Arbeitskampf bei Edeka: Der Nicht-ganz-so-super-Markt

In einer Berliner Filiale der Supermarkt-Kette fordern studentische Aushilfen, nach Tarif bezahlt zu werden

Bis wohin reicht der Tarif? Eine Edeka-Filiale in Berlin (Symbolbild)
Bis wohin reicht der Tarif? Eine Edeka-Filiale in Berlin (Symbolbild)

»Gleiche Arbeit sollte auch gleich vergütet werden, aber ich sehe hier nur eine krasse Ungleichbehandlung«, sagt Nicolas Becker zu »nd«. Seit bald einem Jahr arbeitet der Student in einer Berliner Edeka-Filiale, um sich nebenher etwas dazuzuverdienen. Doch die anfängliche Freude über seinen Job ist längst verflogen, er fühlt sich von seinem Arbeitgeber hintergangen. »Gerade Edeka sollte eigentlich genug Geld haben, um sich an den Tarifvertrag zu halten«, kritisiert Becker. Aus Angst vor negativen Konsequenzen will er, wie auch die anderen Mitarbeiter*innen im Text, seinen echten Namen nicht in der Zeitung lesen.

Als studentische Hilfskraft verdient Becker 12 Euro die Stunde, Zuschläge für Spät- und Nachtschichten erhält er nicht. Genau die aber, sagt er, würden ihm laut Manteltarifvertrag für den Berliner Einzelhandel zustehen – genauso wie ein Grundgehalt von 13,50 Euro. »Schon beim Unterschreiben habe ich gesehen, dass es wahrscheinlich zu wenig ist«, sagt Becker, der sich schon seit 2015 mit Nebenjobs im Einzelhandel durchschlägt. »Ich bin dann erst einmal zum Betriebsrat gegangen. Da hat man mir empfohlen, mich an Verdi zu wenden.« Kurz darauf stellt der Student seinen Mitgliedsantrag.

Nach Rücksprache mit der Gewerkschaft sieht sich Becker bestätigt und tauscht sich mit anderen Student*innen in der Filiale aus. Eine von ihnen ist Clara Probst. »Am Anfang war ich mit der Arbeit ganz zufrieden«, sagt sie zu »nd«. Anders als Becker hat die Studentin einen Vertrag als Minijobberin unterschrieben. Erste Zweifel kommen, als ihr Edeka die Bitte nach mehr Stunden ausschlägt, mit denen sie die für Minijobber*innen zulässige 520-Euro-Grenze erreicht hätte. »Das fand ich merkwürdig, aber habe es eben so hingenommen. Ich wollte diesen Job, egal wie wenig er abwirft.«

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Als Minijobberin bekommt Probst die 13,50 Euro Grundgehalt, die auch Becker gerne hätte. Zuschläge für Nacht und Spätarbeit werden aber auch ihr vorenthalten. »Ich finde es einfach unfair, dass wir keine Zuschläge für die Nacht- und Spätarbeit bekommen so wie die Festangestellten«, sagt Probst. Es ist ein halbes Dutzend Student*innen, das in der Edeka-Filiale schließlich zusammenfindet. In Abstimmung mit Verdi formulieren einige von ihnen, darunter Becker und Probst, Briefe an den Arbeitgeber, in denen sie ihre Bezahlung nach Tarifvertrag einfordern.

Die Antworten fallen unterschiedlich aus. Beckers Forderungen nach höherem Gehalt und Zuschlägen als studentische Hilfskraft werden allesamt zurückgewiesen. Sein Anstellungsvertrag, so die Begründung Edekas, enthalte keinen Verweis auf Tarifverträge. »Den braucht es laut Verdi aber auch nicht. Gültig soll er trotzdem sein«, kommentiert Becker. Das sei ihm auch durch den Betriebsrat versichert worden, der außerdem von einem Fehler bei der Einstufung gesprochen habe. »Der Brief von der Geschäftsführung fühlt sich jetzt wie ein Rückschritt an.« Becker will nun herausfinden, was wirklich gilt.

Eingeständnisse macht Edeka dafür den Minijobber*innen, die sich per Brief an das Unternehmen gewandt haben. Ihnen sollen künftig mit dreimonatiger Rückwirkung die Spät- und Nachtzuschläge gewährt werden. Andere Wünsche, bei denen sich die Studierenden ebenfalls auf den Tarifvertrag beziehen, bleiben unerfüllt. Dazu zählt unter anderem die Forderung, Minijobber*innen nach drei Monaten der auf ein Jahr befristeten Anstellung in ein ständiges Arbeitsverhältnis zu überführen.

Den Minijobber Max Riedl stellt das nicht zufrieden. Schon mehrere Monate vor der Briefaktion hatte er versucht, die Zuschläge von 20 Prozent für Spät- und 50 Prozent für Nachtarbeit bei Edeka einzufordern. »Am Telefon wurde mir gesagt, dass ich als Aushilfe kein Recht habe, das zu beanspruchen«, sagt er zu »nd«. Nach seiner Anfrage seien ihm dann plötzlich keine Nachtdienste mehr zugeteilt worden, obwohl diese sich eigentlich am besten mit seinen Zeiten an der Universität vereinbaren ließen. Von den jetzt im Nachhinein gewährten Zuschlägen hat der Student dementsprechend wenig. Er ist sich sicher: »Das hat Edeka bewusst gemacht, weil ich in der Filiale für Verdi geworben habe.«

Trotz der »Schikane«, sagt Riedl, habe er nicht gekündigt. Er sieht das Vorenthalten der Spät- und Nachtschichten als Beweis dafür, dass die Bezahlung nach Tarif nicht versehentlich, sondern mit Absicht nicht erfolgt. Am Ende, erklärt Riedl, könne das einen wichtigen Unterschied machen: Laut Rahmentarifvertrag sei es dann möglich, weitere Monate rückwirkend geltend zu machen. »Ich sollte die Zuschläge ab dem Monat meiner ersten Beschwerde bekommen.«

Auf die Bitte von »nd«, zu den Forderungen nach Tarifbezahlung Stellung zu beziehen, äußert sich Edeka zurückhaltend: Grundsätzlich könne das Unternehmen keine Aussagen zu Details von arbeitsvertraglichen und arbeitsrechtlichen Vorgängen im Unternehmensverbund tätigen. »Als tarifgebundenes Unternehmen arbeiten wir in unterschiedlichen Bereichen auch mit Aushilfen«, heißt es weiter. »Dabei gibt es selbstverständlich auch bei uns einen Unterschied in der Bezahlung unserer ausgebildeten Fachkräfte und unserer Aushilfen.« Mit befristeten Verträgen bei Aushilfen zu arbeiten, sei zudem üblich. Verdis Landesbezirk für Berlin und Brandenburg verweist nach nd-Anfrage auf Zeitmangel im eigenen Haus.

Für die Student*innen soll sich die Sache damit aber noch nicht erledigt haben. Schließlich habe Edeka bisher nur jenen Minijobber*innen die Zuschläge genehmigt, die sich auch aktiv beschwert hätten. Dass Aushilfen anders entlohnt werden als Fachangestellte, ist Becker zufolge klar. Die allermeisten Kolleg*innen würden ihre Forderungen aber für angemessen halten: »Sie sind auch der Meinung, dass wir anständig bezahlt werden sollten.«

Im Laufe seiner Zeit bei Edeka habe er zudem festgestellt, dass der Druck steige. Immer weniger Personal sei für immer mehr Aufgaben zuständig. »Als Studi muss man nicht unbedingt im Einzelhandel arbeiten, es gibt auch andere Optionen. Edeka scheint das aber noch nicht verstanden zu haben.«

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