Berliner Wohnungsbündnis: Freiwillige Selbstkontrolle

Ein Jahr Wohnungsbündnis: Vonovia halte sich an die Vereinbarungen, freut sich der Senat

  • Yannic Walther
  • Lesedauer: 5 Min.
Berliner Mieter sind trotz des Wohnungsbündnisses vor der Hitze mitunter besser geschützt als vor Mieterhöhungen.
Berliner Mieter sind trotz des Wohnungsbündnisses vor der Hitze mitunter besser geschützt als vor Mieterhöhungen.

Ein Jahr nach der Unterzeichnung der Bündniserklärung zwischen Senat, Wohnungsunternehmen und Branchenverbänden zieht Bausenator Christian Gaebler (SPD) ein positives Fazit. »Wir haben festgestellt, dass vieles auf dem Weg ist«, sagte Gaebler am Mittwoch nach der sechsten Bündnissitzung im Roten Rathaus. Diese war zugleich die erste, an der Kai Wegner (CDU) als Regierender Bürgermeister teilnahm. Mit Blick auf die neue schwarz-rote Landesregierung betonte Wegner: »Es gibt jetzt keine Bremsklötze mehr.« Auch die Bündnisteilnehmer hätten den Regierungswechsel positiv aufgenommen, so Wegner.

Das Bündnis für Wohnungsbau und bezahlbares Wohnen wurde vor einem Jahr noch unter der Koalition aus SPD, Grünen und Die Linke mit großem Tamtam ins Leben gerufen. Die Wohnungspolitiker der beiden nun oppositionellen Parteien kritisierten das Bündnis von Beginn an wegen seiner Unverbindlichkeit. Denn: Gesetzliche Möglichkeiten, Bündnisvereinbarungen durchzusetzen, gibt es nicht.

Kein Problem, folgt man Bausenator Gaebler: »Vonovia und Deutsche Wohnen haben sich an alle Vereinbarungen gehalten.« Allein, von den anderen Unternehmen fehlen die Angaben in dem am Mittwoch veröffentlichten Monitoringbericht. Gaebler räumte ein, dass es beim Berichtswesen mehr Verbindlichkeit brauche.

Die im Juni 2022 geschlossene Erklärung sieht unter anderem vor, dass die im Bündnis vertretenen privaten Unternehmen 30 Prozent ihrer frei werdenden Wohnungen an Inhaber eines Wohnberechtigungsscheins (WBS) vermieten. Die in der Krise steckende Adler Group hat hierzu keine Zahlen geliefert. Auch vom Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA), einem Spitzenverband der Branche, dem unter anderem der Konzern Heimstaden beigetreten ist, fehlen Angaben. Bei Vonovia und Deutsche Wohnen sollen hingegen rund 40 Prozent der vergebenen Wohnungen an WBS-Haushalte vermietet worden sein. Private und kirchliche Unternehmen im Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) liegen bei rund elf Prozent.

Zum Start des Bündnisses gab es kurze Zeit noch die Hoffnung, private Unternehmen zu einem Mietenstopp bringen zu können. Eine Hoffnung, die bereits nach den ersten Sitzungen beerdigt werden durfte. In der Bündniserklärung gaben die Unternehmen schließlich an, sich daran »orientieren« zu wollen, dass Mieterhöhungen elf Prozent in drei Jahren nicht überschreiten. ZIA und Adler haben auch hierzu keine Angaben gemacht, ob sie die Vereinbarung zu einer freiwillig abgesenkten Kappungsgrenze eingehalten haben, in dem Fall hüllt sich auch der BBU in Schweigen.

