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Maues Klimaziel für die Schifffahrt
Die Containerriesen sollen netto keine Treibhausgase mehr emittieren – in ferner Zukunft
Die Weltschifffahrtsorganisation (IMO) hat eine neue Klimastrategie verabschiedet. Demnach soll die Frachtschiffbranche »bis oder um 2050« netto null Emissionen erreichen, vereinbarten Vertreter von rund 100 Mitgliedstaaten der UN-Unterorganisation am Freitag zum Ende ihrer Beratungen in London.
Dies ist eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur alten Klimastrategie aus dem Jahr 2018. Diese hatte lediglich zum Ziel, die Emissionen der Schifffahrt bis 2050 zu halbieren. In London wurden außerdem Zwischenziele verabschiedet: Im Jahr 2030 sollen die Emissionen demnach um 20 Prozent und im Jahr 2040 um 70 Prozent unter denen des Jahres 2008 liegen. Die Branche verursacht etwa drei Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen, etwa so viel wie Deutschland. Grund ist die Verbrennung von hochgiftigem und steuerfreiem Schweröl sowie zunehmend von Flüssiggas als Antrieb. Der Ausstoß der internationalen Schifffahrt, einem Treiber der Globalisierung, wird keinem Land zugeordnet und fällt damit bei Klimaverhandlungen bisher unter den Tisch.
Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) lobte die Vereinbarung. Nun gelte es, die Ziele »mit konkreten Maßnahmen« und mit Leben zu füllen. Hingegen kritisieren Experten, dass die Seeschifffahrt immer noch nicht ihren fairen Anteil leistet, um die Klimaerwärmung bei maximal 1,5 Grad Celsius zu stoppen. Die Initiative Science Based Target, die Klimapläne von Unternehmen bewertet, forderte die Reedereien auf, ihre Emissionen bis 2030 um 45 Prozent zu senken und im Jahr 2040 netto null Emissionen zu erreichen.
Die Industriestaaten und viele Entwicklungsländer wie etwa die kleinen Inselnationen, die vom Klimawandel in ihrer Existenz bedroht sind, hatten denn auch deutlich ehrgeizigere Ziele gefordert. Unterstützung erhielten sie dabei selbst von Verbänden der Schifffahrtsindustrie und von der größten Containerreederei der Welt, Maersk. Der dänische Konzern will bis 2040 netto null Emissionen erreichen. Doch bei der Konferenz in London stießen sie auf den Widerstand großer Schwellenländer wie China, Brasilien, Argentinien, Russland und Saudi-Arabien. Diese wichtigen Exportländer wollten die Zwischenziele für 2030 und 2040 komplett verhindern und das Netto-Null-Ziel im Jahr 2050 auf ein schwammiges Bekenntnis reduzieren.
Dabei leidet die Schifffahrt längst selbst unter dem Klimawandel. Wegen einer Dürre ist aktuell nicht genug Wasser im Panama-Kanal, der zu den wichtigsten künstlichen Wasserstraßen für den Welthandel gehört. Daher können die Schiffe nicht voll beladen werden. Maersk teilte dazu mit: »Der niedrige Wasserstand des Panama-Kanals ist ein Beispiel für die Auswirkungen des Klimawandels auf die Niederschlags- und Wettermuster auf der ganzen Welt, die sich auf die gesamte Lieferkette auswirken.«
Umweltorganisationen zeigten sich enttäuscht von der neuen IMO-Klimastrategie. »Die Gespräche in dieser Woche erinnerten an das Umstellen der Liegestühle auf einem sinkenden Schiff«, sagte Faig Abbasov von Transport & Environment. »Die Uno hatte die Gelegenheit, einen eindeutigen und klaren Kurs in Richtung des 1,5-Grad-Ziels festzulegen, aber alles, was herauskam, war ein windelweicher Kompromiss.« John Maggs von der Clean Shipping Coalition sagte: »Wir sind noch weit davon entfernt, dass die IMO die Klimakrise mit der Dringlichkeit behandelt, die sie verdient.« Damit steigt nicht zuletzt der Druck auf wichtige Akteure, für eine stärkere Reduktion der Emissionen aus der Schifffahrt zu sorgen. »Es liegt an der Industrie, den fortschrittlichen Mitgliedstaaten und Regionen wie der EU, über das hinauszugehen, worauf sich die IMO einigen konnte«, sagte Rasmus Larsen von Green Transition Denmark.
Das zweite große Thema der Konferenz war die Frage, ob eine Treibhausgas-Abgabe für die Emissionen der Schifffahrt eingeführt werden soll. Die kleinen Inselstaaten fordern eine Abgabe von mindestens 100 Dollar pro Tonne CO2 und hatten dafür die Unterstützung der EU sowie einiger anderer Industrie- und Entwicklungsländer. Doch auch hier blockieren große Schwellenländer. Diese verwiesen auf eine Studie der Universität São Paulo, laut der eine solche Abgabe einen leicht positiven Effekt für die Industriestaaten hätte, während die Wirtschaftsleistung in den Entwicklungsländern bei höheren Kosten für den Seeverkehr um 0,13 Prozent sinken würde. Am stärksten betroffen wären der Iran sowie einige Länder in Westafrika.
Die CO2-Abgabe wurde denn auch nicht beschlossen. Ganz vom Tisch ist sie allerdings noch nicht: Die IMO hat eine Studie zu den tatsächlichen Folgen eines »Preismechanismus« in Auftrag gegeben.
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