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Indiana Jones und das Rad des Schicksals: Ein dezenter Abschied

»Indiana Jones und das Rad des Schicksals« ist der letzte Teil der berühmten Abenteuersaga. Er bietet zwar alle nostalgischen Indy-Momente, zeigt aber auch etwas Neues: die Verletzlichkeit seines Helden

Eine Hommage an das Altern: Harrison Ford (81) wurde noch ein letztes Mal für die Rolle des Archäologie-Professors und Hobby-Abenteurers Indiana Jones engagiert.
Eine Hommage an das Altern: Harrison Ford (81) wurde noch ein letztes Mal für die Rolle des Archäologie-Professors und Hobby-Abenteurers Indiana Jones engagiert.

Es gibt viel aktuellen Stoff für einen neuen, relevanten Indiana-Jones-Film. Ein potenzieller Plot würde in der jetzigen Zeit in Berlin spielen. Die Hauptrollen übernehmen Dr. Henry Walton Jones Jr. aka Indiana »Indy« Jones, die deutsche Außenministerin, irgendeine beliebige Museumsdirektorin und das nigerianische Oberhaupt der ehemaligen königlichen Familie, Oba von Benin.

Im Gegensatz zu den typischen Indy-Filmen, in denen die Nazis oft die Bösewichte waren, sind die Deutschen nun die Guten und möchten alles richtig machen. So gibt die deutsche Außenministerin dem Land Nigeria die sogenannten Benin-Bronzen zurück. Diese landen jedoch im Privatbesitz des Oba von Benin. Da taucht also Indiana Jones auf, seinen berühmten Satz »Die gehören ins Museum!« schreiend, stiehlt dem Oba die Bronzen und übergibt die Objekte der Museumsdirektorin. In der Kino-Welt Steven Spielbergs, des Regisseurs von vier Indiana-Jones-Filmen, wäre die Geschichte damit zu Ende. Doch in der realen Welt würde sich Dr. Jones erst jetzt mit lauter Debatten über Postkolonialismus und Provenienz konfrontiert sehen.

Der neue Film »Indiana Jones und das Rad des Schicksals«, der fünfte und letzte Teil der Indiana-Jones-Reihe, der nicht mehr von Spielberg, sondern von James Mangold gedreht wurde und seit Donnerstag in den deutschen Kinos läuft, sucht seine Motive aber nicht in den aktuellen Nachrichten, sondern bleibt dem alten Muster treu: Indy reist um die Welt und schnappt den Nazis antike Kulturgüter weg oder macht übernatürliche Gegenstände ausfindig, bevor diese den Bösen in die Hände fallen. Harrison Ford (81), der seit 1981 die Figur Indiana Jones verkörpert, wurde noch ein letztes Mal für die Rolle des Archäologie-Professors und Hobby-Abenteurers engagiert. Bei der Premiere des Films auf dem diesjährigen Cannes-Festival war er oft emotional und hatte ständig Tränen in den Augen. Dort erhielt er überraschend eine Ehrenpalme.

Zu Zeiten, in denen Chauvis wie James Bond in waren, war Harrison Fords Indiana Jones eher ein selbstironischer und unsicherer Typ, erst recht kein Macho, vielmehr ein Nerd, der sein stetes Überleben in den zahllosen Kämpfen mehr dem Glück zu verdanken hatte als seinen Peitschenkünsten.

Der allererste Film, »Jäger des verlorenen Schatzes« (1981), präsentierte sogar auf der Seite von Dr. Jones eine Frauenfigur, Marion Ravenwood (Karen Allen), die für damalige Verhältnisse verblüffend progressiv und nicht nur als Deko oder für zwei Kuss-Szenen da war, sondern wirklich in die Handlung eingriff. Doch es gelingt Spielberg (und seinem Kumpel George Lucas, der am Drehbuch mitwirkte) schon im zweiten Film, »Indiana Jones und der Tempel des Todes« (1984), alles schön kaputtzumachen und mit »Willie« Scott (Kate Capshaw), die nichts außer Schreien zur Geschichte beizutragen hatte, einen der bescheuertsten und peinlichsten Frauencharaktere der Kinogeschichte zu entwerfen – von der Darstellung der indischen Menschen, die Affengehirn und Kakerlaken essen, ganz zu schweigen.

Im vierten Teil, »Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels« (2008), der in der Zeit des Kalten Krieges spielt, sind nicht mehr die Nazis die Gegner*innen, sondern die sowjetischen Agent*innen. Und die Figur Marion kommt wieder in die Story zurück, um am Ende Indy zu heiraten.

