Sri Lanka will Verbechen aufarbeiten

40 Jahre nach Beginn des Bürgerkriegs steigt der Druck auf die Regierung

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.

Ende Mai hat das Kabinett der Etablierung einer »Wahrheits- und Versöhnungskommission« nach südafrikanischem Vorbild zugestimmt. Kommt damit nun eine umfassende Aufarbeitung der dunklen Flecken in der Geschichte Sri Lankas in Gang? Oder hat das Ganze nur Symbolcharakter, um den fortgesetzten Druck auf die Politik zu mindern?

Viele derer, die bis heute nichts über das Schicksal »verschwundener« Angehöriger wissen oder einst selbst verfolgt waren, Organisationen der Zivilgesellschaft und auch Menschenrechtsinstitutionen auf internationaler Ebene befürchten eher Letzteres. Ihr Glaube an die Bereitschaft, sich kritischen Fragen zu stellen, ist durch Weigerungen sämtlicher Regierungen in jüngerer Zeit erschüttert worden.

Sri Lanka hatte stets eine unabhängige Untersuchung durch die Vereinten Nationen abgelehnt und geht nun seinen eigenen Weg. Dabei sind Zusammensetzung, Arbeitsweise, Befugnisse und Transparenz eines solchen nationalen Aufarbeitungsgremiums noch nicht geklärt. Nada Al-Naschif, Vizechefin des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte, hat dieser Tage bezeichnenderweise erklärt, es mangele der politischen Spitze im Inselstaat an Verantwortungsgefühl im Umgang mit dessen Geschichte.

Gemeint sind damit vor allem die Ereignisse aus der Zeit des Bürgerkrieges, in dem ab Mitte 1983 die Rebellenbewegung Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) einen blutigen, auch mit terroristischen Mitteln ausgetragenen Kampf um einen eigenen Staat für die tamilische Minderheit im Norden und Osten der Insel führte. Nicht minder rücksichtslos und brutal ging der Staat gegen alle vor, die auch nur vermeintlich mit der LTTE in Beziehung standen.

Die größte Zahl an Menschenrechtsverletzungen soll es im Frühjahr 2009 rund um die finale Militäroffensive im Inselnorden gegeben haben, bei der im Mai 2009 schließlich die LTTE besiegt wurde. Rebellenchef Velupillai Prabhakaran und die gesamte Führung kamen dabei ums Leben. Und auch später noch »verschwanden« festgenommene Kader der Bewegung in Lagern – oder solche Menschen, die unter diesem Verdacht standen. Insgesamt kostete der über ein Vierteljahrhundert brodelnde Konflikt wohl 100 000 Menschen das Leben. Genauere Angaben sind ohne tiefgehende Untersuchungen bei Offenlegung aller Dokumente bisher nicht möglich.

Ein Bündnis von fünf Nichtregierungsorganisationen hat in einer gemeinsamen Erklärung vom 22. Juni die umfassende Untersuchung von Massengräbern gefordert. Es ist ein Appell in einem Bereich, der bisher besonders durch Blockaden und Verschweigen gekennzeichnet ist. So fanden sich schon 2018 bei der Öffnung eines Massengrabs in Mannar im Norden des Landes die Überreste von 318 Leichen, darunter von 28 Kindern.

Ebenfalls gefunden wurden metallische Objekte, die darauf hindeuten, dass die Toten an den Beinen gefesselt waren. In anderen Fällen wurden Leichen mit Fesselspuren und Löchern gefunden – ein Hinweis auf tödliche Schusswunden. So im zentral-sri-lankischen Matale, wo 2013 wiederum ein lokaler Richter, der eine unabhängige Untersuchung dieser Funde anordnen wollte, unmittelbar darauf versetzt wurde.

Bis heute gebe es vonseiten der politischen und militärischen Führung weiterhin Druck, um wirkliche Aufarbeitung zu verhindern, so die Kritik aus dem NGO-Bündnis. »Es fehlt total am politischen Willen in Bezug auf Massengräber und das Verschwindenlassen von Menschen«, wurde K. S. Ratnavale, Exekutivdirektor des Zentrums für Menschenrechte und Entwicklung, von der Tageszeitung »The Island« zitiert. Die 2013 in der Nähe des Krankenhauses von Matale gefundenen Skelette könnten zu Hunderten »Verschwundener« aus den späten 80er Jahren gehören.

Militärkommandant der Region war damals Gotabaya Rajapaksa, später Verteidigungsminister (2005–2015) unter seinem Bruder Mahinda als Staatschef und ab Ende 2019 selbst Präsident. Der Vertreter der lange die Politik dominierenden Familiendynastie trat nach Massenprotesten vor einem Jahr zurück und setzte sich kurzzeitig ins Ausland ab, lebt inzwischen aber wieder in Sri Lanka – geschützt von der Regierung. Als Minister soll Gotabaya 2013 in Matale die Vernichtung aller Polizeiakten angeordnet haben, die älter als fünf Jahre waren.

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