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»Kriminelle« in libyscher Küstenwache
Von der EU finanziertes Patrouillenschiff schießt bei Rettungseinsatz
Am Freitagnachmittag hat die libysche Küstenwache bei einem Rettungseinsatz im Mittelmeer von der Schusswaffe Gebrauch gemacht. Das berichtet die in der Schweiz ansässige Nichtregierungsorganisation SOS Mediterranée. Demnach sei in unmittelbarer Nähe ihrer in Norwegen registrierten »Ocean Viking« geschossen worden. Die Organisation betreibt das Rettungsschiff gemeinsam mit der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC).
Nach Angaben von SOS Mediterranée habe die Crew auf den Notruf eines kleinen Bootes 45 Seemeilen vor der libyschen Stadt Garabulli reagiert. Es war der zweite Einsatz am gleichen Tag, nachdem die »Ocean Viking« bereits 46 Personen von einem Boot in internationalen Gewässern an Bord genommen hatte.
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Kurz nach der Evakuierung von insgesamt elf Schiffbrüchigen des zweiten Bootes durch zwei Schlauchboote der »Ocean Viking« soll sich ein Patrouillenschiff der libyschen Küstenwache mit hoher Geschwindigkeit genähert und dabei aus »weniger als 100 Meter« Entfernung geschossen haben. In dem Schlauchboot hätten zu diesem Zeitpunkt eine Frau und fünf unbegleitete Kinder gesessen. Zudem sei das Patrouillenschiff gefährliche Manöver gefahren und habe die Seenotretter auf ihrem Weg zur »Ocean Viking« abdrängen wollen.
Der Vorfall wurde von einem Flugzeug der Nichtregierungsorganisation Pilotes Volontaires gefilmt. Dessen Besatzung konnte anhand des Videos rekonstruieren, dass von dem Küstenwachschiff dreimal geschossen wurde. Verletzt wurde dabei niemand. Es ist das dritte Mal in diesem Jahr, dass die »Ocean Viking« bei einer Rettungsaktion einen gefährlichen Zwischenfall mit der libyschen Küstenwache erlebt, schreibt SOS Mediterranée. Im März fielen dabei ebenfalls Schüsse.
Das beteiligte Patrouillenschiff stammt von der Finanzpolizei in Italien und wurde im Rahmen einer Schenkung an die Regierung in Tripolis von der EU finanziert. Die Mittel stammten aus dem Brüsseler Programm »Unterstützung des integrierten Grenz- und Migrationsmanagements in Libyen«. Ein weiteres Schiff aus EU-Mitteln wurde im Februar übergeben, zwei folgten im Juni.
Allein in diesem Jahr haben libysche Einheiten über 7500 Personen auf Hoher See aufgegriffen und nach Libyen zurückgeholt. So steht es in einem Schreiben der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an die 27 EU-Staaten. Libyen sei ein wichtiges »Partnerland«, deshalb solle die Zusammenarbeit zur »Koordinierung von Such- und Rettungskapazitäten und der Grenzüberwachung an den See- und Landgrenzen« verstärkt werden.
Auch »mit Schwerpunkt auf die Bekämpfung der Schleusung von Migranten« soll die EU enger mit Libyen kooperieren. Jedoch steht die Küstenwache selbst im Verdacht, sich daran zu beteiligen. So berichtete die EU-Grenzagentur Frontex 2016, das Schleusergeschäft werde von aktiven oder ehemaligen Polizei- und Militärangehörigen betrieben. Dem Internetmagazin »EU Observer« soll ein ehemaliger libyscher Polizeileutnant vor zwei Jahren ebenfalls bestätigt haben, dass die Küstenwache »mit Menschenschmugglern zusammenarbeitet«.
In einer Anhörung im Europäischen Parlament am Donnerstag vergangener Woche hat sich die EU-Migrationskommissarin Ylva Johansson erstmals gleichlautend geäußert. Die Kommission habe demnach »einen klaren Hinweis darauf«, dass kriminelle Gruppen die Küstenwache unterwandern.
Ein im März veröffentlichter Bericht der Vereinten Nationen bestätigt ebenfalls das Zusammenwirken von »hochrangigen Mitarbeitern der libyschen Küstenwache« und eines beim Innenministerium angesiedelten »Direktorats für die Bekämpfung der illegalen Migration« mit Schleusern. Auch diese Abteilung wird im Rahmen der Mission EUBAM Libyen von der EU unterstützt. Ziele der Mission, an der sich auch die Bundespolizei beteiligt, sind die Reorganisation des libyschen Sicherheitsapparates und die Überwachung der Land- und Seegrenzen. In einer Ausschreibung werden dafür viele neue Mitarbeiter gesucht – mit einem Arbeitsbeginn »so bald wie möglich«.
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