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Hauptsache, nicht München
Erstmals seit 16 Jahren: Wohnungsverband BBU meldet Rückgang bei Investitionen
Wasserstandsberichte des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) kommen nicht ohne diesen Vergleich aus. Es wird zunächst die Durchschnittsmiete bei den Mitgliedsunternehmen mit dem Mietspiegel verglichen. Das Ergebnis: Die BBU stehen gut da. Dann folgt der Vergleich mit Hamburg und München. Heißt: In Berlin steht man sehr gut da.
»Berlin ist im Vergleich zu Hamburg und München günstig«, tröstet BBU-Vorständin Maren Kern. 2022 lagen die BBU-Bestandsmieten im Schnitt bei 6,54 Euro pro Quadratmeter nettokalt. Im BBU sind landeseigene Wohnungsunternehmen und Genossenschaften vertreten, aber beispielsweise auch die Firma Vonovia und deren Tochter Deutsche Wohnen.
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Rund 40 Prozent der Berliner Mietwohnungen bewirtschaften die Mitgliedsunternehmen des BBU. Um zwei Prozent stiegen der Befragung der Mitgliedsunternehmen zufolge die Bestandsmieten bei diesen von 2021 auf 2022 an.
Zwei Prozent – das ist für Vonovia auch die Grenze, über die hinaus das Unternehmen die Miete bei Haushalten mit Wohnberechtigungsschein (WBS) dieses Jahr nicht erhöhen will. Dazu hat es sich im Rahmen des Wohnungsbündnisses mit dem Senat bekannt. Marcel Eupen vom Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV) hat Zweifel, dass der Branchenriese die Vereinbarung auch einhält: Bei allen vom AMV geprüften Mieterhöhungsverlangen von März bis Juni habe man festgestellt, dass auf diese Verabredung nicht hingewiesen werde.
»Zumindest in den von uns bearbeiteten Fällen wird damit auf eklatante Weise gegen das Mietenbündnis verstoßen«, sagt Eupen. Zuerst hatte die »Berliner Zeitung« berichtet. Mit der Veröffentlichung des neuen Mietspiegels hatte Vonovia Mieterhöhungen für zehntausende Wohnungen angekündigt. Die Selbstverpflichtungen des Bündnisses sind für Mieter nicht einklagbar. Auch wurden im Bündnis keine Sanktionen im Fall von Verstößen verabredet.
Eupen fordert, dass Vonovia und Deutsche Wohnen Mieterhöhungen korrigieren und »zu viel kassierte Mieten« zurückzahlen. »Vor allem aber müssen die Unternehmen aufklären, in wie vielen Fällen sie gegen die Vereinbarung aus dem Berliner Mietenbündnis verstoßen haben.«
Nichtsdestotrotz ist die Botschaft der BBU klar. Die Mieterhöhungen bei den Mitgliedsunternehmen liegen deutlich unter den Preissteigerungen, die die Wohnungswirtschaft andernorts erhoben hat. Instandhaltung, Digitalisierung, Klimaschutz und noch vieles mehr: »Das alles muss von Mietzahlungen bezahlt werden«, sagt Maren Kern.
Angesichts der Baupreissteigerung und Zinsentwicklung investieren Wohnungsunternehmen weniger. Erstmals seit 16 Jahren sanken dem Verband zufolge von 2021 auf 2022 die Gesamtinvestitionen bei den BBU-Mitgliedsunternehmen. Das betrifft den Neubau, aber auch Investitionen in die Modernisierung des Bestands. Bereinigt um die Baupreissteigerung vermelden die BBU einen Investitionsrückgang von über 20 Prozent bei ihren Mitgliedern.
Man wünscht sich wie eh und je mehr Förderung und schnellere Genehmigungsverfahren. Bei letzteren mache sie sich Hoffnungen, dass das verabredete Schneller-Bauen-Gesetz wirklich etwas bewirke, sagt Kern. Nicht zuletzt hofft die Wohnungswirtschaft sowohl beim neuen Senat als auch bei der Bundesregierung auf Verlässlichkeit. Im Bund hatten zuerst die Einstellung einer Förderschiene der Kreditanstalt für Wiederaufbau 2022 und zuletzt die Debatte über das Gebäudeenergiegesetz für Aufregung gesorgt. In Berlin schaue man besorgt auf das angekündigte Vergesellschaftungsrahmengesetz.
»Private Unternehmen haben jahrelang von dem Boom am Immobilienmarkt profitiert«, sagt Niklas Schenker, Wohnungspolitiker der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Der Vergleich mit Münchener Mieten bei gleichzeitigem Fingerzeig auf den Rückgang der Investitionen: Schenker befürchtet, dass der BBU dafür trommelt, dass Mieter für kommende Investitionen in den Bestand zur Kasse gebeten werden. Die Unternehmen müssten an der Bewältigung der anstehenden Aufgaben beteiligt werden. »Das gescheiterte Wohnungsbündnis zeigt, dass dies auf freiwilliger Basis nicht umsetzbar ist.« Deshalb fordere man die Vergesellschaftung und eine scharfe Regulierung.
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