Linke-Politikerin.
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen. Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
Von den über 1300 belegungsgebundenen Wohnungen am Kotti sind noch 228 in privaten Händen. Allein 2023 läuft bei 69 davon die Bindung aus. Danach kann es teuer werden. Mieterhöhungen sind wie bei frei finanzierten Wohnungen möglich. Schrittweise kann die Miete dann um 15 Prozent in drei Jahren erhöht werden. »Der Senat muss gerade dort, wo Sozialwohnungen in den Händen von privaten Unternehmen liegen, eingreifen und diese Wohnungen präventiv ankaufen«, fordert Linke-Wohnungspolitiker Niklas Schenker.
Doch auch das landeseigene Wohnungsunternehmen Howoge hat Hunderte Wohnungen im Bestand, bei denen die Bindung bald ausläuft. 517 Wohnungen sind das bis 2033. Wohnungen müssen dann nicht mehr an Mieter mit Wohnberechtigungsschein (WBS) vermietet werden. Für Linke-Politiker Schenker ist klar: »Auch wenn landeseigene Wohnungen aus der Sozialbindung fallen, sollten diese weiterhin dauerhaft an WBS-Berechtigte vermietet werden.« Die Landeseigenen müssten freiwillig ihre Bindungen verlängern. »Ansonsten werden immer mehr Menschen verdrängt«, so Schenker zu »nd«.
In der Antwort auf die Linke-Anfrage ist zumindest davon die Rede, dass »weitere Vermietungen« an Mieter mit WBS erfolgen sollen. Auch die Kooperationsvereinbarung von Senat und landeseigenen Wohnungsunternehmen sieht vor, dass 60 Prozent der wieder vermieteten Wohnungen bei den Landeseigenen an WBS-Berechtigte gehen. Mieterhöhungen sind außerdem begrenzt.
Giorgos von der Initiative Kotti & Co blickt dennoch sorgenvoll in die Zukunft. »Mit Schwarz-Rot kann man nichts ausschließen«, sagt er zu »nd«. Mit dem Jahreswechsel 2024 endet der Mietenstopp bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen. Gerade liegt die Kaltmiete bei der Howoge am Kotti noch bei 6,65 Euro je Quadratmeter. Giorgos hält es für denkbar, dass im Zuge einer neuen Kooperationsvereinbarung den landeseigenen Unternehmen freiere Hand bei Mieterhöhungen gegeben wird. »Wir machen uns große Sorgen. Hier haben viele ohnehin sehr wenig Geld, und dann kommt auch noch die Inflation hinzu.«
Trotz Mietenstopps haben auch die Mieter im landeseigenen Bestand am Kotti zuletzt mehr für ihre Wohnungen bezahlen müssen. »Die Betriebskosten sind massiv erhöht worden«, sagt Giorgos. Gleichzeitig gebe es einen Instandhaltungsrückstau. Ausfallende Fahrstühle, kein Warmwasser, Heizungsausfälle: Die Mieter sind leidgeprüft. »Das ist hier nicht die Ausnahme, sondern die Regel«, so Giorgos.
Dabei hatten viele Mieter die Hoffnung, dass es mit der Rekommunalisierung besser wird. Seit 2012 kämpften sie am Kotti für die Deckelung der Sozialmieten und dafür, dass das Land ihre Wohnungen kauft. 2017 erwarb die Gewobag den Gebäuderiegel des Zentrums Kreuzberg. Im Zuge des Deals des Landes mit Vonovia und Deutsche Wohnen 2021 gingen dann auch die weiteren Blöcke an landeseigene Wohnungsunternehmen.
Verdrängungsdruck gebe es aber dennoch, sagt Giorgios – auch beim Gewerbe. Die Mieten liegen hier in den Beständen von Gewobag und Howoge bei fast 15 Euro pro Quadratmeter. Gleichzeitig würden sich Gewerbetreibende beschweren, dass trotz hoher Mieten Mängel nicht beseitigt werden, sagt er.
Nicht nur der Preis sei aber ein Problem, sondern auch die Frage, wer Gewerbemieter wird. Bei beiden landeseigenen Unternehmen machen soziale Träger oder Kultureinrichtungen einen geringen Anteil aus, dafür gibt es viele gastronomische Mieter. Von einer »Monokultur« spricht Giorgos. Ganz so eindeutig sind die Zahlen der Unternehmen allerdings nicht.
Was bleibt, ist der Wunsch der organisierten Mieter vor Ort, mitentscheiden zu können. Beim Zentrum Kreuzberg wird die Gewerbeentwicklung in einem Modellprojekt mit dem Mieterrat besprochen. Bei der Howoge heißt es, Anregungen würden »nach Möglichkeit im Entscheidungsprozess« berücksichtigt. Giorgios meint, es fehle an Verbindlichkeiten.
Auch Linke-Politikerin Eralp ist überzeugt: »Es wäre gut, wenn die Mieter*innengremien der Howoge ähnliche Mitspracherechte bekommen wie der Mieter*innenbeirat des Neuen Kreuzberger Zentrums.« Ihr Kollege, Niklas Schenker, hält auch einen Mietenstopp für Klein- und Kiezgewerbe für notwendig. Viele seien nicht zuletzt durch die Energiekrise angeschlagen. »Die Landeseigenen müssen entlasten. Notfalls muss das Land Berlin Ausfälle bei den Landeseigenen kompensieren.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.