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Elterngeld: Achtung, Wohlstandsabfall
Paaren mit hohen Einkommen soll das Elterngeld gestrichen werden. Hunderttausende stimmen in einer Petition dagegen
Eine neue Protestbewegung hat Deutschland diese Woche aufgerüttelt: »NEIN zur Elterngeld-Streichung«, ruft Oberaktivistin Verena Pausder per Online-Petition. »Es ist ein Armutszeugnis für unsere Familienpolitik, wenn wir es den Menschen finanziell schwerer machen, Kinder zu bekommen, statt sie zu entlasten«, steht darin. Denn »betroffen sind nicht die, die von Vermögen leben können, sondern viele Young Professionals und Akademiker*innen«.
Aufruhr, Widerstand: Weit über eine halbe Million Menschen (Stand Freitag) wehren sich gegen die Verarmung der Leistungsträger*innen des Landes bzw. deren Aussterben. Nach den Plänen von Familienministerin Lisa Paus sollen Paare kein Elterngeld mehr bekommen, wenn sie über mehr als 150 000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen verfügen. Das entspricht Schätzungen zufolge gut 180 000 Euro brutto, pro Person und Monat im Schnitt 7500 Euro – bei den Ärmsten der Armen dieser betroffenen Bevölkerungsgruppe.
Ist der kleine Racker da, sinkt deren Einkommen in Zukunft auf null, nada, niente – zumindest für die Zeit des ausgedehnten Familienurlaubs während der beiden Monate, die junge Väter überwiegend gleichzeitig mit ihren Partnerinnen in Anspruch nehmen. In der übrigen Zeit bleibt ein Einkommen, das – gehen wir weiter von den 7500 Euro brutto aus, obwohl Männer im Schnitt mehr verdienen – fast einem doppelten Durchschnittseinkommen entspricht. Petitionsinitiatorin Pausder nennt das einen »massiven Wohlstandsabfall« für Familien. Denn nur wo Wohlstand ist, kann Wohlstand abfallen.
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Nun wissen wir zwar gar nicht, ob die Young Professionals und Akademiker*innen nicht doch ein bisschen was für solch schwere Zeiten auf der hohen Kante haben; bekanntlich wird Reichtum ja nicht selten vererbt. Aber wer wollte deshalb das Prinzip des Elterngeldes als Lohnersatzleistung in Zweifel ziehen? Wer mehr verdient, verdient auch mehr fürs Kind. Wer nichts verdient, verdient wenig und bekommt noch das Kindergeld verrechnet. Wo kommen wir hin, fragt die Bewegung konsequenterweise, wenn nicht mehr nur den Bestverdienenden, sondern auch den Richtig-viel-Verdienenden die Anerkennung für ihre reproduktive Leistung genommen wird?
Von »gleichstellungspolitischem Irrsinn« sprach ausgerechnet die DGB-Vizevorsitzende Elke Hannack, weil sich junge Frauen nach teuren Ausbildungen gegen Kinder entscheiden oder aber junge Väter sich ohne Bezahlung nicht mehr um die Kinder kümmern könnten. Diesbezüglich sei erinnert an eine Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung von vor wenigen Monaten. Danach hat das Elterngeld in 15 Jahren weder für eine dauerhaft gerechtere Aufteilung der Familienarbeit gesorgt noch etwas an der Tatsache geändert, dass Kinder für Frauen einen Verlust von »Berufsprestige« bedeuten, für Männer hingegen nicht. Das Modell Elterngeld taugt nichts, und die Petition ist das, wovor sie warnt: Wohlstandsabfall.
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