Der fünfte Teil ist nun einerseits eine Anspielung auf alles, was allmählich zu Indiana-Jones-Markenzeichen geworden ist, andererseits eine Hommage an das Altern. Die Geschichte beginnt im Jahr 1944, und Indy (Harrison Ford wurde für diese Szenen digital verjüngt), der im Laufe seiner Abenteuer viel mit den Nazis zu tun hatte – im dritten Film »Indiana Jones und der letzte Kreuzzug« (1989) bekommt er sogar ungewollt ein Autogramm von Hitler himself –, darf noch einmal ein wertvolles Artefakt, dieses Mal das vom griechischen Physiker Archimedes entworfene Rad des Schicksals, den Nazis wegnehmen und ihnen wieder entkommen.

Dann springt der Film ins Jahr 1969. Dr. Jones ist nun ein griesgrämiger alter Mann, kurz vor seiner Pensionierung, und versteht die Welt nicht mehr. In der für die Indy-Filme typischen Uni-Szene spricht er im Hörsaal nicht mehr wie in früheren Zeiten begeistert über faszinierende antike Objekte, sondern wirkt teilnahmslos, während die Student*innen eher die Mondlandungsnachrichten verfolgen.

Doch es gibt eine Person, die sich noch für sein archäologisches Wissen, ähm, für seine archäologischen Güter, interessiert: seine Patentochter Helena (Phoebe Waller-Bridge), die gerne das Archimedes-Rad haben möchte. Dies tut auch der Altnazi Jürgen Voller (Mads Mikkelsen), der sich als Nasa-Wissenschaftler tarnt. Helena will das Rad verkaufen, Voller will damit in der Zeit zurückreisen, um ausgerechnet Hitler zu töten (denn der Führer habe so viele Fehler gemacht) und damit den Lauf der Dinge zu ändern. Und Indiana Jones will beide daran hindern.

So beginnt ein neues Abenteuer für den alten Professor – Pferdereiten in der New Yorker U-Bahn inklusive. Er nimmt seinen Hut, seine Peitsche und seine Schlangenphobie mit auf Reisen nach Marokko, Griechenland und bis hin zum Archimedes-Grab in Sizilien. Sein schiefes, naives, nur ein paar Sekunden dauerndes Siegesgrinsen, bevor er schnell wieder in die nächste Gefahr gerät, wurde von Film zu Film schwächer, bis es im fünften Teil fast gar nicht mehr vorkommt. Auch Scherze macht er nicht mehr so viele. »Sie sind Deutscher, Sie brauchen nicht zu versuchen, witzig zu sein!«, sagt er immerhin mal zum Nazi Voller.

Der letzte Teil bietet zwar wie erwartet alle üblichen und nostalgischen Indiana-Jones-Momente und -Elemente: Actionszenen, in denen Nazis im Hintergrund »Schnell!« oder »Weiter!« brüllen. Grabkammern, in denen es von unzähligen ekligen Insekten wimmelt. Kleine Begleiter der Geschichte, Kinder etwa, die auf einmal Autos oder Flugzeuge lenken. Doch er zeigt auch etwas Neues: Die Verletzlichkeit seines Helden, der selbst gesteht, nicht mehr in die Zeit zu passen.

In der Pressekonferenz in Cannes wurde Harrison Ford gefragt, was er Indiana Jones in dem finalen Film tun sehen wollte. »Ich wollte das Gewicht des Lebens an ihm sehen. Ich wollte sehen, dass er sich neu erfindet, dass er Unterstützung braucht. Und dass er eine Art Beziehung hat, keine filmischen Liebeleien, sondern eine tiefe Beziehung zu jemandem.« Das ist ein hoher Anspruch für seine Abenteuersaga – und sehr dezent für einen Abschied.

»Indiana Jones und das Rad des Schicksals«, USA 2023. Regie: James Mangold; Buch: Jez Butterworth, John-Henry Butterworth, David Koepp, James Mangold. Mit: Harrison Ford, Phoebe Waller-Bridge, Mads Mikkelsen, John Rhys-Davies, Ethann Isidore, Antonio Banderas, Thomas Kretschmann, Karen Allen. 154 Min. Jetzt im Kino.

Indy hat fast keine Lust mehr auf Abenteuer, bis seine Patentochter Helena (Phoebe Waller-Bridge) auftaucht.
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