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Watsche für britischen Premier Sunak
Londoner Gericht erklärt geplante Abschiebungen nach Ruanda für rechtswidrig
Die harte Asylpolitik der britischen Regierung stößt zunehmend auf Widerstand. Am Donnerstag urteilte das Berufungsgericht in London, dass die Abschiebung von Asylbewerbern nach Ruanda gesetzeswidrig ist. Der im April 2022 geschlossene Abschiebepakt mit Ruanda ist ein wichtiger – und sehr kontroverser – Teil der verschärften Asylpolitik von Innenministerin Suella Braverman. Er sieht vor, dass Migranten, die auf irreguläre Weise ins Land kommen, massenhaft in das subsaharische Land deportiert werden, ohne dass sie überhaupt Asyl beantragen können. Der erste Abschiebeflug wurde vor einem Jahr in letzter Minute durch das Europäische Gericht für Menschenrechte in Straßburg gestoppt, sehr zum Frust der britischen Regierung.
Unterdessen hatten Flüchtlingskampagnen und einzelne Asylbewerber den Plan vor britischen Gerichten angefochten. Zunächst verloren sie: Im Dezember urteilte der High Court, dass das Ruanda-Programm rechtens sei. Aber am Donnerstag kippte das Berufungsbericht diesen Entscheid. Als Grund nennt das Gericht Schwachstellen im Asylsystem des afrikanischen Landes: Es bestehe die Gefahr, dass die nach Ruanda abgeschobenen Migranten von dort aus in ihr Ursprungsland deportiert würden, wo ihnen politische Verfolgung oder unmenschliche Behandlung drohe. »In diesem Sinn ist Ruanda kein sicheres Drittland«, sagte der Richter, Lord Burnett, in seiner Zusammenfassung. Entsprechend lasse sich der Abschiebepakt nicht mit britischem Recht vereinen.
Das Urteil des Berufungsgerichts ist ein heftiger Rückschlag für Innenministerin Suella Braverman und ihren Chef Rishi Sunak. Eines ihrer wichtigsten innenpolitischen Ziele besteht darin, der Migration über den Ärmelkanal einen Riegel vorzuschieben: »Stop the Boats« lautet der Slogan. Die automatische Abschiebung nach Ruanda hätte als Abschreckung dienen sollen – wenn auch Experten bezweifeln, dass der Plan den gewünschten Effekt hätte. Premierminister Sunak sagte am Donnerstag, er widerspreche dem Urteil »fundamental«. Die Regierung sollte selbst entscheiden können, wer ins Land komme und wer nicht, sagte er. »Ich werde alles tun, um sicherzustellen, dass dies passiert.« Er kündigte an, Berufung einzulegen. Der Fall wird dann wohl vor dem Supreme Court enden, dem höchsten Gericht in Großbritannien.
Flüchtlingskampagnen hingegen begrüßten den Entscheid des Berufungsgerichts. Er sei ein »Sieg für Vernunft und Mitgefühl«, sagte die Organisation Freedom from Torture. »Der ›Geld-für-Menschen‹-Deal mit Ruanda ist nicht nur zutiefst unmoralisch, sondern widerspricht auch den Gesetzen in diesem Land.«
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Auch anderweitig trifft die Regierung mit ihrer harten Flüchtlingspolitik zunehmend auf Hindernisse. Die Illegal Migration Bill, eine Gesetzesvorlage, die die Abschiebung irregulärer Migranten obligatorisch machen soll, hat im Oberhaus Widerstand hervorgerufen. Am Mittwoch stimmte die zweite Kammer für mehrere Änderungen, die das Gesetz abschwächen. So sollen Opfer von Menschenhandel besonderen Schutz erhalten – gemäß Regierungsplänen hätten sie umgehend deportiert werden können; auch stimmten die Lords gegen den Plan, die Bestimmungen des Gesetzes rückwirkend bis März anzuwenden.
Bereits vor zwei Wochen hatte das überparteiliche Menschenrechtskomitee des Parlaments geschrieben, dass die Migrationsvorlage gegen die internationalen Verpflichtungen Großbritanniens verstoße. Das Gesetz würde der Mehrheit der irregulären Flüchtlinge die Möglichkeit verwehren, sich um Asyl zu bewerben.
Kritik kommt auch von der anderen Seite des Ärmelkanals. Am Donnerstag publizierte das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter (CPT) einen Bericht über die Zustände in mehreren Auffanglagern an der englischen Südküste. Das Fazit des Ausschusses lautet: »Die längere Inhaftierung unter sehr schlechten Bedingungen« in Manston habe möglicherweise viele der Migranten »unmenschlicher und entwürdigender Behandlung« ausgesetzt.
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