Vonovia und Deutsche Wohnen hingegen hätten nach der Unterzeichnung der Bündnisvereinbarung im Jahr 2022 keine Mieterhöhungen vorgenommen. Allerdings haben sie mit der Veröffentlichung des neuen Mietspiegels angekündigt, die Mieten nun für mehrere zehntausend Wohnungen in Berlin erhöhen zu wollen. Die Bündnisvereinbarung sieht vor, dass Mieterhöhungen bei WBS-berechtigten Haushalten zu keiner Belastung von mehr als 30 Prozent des Nettoeinkommens führen sollen. »Vonovia hat heute gesagt, sie arbeiten daran«, hieß es von Gaebler am Mittwoch.

Es sei angesichts des Wohnungszustands in den Großsiedlungen »erfreulich, aber nicht überraschend«, dass Vonovia und Deutsche Wohnen 40 Prozent ihrer Wohnungen an WBS-Berechtigte vermieten, kommentiert dies Katrin Schmidberger, die Sprecherin für Wohnen und Mieten der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. Das sei allerdings der »einzige Lichtblick« im Monitoringbericht. Schmidberger kritisiert, dass der Branchenriese nun erneut Mieterhöhungen angekündigt hat. Dass von anderen Unternehmen Angaben fehlen, zeige, dass Akteure wie der ZIA das Bündnis anscheinend nicht ernst nehmen würden. »Das Bündnis war und bleibt eine politische Luftnummer«, sagt Schmidberger.

Die Wohnungspolitiker der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, Katalin Gennburg und Niklas Schenker, erinnerten am Mittwoch daran, dass das Bündnis eine Antwort auf den Volksentscheid »Deutsche Wohnen & Co enteignen« gewesen sei. Das im vergangenen Jahr ausgegebene Motto »Kooperation statt Konfrontation« mit den Wohnungsunternehmen sei aber der falsche Weg. »Statt mit den Fröschen über die Trockenlegung des Sumpfes zu verhandeln, muss der Senat jetzt den Volksentscheid ›Deutsche Wohnen und Co enteignen‹ umsetzen«, so die Linken.

Die ebenfalls im vergangenen Jahr noch unter Rot-Grün-Rot eingesetzte vorrangig juristische Expertenkommission kam zuletzt zu dem Fazit, dass eine Vergesellschaftung rechtlich möglich ist. CDU und SPD haben verabredet, ein »Vergesellschaftungsrahmengesetz« auf den Weg zu bringen. Die Vergesellschaftung sei auch gleich zu Beginn der Bündnissitzung Thema gewesen, hieß es am Mittwoch. »Das ist ein Punkt, der nicht zu Verlässlichkeit führt«, sagte der Regierende Bürgermeister. Er habe im Bündnis allerdings betont, dass die Ziele aus der Vereinbarung für ihn erst einmal »das Entscheidende« seien.

Eine der nun eingehaltenen Vereinbarungen ist die Einigung auf Leitlinien für möblierte Wohnungen. In einem Schreiben an die Bezirksbürgermeister, das »nd« vorliegt, informiert Bausenator Gaebler darüber, dass Möblierungszuschläge bei den Bündnispartnern nun gesondert im Mietvertrag ausgewiesen werden sollen. Auch Grundlagen zur Berechnung sind aufgeführt.

Möblierte Wohnungen machen mittlerweile einen großen Anteil am Mietwohnungsmarkt aus. Durch Intransparenz bei den Angaben, wie hoch jeweils Nettokaltmiete und Möblierungszuschlag sind, wird nicht selten die Mietpreisbremse umgegangen. Dennoch bleibt es bei einer freiwilligen Vereinbarung: Die gesonderte Ausweisung des Möblierungszuschlags ist »nicht gesetzlich geregelt«, wie es in den Leitlinien heißt.

Marcel Eupen vom Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbund begrüßt die Regelungen. Er hofft, dass sich auch die vorgesehene Berechnungsmethode durchsetzt »und damit für mehr Rechtssicherheit sorgen wird«. Gleichzeitig weist auch Eupen darauf hin, dass die Leitlinien nicht gesetzlich verbindlich sind und es dringend eine Gesetzesänderung auf Bundesebene brauche.

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