Griechenland: Ausverkauf des öffentlichen Eigentums geht weiter

Kostas Samdanis kandidierte für die Varoufakis-Partei Mera 25 und will weiter gegen die neoliberale Politik von Premier Mitsotakis kämpfen

  • Interview: Elisabeth Heinze
  • Lesedauer: 3 Min.

Obwohl die Nea Dimokratia (ND) etliche Skandale begleiten, wird sie wieder regieren. Was erwartet Griechenland?

In einer funktionierenden Demokratie hätte allein der Abhörskandal genügt, um die Regierung zu stürzen. Aber nicht hier! Nun erwarten wir eine noch aggressivere Umsetzung der neoliberalen Politik gegen Arbeitende und Jugendliche. Im Wesentlichen gehen der Ausverkauf des öffentlichen Eigentums, die Privatisierung des Bildungs- und Gesundheitswesens und die Ausplünderung der Umwelt zugunsten von Energie- und Tourismusoligarchen weiter. Auch der Polizeistaat wird weiter ausgebaut werden, was den Angriff auf unsere demokratischen Rechte und die Überwachung politischer Gegner verstärken wird.

Wie hat Premier Kyriakos Mitsotakis bei der ersten Wahl am 21.Mai so viele Wählerstimmen gewinnen können?

Die ND ist seit jeher die Partei des Großkapitals in Griechenland, gefördert von den Machtzentren im In- und Ausland. Das allein reicht natürlich nicht. Die vier Jahre der Amtszeit von Mitsotakis waren die einzigen seit 2010, in denen der Stabilitätsmechanismus gelockert wurde. Man erlaubte es Griechenland, das unter fiskalischer Überwachung durch die EU-Kommission steht, Nothilfepakete während der Pandemie selbst zu verwalten. Das hat die ND ausgenutzt und einen Rekord bei Direktvergaben aufgestellt: Der bekannte Klientelstaat wurde wiederbelebt. Außerdem haben die großzügig vom Staat finanzierten regierungsfreundlichen Medien geholfen, die Realität zu verzerren.

Welche Verantwortung trifft die Opposition?

Auch die ehemalige Syriza-Regierung, die im Namen der Linken die Troika-Memoranden umsetzte, statt sie – wie versprochen – zu kippen, trug dazu bei, dass viele Menschen das Vertrauen in Alternativen verloren haben und zum Konservatismus zurückkehrten. Die Griechen wissen, was jetzt auf sie zukommt. Aber auch vielen derjenigen, die für Mitsotakis gestimmt haben, ist nicht nach Feiern zumute. Sie stimmten eher aus Angst als inspiriert für ND. Der Individualismus hat gesiegt und nicht der Gemeinsinn.

Wie steht es um die künftige Zusammenarbeit der kleinen linken Parteien wie Mera 25 mit Syriza?

Solange das Narrativ von Syriza mit dem der ND identisch ist, gibt es da leider wenig Handlungsspielraum. Auch diese Partei erzählt die Geschichte, wie wir aus den Memoranden herausgekommen sind. Das ist lächerlich. Wir haben uns 2010 mit einer Verschuldung von 200 Milliarden auf dieses Abenteuer eingelassen. Heute beträgt Griechenlands Verschuldung 400 Milliarden. Wir hatten einen Rückgang bei Löhnen und Einkommen um 30 Prozent zu verzeichnen. Die öffentliche Infrastruktur, Flughäfen, Häfen, öffentliche Dienstleistungen und die natürlichen Ressourcen wurden ausverkauft. Die Menschen verlieren ihre Häuser und Geschäfte. Das Land ist mit der Unterschrift von Syriza bis 2060 zu dieser Politik verpflichtet.

Wie wird es sich auf die Situation der Linken auswirken, dass Ihre Partei Mera 25 nicht ins Parlament einzieht?

Was am Tag der Wahl im Prinzip auf dem Spiel stand, das war die Frage: Wird es im Parlament diese wichtige linke Stimme geben, die gegen die neoliberalen Pläne kämpft? Es wird an Opposition fehlen, die Bewegungen werden keine starke Stimme im Parlament haben. Die ND wird zusammen mit den ultrarechten Parteien Niki und Griechische Lösung in der Lage sein, die Verfassung in eine reaktionäre Richtung zu ändern. Dadurch können das Gesundheits- und Bildungswesen vollständig neoliberalen Konzepten unterworfen und demokratische Rechte ausgehöhlt werden. Für die Menschen in Griechenland wird das schlimme Folgen haben.

Was wäre, mit oder ohne Syriza, die Alternative?

Wir wollen ja auch, dass Mitsotakis geht. Aber wir wollen, dass seine Politik mit ihm geht. Es gibt keine einfachen Lösungen. Um aus der ewigen Verlängerung der Verarmung des Landes herauszukommen, bedarf es eines neuen linken Aufbruchs und des Kampfes!

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.