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Studie über den Osten: Hat Zonen-Gabi nichts dazugelernt?
Frank Schirrmeister über angebliche Demokratiedefizite in Ostdeutschland
Wieder einmal haben Soziologen, diesmal von der Uni Leipzig, einen »ostdeutschen Sonderweg« konstatiert: Der Osten, der große Lümmel, sperre sich partout gegen die Segnungen der freiheitlichen Demokratie und sehne sich nach einer »autoritären Staatlichkeit«, vulgo dem »starken Mann«. Das Problem mit dieser und ähnlichen Studien hat Dirk Oschmann kürzlich in seiner Streitschrift »Der Osten – eine westdeutsche Erfindung« sehr präzise beschrieben. Die Autoren der aktuellen Studie haben nun exakt jene Stereotype wiedergekäut, mit denen Oschmann so vehement abrechnet. Das Fatale sei, so schreibt er, dass sich der Westen stets als Norm sehe und den Osten nur als Abweichung, als Abnormalität begreifen könne.
Hören Sie auch den Podcast »Westdeutsches Selbstgespräch« zu Oschmanns Buch »Der Osten – eine westdeutsche Erfindung« hier.
Mit Erstaunen beobachten die Forscher ein »ausgeprägtes Fremdeln mit der Demokratie«, von vielen werde sie nicht als etwas Eigenes verstanden. Warum sich die Ostdeutschen allerdings in einer Demokratie aufgehoben fühlen sollen, von deren Mitgestaltung sie weitgehend ausgeschlossen sind, wird nicht hinterfragt.
Fakt ist, dass sich trotz gelegentlicher Krokodilstränen an der strukturellen, institutionellen und personellen Benachteiligung der Ostdeutschen nie etwas geändert hat. Der Anteil ostdeutsch Sozialisierter in gesellschaftlichen und politischen Spitzenpositionen ist vernachlässigbar, die westdeutschen Eliten rekrutieren sich bis heute vornehmlich aus sich selbst heraus. Dass die Ostdeutschen keine Stimme im gesamtdeutschen Diskurs haben, ist eine der wesentlichen Ursachen der Ost-West-Spaltung. Und niemand scheint an einer Änderung interessiert, auch nicht die Autoren der Studie, deren Leiter – natürlich – aus dem Westen kommt. Oschmann: »Der öffentliche Raum als ökonomischer, medialer und diskursiver Raum ist nicht nur komplett in westdeutscher Hand, sondern normalerweise auch vollständig von westdeutschen Perspektiven beherrscht.« Die Selbstverständigung der Ostdeutschen, die 1989 machtvoll begann, war mit der raschen Übernahme aller Medien durch westdeutsche Platzhirsche schon 1990 schlagartig wieder beendet.
Wenn den Ostdeutschen die Demokratiefähigkeit aufgrund ihrer Diktatursozialisation abgesprochen wird, spricht daraus die Perspektive der »Sieger«. Das ist umso befremdlicher, als dass der Osten im Gegensatz zum Westen, dem die Demokratie von den US-Amerikanern geschenkt wurde, sich diese selbst erkämpft hat. Der DDR-Bürgerrechtler Klaus Wolfram wies 2019 darauf hin, dass der Ostdeutsche die Demokratie mitnichten verachte, er erkenne sie nur genauer und nehme sie persönlicher. Was dann eben die Enttäuschungen durch die gesellschaftliche und ökonomische Ausschlusserfahrung mit einschließt.
ist nd-Bildredakteur. Manchmal schreibt er auch.
Das anhaltende Ungleichgewicht zwischen Ost und West ist ja nicht nur eines der Repräsentation. Auch hinsichtlich Einkommen und Vermögensverteilung hinkt der Osten nach wie vor weit hinterher. Zwar wohnen die Ostdeutschen nun in hübsch sanierten Städten, deren Immobilien gehören jedoch in aller Regel Westdeutschen. Auch müssen sich Ostdeutsche permanent »antidemokratische Ressentiments« vorhalten lassen. Dabei ist eine repräsentative Demokratie, in der eine große Bevölkerungsgruppe nicht ansatzweise adäquat repräsentiert ist, nur mehr eine »Demokratiesimulation« (Oschmann).
Natürlich darf der tiefsitzende Nazismus und Rassismus im Osten nicht kleingeredet werden. Aber, so wiederum Oschmann, »der Totalausschluss von demokratischer Mitgestaltung zeigt sich selbst dort, wo man es nicht vermuten würde, in der AfD«. Nicht nur war die Partei eine Westgründung, auch fast das komplette Führungspersonal stammt von dort. Dass diese Partei im Osten so stark werden konnte, hat mitnichten mit dem »Hang zum Autoritären« zu tun, wie die Studie die Ostdeutschen einmal mehr denunziert. Es ist offenkundig eine Folge des Versagens der westdeutschen Institutionen, die es noch immer nicht geschafft haben, sich gen Osten zu öffnen.
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