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Nach der Dürre droht die Flut
Wissenschaftler warnen vor Überschwemmungen in Südamerika. Der Grundwasserspiegel steigt deutlich
Argentinische und britische Wissenschaftler*innen warnen vor zunehmenden Überschwemmungen in den wichtigen Anbaugebieten für Getreide und Ölsaaten in Südamerika. Treibende Faktoren hierfür sind das Verschwinden der einheimischen Vegetation und Weiden sowie der intensivierte Anbau von Weizen, Mais oder Sojabohnen. Durch das Wasser drohen Ernteverluste und im schlimmsten Fall die Versalzung und Erosion der Böden.
»Wir haben festgestellt, dass die großflächige Verdrängung der bisherigen Vegetation in den letzten vier Jahrzehnten mit zunehmenden Überschwemmungen einhergeht«, schreibt das Wissenschaftsteam von der zentralargentinischen Universität in San Luis und der britischen Universität in Lancaster in einer Studie, die Ende Juni in der Fachzeitschrift »Science« veröffentlicht wurde. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse beruhen auf der Auswertung von Satellitenbildern und Vor-Ort-Beobachtungen der letzten vier Jahrzehnte, mit denen statistische Modellierungen und hydrologische Simulationen durchgeführt wurden.
Dabei zeigte sich, dass die Verdrängung der einheimischen Vegetation einen Anstieg des Grundwasserspiegels von einst sechs bis zwölf Metern Tiefe auf null bis vier Meter bewirkte. Der Biologe Esteban Jobbágy von der Universität San Luis war an der Studie beteiligt und erklärte hierzu: »Der großflächige Ersatz von tiefer wurzelnden Bäumen, Pflanzen und Gräsern durch flach wurzelnde einjährige Pflanzen hat dazu geführt, dass der Grundwasserspiegel in der Region näher an die Oberfläche gestiegen ist.« Dadurch könne der Boden schwere Regenfälle weniger gut aufnehmen, so Jobbágy weiter. Zunehmende Überschwemmungen in den hochgradig kultivierten und flachen Landschaften seien die Folge.
Nicht nur die Verdrängung stellt ein Problem dar, sondern auch das landwirtschaftliche Wachstum insgesamt. In Argentinien war dies eine Folge des Soja-Booms Anfang der Nullerjahre. Im Jahr 2000 hatte die Anbaufläche für die Bohnen bereits rund 10 Millionen Hektar betragen. Bis 2016 war sie jedoch auf knapp über 20 Millionen Hektar gestiegen und pendelt seit einigen Jahren um die 17-Millionen-Marke. Eine ähnliche Entwicklung ist bei Weizen und Mais zu beobachten.
Auf dem südamerikanischen Kontinent dehnt sich die gesamte landwirtschaftliche Anbaufläche um 2,1 Millionen Hektar pro Jahr aus. Besonders betroffen sind die weiten Ebenen der Pampa im südöstlichen Südamerika sowie die subtropischen Wälder des Gran Chaco zwischen Argentinien, Paraguay und Bolivien. Diese Region zwischen den Anden im Westen und dem höher gelegenen brasilianischen Schild im Osten ist eine der größten und flachsten Ebenen der Welt, die zugleich zu den besten Ackerbauflächen gehört.
Diese Region reagiere zudem besonders empfindlich auf Veränderungen im Wasserhaushalt, so die Forscher*innen in ihrer Studie weiter. Nach einer dreijährigen Dürre, die durch das Wetterereignis La Niña im äquatorialen Pazifik entstanden ist, sank der Grundwasserspiegel 2023 in weiten Teilen Argentiniens zunächst derart ab, dass die angebauten Getreide- und Sojapflanzen verdorrten und zahlreiche Rinder auf braunen Weiden verhungerten oder verdursteten. Argentiniens Agrarbörse in Rosario schätzt den daraus folgenden Ernteausfall und Verlust auf einen Wert von rund 20 Milliarden Euro.
Auf diese Dürre drohen nun Überschwemmungen zu folgen. Denn sollten die Forscher*innen in ihren Prognosen richtig liegen, werden sich die Nachrichten von Überflutungen in Südamerika in den kommenden Monaten häufen. Die Region befindet sich derzeit im Übergang von La Niña zu El Niño, der im südlichen Südamerika für starke Regenfälle sorgt.
Dass El Niño bereits anklopft, belegen die tagelangen starken Regenfälle Anfang vergangener Woche in Chile. »Dieser Regen ist das erste Anzeichen dafür, dass El Niño nun auch Chile erreicht. In Kolumbien, Ecuador und Peru ist er bereits seit über einem Monat vorhanden und dringt weiter nach Süden vor«, sagte der chilenische Meteorologe Fernando Santibáñez dazu der Deutschen Presse-Agentur.
Vor allem im südlichen Südamerika haben die Überschwemmungsgebiete deutlich zugenommen, heißt es abschließend in der Studie. Die Hälfte davon sei Ackerland. Die weitere Intensivierung der Landwirtschaft verspricht somit für die Zukunft nichts Gutes.
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