• Politik
  • Griechenlands politische Klasse

Ein Familienclan an der Macht

Der konservative Premier Kyriakos Mitsotakis ist ein typischer Spross der griechischen Eliten

  • John Malamatinas, Thessaloniki
  • Lesedauer: 3 Min.

Griechenlands alter und neuer Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, der in Harvard und Stanford studiert hat, um dann durch die Privatwirtschaft zu tingeln, ist alles andere als ein Self-made-Politiker. Allen voran ist er der jüngste Erbe einer Familiendynastie und sogar Nachfahre von Eleftherios Venizelos, der die griechische Republik gründete. Der Urgroßvater des Clans, Konstantinos Mitsotakis, war engster Berater von Venizelos und heiratete dessen Schwester Katigo. Sein Enkelsohn Konstantinos, nach griechischer Tradition nach dem Großvater benannt, dominierte über Jahrzehnte die Politik der Nachkriegszeit und war von 1990 bis 1993 selbst Regierungschef.

Im Juni hat Kyriakos Mitsotakis mit seiner rechtskonservativen Partei Nea Dimokratia (ND) die griechischen Parlamentswahlen haushoch gewonnen. Nur die deutliche Überlegenheit überraschte: Mit 40 Prozent der Stimmen erreichte ND dank 50 Bonus-Sitzen für die stärkste Partei die absolute Mehrheit. Die Linkspartei Syriza von Alexis Tsipras hingegen stürzte auf 20 Prozent ab. Tsipras hat wenige Tage nach der Wahl seinen Rücktritt vom Amt des Parteivorsitzenden eingereicht.

Der Mitsotakis-Clan hat neben dem Karamanlis-Clan, der ebenfalls zwei Ministerpräsidenten hervorbrachte, die Politik der ND stark geprägt. Überhaupt ist in Griechenland Politik weithin eine Familienangelegenheit: Mitsotakis’ ältere Schwester Dora Bakoyanni war Außenministerin und sein Cousin Kostas Bakogiannis ist der Bürgermeister von Athen. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch auf der sozialdemokratischen Seite, wo die Papandreou-Familie lange das Sagen hatte und die ebenfalls zwei Ministerpräsidenten stellte.

Mitsotakis war mit dem Versprechen angetreten, die griechische Politik und Wirtschaft zu modernisieren. Während seiner bisherigen Amtszeit wurde Mitsotakis für seine proeuropäische und technokratische Führung, die Bewältigung der Covid-19-Pandemie und die digitale Modernisierung der griechischen Verwaltung gelobt. Der »Economist« kürte Griechenland zur am schnellsten wachsenden Wirtschaft im Jahr 2022, da das Land Darlehen in Höhe von 2,7 Milliarden Euro an die Länder der Eurozone zurückzahlen konnte und »somit das dunkle Kapitel der griechischen Finanzkrise abgeschlossen hat«.

Kritisiert wird Mitsotakis für die zunehmende Korruption, die Verschlechterung der Pressefreiheit und zahlreiche Skandale. Deren Gipfel war das »griechische Watergate«, ein Telefonabhörskandal, der Oppositionspolitiker und Journalisten betraf. Im März 2023 erschütterte das Eisenbahnunglück von Tempe, dem 57 junge Menschen zum Opfer fielen, das Land. Es offenbarte eine marode Infrastruktur und den negativen Effekt von Privatisierungen. Für harte Debatten sorgt die Art und Weise, wie die griechische Regierung mit der Migrationskrise umgegangen ist. Diese Politik manifestierte sich in zahlreichen illegalen Pushbacks seitens der griechischen Küstenwache und wird auch für das verheerende Schiffsunglück am 14. Juni vor Pylos im Ionischen Meer verantwortlich gemacht, bei dem Hunderte Geflüchtete zu Tode kamen.

In seinem aktuellen Buch »Eine Karriere, der politische Weg von Kyriakos Mitsotakis« beschreibt der bekannte Journalist Dimitris Psarras, dass der Fall Mitsotakis keineswegs der eines Mannes ist, der eine erfolgreiche akademische Karriere und eine Karriere in der Privatwirtschaft für die Politik aufgegeben hat, wie dieser selbst behauptet. Im Gegenteil sei die Aussicht auf eine politische Karriere von Anfang an gegeben gewesen. »Sie wurde lediglich aus dem einfachen Grund aufgeschoben, dass er warten musste, weil er viel jünger als seine Schwester ist«, erläuterte Psarras gegenüber dem Magazin »Fragile«.

Mit seiner Öffnung zur extremen Rechten bewegt sich Kyriakos Mitsotakis in den Fußspuren seines Vaters. Konstantinos Mitsotakis Senior hatte ein neoliberales Profil, war aber auch vom Ultranationalismus und Königtum fasziniert. Der aktuelle Regierungschef gilt als Vertreter eines »griechischen Orbanismus«, angelehnt an die autoritären Konzepte Viktor Orbáns in Ungarn. Ein Ende des politischen Einflusses des Clans ist nicht in Sicht: Drei Kinder von Kyriakos Mitsotakis wurden an teuren Unis entsprechend vorbereitet. Der einzige Sohn heißt natürlich Konstantinos und ist Mitarbeiter des spanischen Europaabgeordneten Esteban Gonzales Pons. In Athen stehen ihm alle Türen offen.

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