- Politik
- Parteienfinanzierung
NPD auch als »Heimat« verfassungsfeindlich
Einst zog die Partei fast in den Bundestag ein – heute ist sie beinahe handlungsunfähig
Als am ersten Juniwochenende tausende Antifaschist*innen in Leipzig gegen Repression demonstrieren wollten, traf sich im etwa 70 Kilometer entfernten Riesa die NPD zu ihrem letzten Parteitag.
Nein, aufgelöst hat sich die Partei nicht. Sie hat sich nur einen neuen Namen gegeben. »Heimat« will die umbenannte Partei nun heißen. Die Umbenennung ging nicht reibungslos vonstatten. Ein erster Versuch scheiterte im Frühjahr 2022 am Unwillen von drei Delegierten bei einem Parteitag. Der Parteivorsitzende Frank Franz sprach von einem bitteren Ergebnis, kündigte an, den Umbau der Partei aber weiter voranzutreiben. Und trotz »Sticheleien« und Geschäftsordnungsanträgen, von denen ein neonazistischer Telegram-Kanal berichtet, ist es in Riesa nun auch gelungen, der Partei den neuen Namen zu geben. Die »Heimat« will an »patriotischen Netzwerken« mitwirken. Man sei »die letzte Generation«, die »das Ruder noch herumreißen« könne, wenn es um »den Erhalt unserer Heimat« gehe, heißt es in einer Pressemitteilung. Dass damit, trotz der Anspielung auf die Klimagruppe, nicht die deutschen Wälder und die Nordseeküste gemeint sind, sondern ein von den Rechten als biologisch-homogen empfundenes Volk, dürfte klar sein. Getragen wird die »Heimat« weiter von Kadern mit teilweise jahrzehntelanger Erfahrung in der Neonaziszene. An der Ausrichtung der »Heimat« ändert sich auch nichts dadurch, dass man die schwarz-rot-goldene Flagge, die bei Neonazis wegen ihrer demokratischen Geschichte eigentlich verpönt ist, zu einem Hauptelement des Partei-Layouts gemacht hat.
Frühe Erfolge
Als »Sammlungsbewegung« habe die NPD begonnen, die »Heimat« soll wieder zu einer werden, so das selbst erklärte Ziel der Rechten. Die NPD war 1964 tatsächlich die Sammlung von mehreren nationalistischen Kleinstparteien, bis hin zu enttäuschten Nationalliberalen aus der FDP und frustrierten Christdemokraten. Die »Deutsche Partei« brachte gleich zur Gründung der NPD vier Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft mit. In den Folgejahren konnte die NPD in zahlreiche Landesparlamente einziehen. Sie profitierte dabei von der Enttäuschung über die erste Große Koalition in der Bundesrepublik und die einsetzende Rezession. Zum ersten Mal gab es Debatten über ein NPD-Verbot. Bei der Wahl 1969 verpasste die Partei mit 4,3 Prozent knapp den Einzug in den Bundestag.
In den folgenden Jahren beschäftigte die NPD sich vor allem mit sich selbst. Flügelkämpfe begleiteten den Niedergang der Partei in den 1970er und 1980er Jahren. Andere Akteure gewannen an Relevanz in der extremen Rechten. Neonazis organisierten sich in Kleinstparteien, Vereinen oder Kameradschaften. Im Parteienspektrum waren die Republikaner oder die Deutsche Volksunion (DVU) bis in die 1990er Jahre erfolgreicher als die NPD.
Linkssein ist kompliziert. Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen. Jetzt abonnieren!
Neonazistische Renaissance
Zu Beginn der 1990er Jahre hatte sich die NPD weit ins neonazistische Spektrum geöffnet und wurde damit wieder erfolgreicher. Öffentlichkeitswirksame Holocaustleugnung war zu dieser Zeit in der extremen Rechten sehr beliebt. Auch der Parteivorsitzende Günter Deckert machte sich dadurch strafbar. Unter seinem Nachfolger Udo Voigt, der für die Partei 2014 bis 2019 im Europaparlament saß – und auch 2024 wieder als Spitzenkandidat antritt -, führte die NPD den eingeschlagenen Kurs fort. Um Parlamente, Köpfe und Straßen wollte man kämpfen. In einer kurzen Phase rund um das 2001 eingeleitete Verbotsverfahren, das wegen zu vielen V-Leuten in der Funktionärsebene der NPD scheiterte, gab sich die Partei zurückhaltend. Aus dem parteiunabhängigen Neonazi-Spektrum bekam Voigt den Spitznamen »Verbotsschiss-Udo«. Nachdem das Verbot 2003 gescheitert war, begrüßte die NPD den Eintritt zahlreicher Neonazikader. Einer der bekanntesten ist Thorsten Heise, ein militanter Neonazi, dem sowohl Verbindungen zum NSU-Unterstützerkreis als auch zu Björn Höcke von der AfD nachgesagt werden. Heise sitzt heute im Bundesvorstand der Partei.
2004 konnte die NPD dann ihren ersten großen parlamentarischen Erfolg seit dem Ende der 1960er Jahre feiern. Mit 9,2 Prozent zog sie in den sächsischen Landtag ein. 2006 folgte der Landtag in Mecklenburg-Vorpommern. Ein Finanzskandal lähmte die Partei in den folgenden Jahren. Wegen fehlerhafter Rechenschaftsberichte wurde sie zur Zahlung einer Strafe in Höhe von fast 1,3 Millionen Euro verurteilt. Die Partei wurde nahezu handlungsunfähig. 2017 scheiterte das zweite Verbotsverfahren gegen die Partei vor dem Bundesverfassungsgericht. Dieses entschied, die Partei sei zwar verfassungsfeindlich, aber derzeit nicht gefährlich genug, um ein Verbot zu rechtfertigen.
In der Bedeutungslosigkeit
Neben den Finanzproblemen hat der Aufstieg der AfD die NPD ins Abseits katapultiert. Die Botschaften von Björn Höcke und Co. sind eindeutig genug für das extrem rechte Wählerklientel. Inhaltlich haben NPD-Mitglieder wie der Neonazi-Mode- und Medienmacher Patrick Schröder kein Problem mit der AfD. Im Gegenteil sind manche sogar traurig, wegen ihres Hintergrunds als organisierte Neonazis nicht mitmachen zu dürfen. Die »Heimat« selbst beklagt »Unvereinbarkeitsbeschlüsse« anderer.
Dass die Partei in absehbarer Zeit parlamentarische Erfolge erzielen kann, ist unwahrscheinlich. Als Sammlungsbewegung funktioniert sie nicht wirklich. Anfang des Jahres ist zwar der offen nationalsozialistische Dortmunder Kreisverband der Partei »Die Rechte« zur »Heimat« übergetreten. Ein großer Trend zum Eintritt in die umbenannte Partei zeichnet sich allerdings nicht ab. Auch vereinzelte Personen, die sich mit der AfD überworfen haben und jetzt bei der »Heimat« auftreten, ändern daran nichts. Insgesamt wirkt die Partei wie das Hobby einiger Neonazis, die ihre persönlichen Schwerpunkte längst in der Geschäftswelt haben und ihr Geld mit Survival-Ausstattungen, Kleidung oder Musik verdienen. Bei ihrer Kundschaft kommt der zumindest noch rudimentär vorhandene Aktivismus gut an.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.