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Frauen-WM: Der lange Weg der Fußballerinnen zu den Sternen
Die Frauen spielen erst seit 1991 um den Titel – die Geschichte der Weltmeisterschaft
Nia Künzer nimmt es inzwischen pragmatisch. Die 43-Jährige hat zwei schulpflichtige Kinder und einen anspruchsvollen Job als Dezernatsleiterin für Flüchtlingsangelegenheiten in Gießen, weshalb der Aufenthalt bei der am Donnerstag beginnenden WM in Australien und Neuseeland einige Entbehrungen bedeutet hätte, vor allem für ihren Mann und ihre Mitarbeiter. Aber natürlich wäre die ehemalige Nationalspielerin gerne dabei gewesen, wenn ihre Nachfolgerinnen um den Titel spielen. Als ARD-Expertin kommentiert sie nun aus dem NDR-Studio aus Hamburg die deutschen Partien.
Ob’s nach 2003 und 2007 was wird mit der Mission zum dritten Stern? »Es ist ein Blick in die Glaskugel. Das Potenzial ist sicher vorhanden, aber es muss halt auch alles zusammenpassen.« Anspruch müsse sein, die Gruppe zu gewinnen. »Aber wenn in der K.-o.-Runde Brasilien käme, wäre das ein Gegner mit brutaler Qualität.« Warnende Worte einer Vorzeigesportlerin, die sich auch von vier Kreuzbandrissen nicht hat beirren lassen. Der vierte ereignete sich kurz nach ihrem größten Moment. Eingewechselt in der 88. Minute des WM-Finales 2003 zwischen Deutschland und Schweden, schraubte sie sich in der Verlängerung nach einem Freistoß von Renate Lingor so hoch wie vielleicht nie wieder: das 2:1, die Entscheidung per Golden Goal. An jenem 12. Oktober 2003 in Carson City veränderte sich ihr Leben. Neben Glamour kam Neid dazu, weil ihr einige Mitspielerinnen die Aufmerksamkeit nicht gönnten, wie Künzer in ihrem Buch »Warum Frauen den besseren Fußball spielen« verriet: »Da stimmte plötzlich die Chemie nicht mehr.«
Bis zu diesem ersten großen Erfolg war es für die deutschen Fußballerinnen ein schwerer Weg. 1989 wurden sie im eigenen Land zwar Europameisterinnen, zahlten dann aber bei der ersten Weltmeisterschaft 1991 in China noch Lehrgeld. So lange hatte die Fifa mit der Ausrichtung gewartet, während die Männer schon seit 1930 eine Endrunde spielten. Das erste deutsche Tor der WM-Geschichte schoss Silvia Neid beim 4:0 gegen Nigeria. Doch im Halbfinale kam bei 2:5 gegen die USA das Aus. »Die Amerikanerinnen haben uns da wirklich schwindlig gespielt«, erinnert sich Doris Fitschen. US-Star Mia Hamm erhielt in Guangzhou die erste Trophäe von Fifa-Präsident Joao Havelange.
Vier Jahre später stand die DFB-Auswahl im Finale, doch insgesamt war die WM 1995 in Schweden ein Rückschritt: Keine 5000 Fans kamen pro Spiel, beim deutschen Halbfinale gegen China waren es nur 3700. Martina Voss-Tecklenburg – die derzeitige Bundestrainerin – musste im mit 0:2 verlorenen Finale gegen Norwegen bei strömendem Regen wegen einer Schulterverletzung vom Platz getragen werden – ein Sinnbild eines Turniers, das noch nicht zum Durchbruch taugte.
Das war erst die WM 1999 in den USA. Die mit mehr als 90 000 Fans vollbesetzte Rose Bowl in Pasadena beim Finale zwischen dem Gastgeber und China war das eine Bild, das haften blieb. Die jubelnde Brandi Chastain lieferte das andere: Die US-Nationalspielerin erzielte im Elfmeterschießen das entscheidende Tor und riss sich danach ihr Trikot vom Leib, sodass sie nur noch einen schwarzen Sport-BH trug. Im amerikanischen Selbstverständnis aus Show und Sport war ihr Konterfei das i-Tüpfelchen auf einem Turnier der Superlative, zu dem erstmals mehr als eine Million Zuschauer kamen – und bei dem 40 Millionen US-Amerikaner beim Endspiel am Fernseher saßen. So waren auch die Weltmeisterschaften der Frauen massentauglich geworden. Was auch die deutschen Spielerinnen beim Empfang auf dem Frankfurter Römer registrierten, als sie 2007 in China den Titel verteidigt hatten. DFB-Präsident Theo Zwanziger hatte dafür gesorgt, dass es für den 2:0-Sieg im Finale gegen Brasilien in Shanghai 50 000 Euro gab, für jede. Vier Jahre zuvor hatten DFB und Sporthilfe »nur« 15 000 Euro ausgeschüttet.
Bei der Heim-WM 2011 verbuchte der Fußball der Frauen in Deutschland zwar eine Aufmerksamkeit und Einschaltquoten wie nie zuvor, aber letztlich zerbrachen die Hauptdarstellerinnen am Druck und Rummel. Bei der damaligen Managerin Fitschen klingt viel Selbstkritik durch. »Insgesamt wollten wir einfach zu viel. Natürlich Weltmeisterinnen werden, den Frauenfußball auf die nächste Stufe bringen, das Sommermärchen wiederholen: Das alles unter einen Hut zu bringen, war ein schwieriger Spagat, an dem wir teilweise gescheitert sind.«
Nachhaltiger war das, was die USA und Japan entwickelt hatten, denn vier Jahre später begegneten sich beide bei der WM 2015 in einem erneut spektakulären Endspiel wieder, mit vertauschten Rollen. In Vancouver nahmen die US-Girls Revanche für die Schlappe im Elfmeterschießen vier Jahre zuvor in Frankfurt am Main. Vielen Spielerinnen ist dieses Turnier in Kanada gleichwohl in ganz schlechter Erinnerung, weil ausschließlich auf Kunstrasen gespielt wurde. Kein Zeichen der Wertschätzung. Die gab es aber bei der WM 2019 in Frankreich, wo vor allem die Finalspiele in Lyon zu einem echten Happening gerieten. Erstmals schaute am Fernseher weltweit mehr als eine Milliarde Menschen zu.
Die Heldenrolle gehörte Megan Rapinoe. Die US-Ikone war nicht nur beste Spielerin beim Rekordweltmeister, sondern auch allerbeste Botschafterin. Eine Kämpferin mit rosafarbenen Haaren und klarer Haltung. Wie sie sich mit dem US-Präsidenten Donald Trump anlegte, gegen Rassismus und Diskriminierung vorging und für Gleichberechtigung und Anerkennung eintrat, überstrahlte alles.
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