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Mexiko: Vertriebene im eigenen Land
Mexiko bleibt eines der weltweit gefährlichsten Länder
Für Wahrheit und Gerechtigkeit zu kämpfen, bleibt in Mexiko eine schwierige, gelegentlich tödliche Angelegenheit. Das hat eine Veranstaltung im Goethe-Institut in Mexiko-Stadt erneut gezeigt. In der deutschen Kulturstätte kam eine Gesprächsrunde zum Thema der intern vertriebenen Menschenrechtsverteidiger*innen und Medienschaffenden in Mexiko zusammen.
Mit Paula Gaviria Betancur war diesen Dienstag hoher diplomatischer Besuch vor Ort: Die Kolumbianerin ist UN-Sonderberichterstatterin für die Menschenrechte von Binnenflüchtlingen. In ihrem Heimatland Kolumbien ist es, wie in Mexiko auch, extrem gefährlich, sich für Meinungsfreiheit, Menschenrechte oder gegen Megaprojekte zu engagieren. Die UN-Sonderberichterstatterin betonte die Notwendigkeit, staatliche Schutzmechanismen auf Landes- sowie Bundesebene zu stärken.
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Das Spektrum ist groß
Besonders die Bandbreite gesellschaftlicher Akteur*innen bei der Veranstaltung ließ aufhorchen: Opfer, Angehörige, eine Vertreterin des Innenministeriums, Journalist*innen und Aktivist*innen waren allesamt vor Ort.
Eine von ihnen ist Laura Cazares Contreras, 27 Jahre alt. Contreras hat ihre Schwester verloren, als sie 16 war. Damals, vor elf Jahren, herrschten die »Tempelritter« in Michoacán, eine brutale kriminelle Vereinigung. Ihre Schwester verschwand, die Behörden taten nichts. Mit einem kleinen Eisenwarengeschäft hielt sich die Familie über Wasser. Es gab keine Warnung, keine Drohung, keinen Grund. Die Täter, die ihre Schwester verschleppten und später töteten, hatten keine Masken auf. Die absolute Straffreiheit, die in Mexiko herrscht, macht dieses Verhalten möglich. Jeder in der Dorfgemeinschaft wusste ohnehin, wer sie sind, wer zu den Tempelrittern gehört.
Eine Vertriebene im eigenen Land zu sein – das passiert in Mexiko vielen, die sich gegen die Interessen der organisierten Kriminalität, des großen Geldes und der korrupten Politik stellen. Dabei ist das Spektrum groß. Die Vertriebenen werden aus vielen verschiedenen Gründen ins Binnenexil verbannt: die Journalistin, die zu korrupter Lokalpolitik zu viel recherchiert und publiziert hat, der Aktivist, der seine Stimme gegen illegale Abholzung erhebt – oder, wie im Fall Contreras, die Mutter oder Schwester, die nach einem verschwundenen Familienmitglied sucht – und nicht lockerlässt. »Buscadoras« werden diese Frauen genannt. Sie suchen nach meist knöchernen Überresten ihrer Liebsten, in der Hoffnung auf Gerechtigkeit und einen Schlussstrich. Sie erledigen die Arbeit, um die sich eigentlich die Behörden kümmern sollten.
Genau diese Art von Aktivismus ist in den vergangenen Jahren immer gefährlicher geworden. »Wir üben Druck auf die Behörden aus, damit sie ermitteln. Die Kriminellen fühlen sich dadurch unsicher und verfolgt, das gefällt ihnen gar nicht«, erklärt Contreras gegenüber »nd«. Die 27-Jährige kann nun nicht mehr in ihrer Heimat leben. Sie musste in eine andere Region des Bundesstaates Michoacán umziehen.
Schicksale wie ihres erfasst die Regierung noch nicht einmal in Zahlen. Hunderttausende seien es, schätzen NGOs mittlerweile. Ein Gesetz zum Schutz der Binnenvertriebenen war mal in Planung, ist zurzeit jedoch auf Eis gelegt. Dass Menschenrechtsschützer*innen, Aktivist*innen und Medienschaffende vom Staat alleingelassen werden, überrascht nicht: In 45 Prozent aller Fälle gehen die Aggressionen von staatlichen Funktionären selbst aus. Das zeigt der an diesem Abend vorgestellte 50-seitige Bericht »Menschenrechtsverteidiger und Journalisten im Kontext der erzwungenen internen Vertreibung in Mexiko«. Verantwortlich für das Dossier ist Espacio OSC, ein Dachverband, der 14 Organisationen aus allen Ecken der Zivilgesellschaft vereint.
»Unser Schmerz verjährt nie«
Laura Cazares Contreras umklammert das Mikrofon fest mit beiden Händen. Sie legt Pausen beim Sprechen ein. Die Emotionen schießen hoch, sind mitunter zu stark. »Unser Schmerz verjährt nie«, sagt sie, ob einem Täter der Prozess gemacht werde oder nicht. Die Leidtragenden seien stets die Opfer.
Mexiko bleibt eines der weltweit gefährlichsten Länder für Aktivist*innen. Seit Amtsbeginn des selbst ernannten linken Präsidenten Andrés Manuel López Obrador hat sich die ohnehin schwierige Situation nochmals massiv zugespitzt. Mindestens 59 getötete Journalist*innen sowie 107 ermordete Menschenrechtsverteidiger*innen konstatiert der Bericht des Dachverbands Espacio OSC.
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