- Politik
- Präsidentschaftswahlen im Senegal
Im Senegal lichtet sich das Feld
Regierungspartei nach Rückzug von Macky Sall auf Kandidatensuche
Das Rennen für die Präsidentschaftswahlen im Senegal ist offener denn je. Weder ist klar, wer alles für die Opposition ins Rennen geht, noch wer 2024 für Senegals Regierungsallianz BBY (Benno Bokk Yakaar – In Hoffnung vereint) kandidiert. Seinen Ring in den Hut geworfen hat Ousmane Sonko. Er wurde vergangene Woche »einstimmig zum Kandidaten der Pastef-Patrioten für die Präsidentschaftswahlen am 25. Februar 2024 gewählt«, teilte die Partei in einer Erklärung gegenüber AFP mit. Der Schönheitsfehler: Am 1. Juni wurde Sonko nach einem umstrittenen Prozess wegen sexuellen Missbrauchs einer Mitarbeiterin eines Schönheitssalons zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt. Nach Ansicht von Rechtsexperten und selbst Sonkos Anwälten ist mit der Verurteilung eine Kandidatur für ihn ausgeschlossen, was die Pastef-Patrioten bei seiner Ernennung beiseitewischten.
Sall verzichtet auf illegale Kandidatur
Sollte Sonko im Februar 2024 wirklich zur Wahl stehen, wird er auf seinen größten politischen Gegner der vergangenen Jahre nicht treffen: Macky Sall. Mehr als ein Jahr lang hatte der senegalesische Präsident mit einer möglichen dritten Kandidatur geliebäugelt, was das Land in Ungewissheit und große Spannungen stürzte. Während Salls Lager argumentierte, dass die Verfassungsänderung von 2016 »den Zähler auf null zurückgesetzt« habe und ihr Führer bei den Präsidentschaftswahlen im Februar 2024 erneut kandidieren könne, wiesen seine Gegner darauf hin, dass die Verfassung die Zahl der Amtszeiten auf zwei begrenze, was eine dritte Kandidatur illegal mache.
»Ich hätte gedacht, dass Sall eine dritte Amtszeit in Angriff nimmt. Entsprechend überrascht war ich über seinen Verzicht«, sagt der senegalesische TV-Journalist Coumba Ndoffène. Der Verzicht auf eine erneute Kandidatur von Staatspräsident Macky Sall bei der im Februar 2024 anstehenden Präsidentschaftswahl hat im Senegal viele Menschen überrascht. Dass »diese Entscheidung für alle, die mit mir befreundet sind, eine Überraschung sein wird«, wisse auch er, erklärte Sall. »Senegal ist größer als meine Person, und es ist voller Leader, die genauso fähig sind, das Land voranzubringen.« Diese deutlichen Worte überraschen. Denn Sall hatte monatelang geschwiegen zu seinen weiteren Ambitionen in der senegalesischen Politik, was großen Unmut in der Bevölkerung und tödliche Proteste zur Folge hatte. »Für mich hat er die richtige Entscheidung getroffen, andernfalls wäre vermutlich mit noch mehr Unruhe und Chaos zu rechnen gewesen«, so Ndoffène.
Sall, der seit 2012 den Sahel-Staat führt, ließ die senegalesische Verfassung im Jahr 2016 ändern – mit Stimmen seiner Koalition sowie von BBY, der stärksten Kraft in der Nationalversammlung in Dakar. Ziel der Verfassungsreform war die Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten auf zwei Wahlperioden. Doch im Juni dieses Jahres sorgte Sall erneut für Irritationen, als er erklärte, der Verfassungsrat des knapp 17-Millionen-Einwohner-Landes werde seine Kandidatur zulassen. Das heizte Spekulationen über eine dritte Amtszeit weiter an.
Sall wurde 2019 wiedergewählt, bei der nun formal ersten Wahl nach der Verfassungsreform von 2016. Damit ließ er die Frage seiner möglichen Kandidatur für 2024 bewusst offen. Für seine Anhänger war hingegen klar, dass seine erste Amtszeit ab 2012 unter der alten Verfassung nicht angerechnet werden sollte. Das sah das oberste Verfassungsorgan Senegals offensichtlich auch so. Somit hätte Macky Sall kandieren dürfen.
Sall, der bis Anfang dieses Jahres auch Präsident der Afrikanischen Union war, erklärte nun, er stehe zu seinem Wort, nicht für eine dritte Amtszeit zu kandidieren – obwohl die Verfassungsreform von 2016 ihm das Recht dazu gebe. »Ich habe einen Ehrenkodex und einen Sinn für historische Verantwortung, und diese weisen mich an, meine Würde und mein Wort zu wahren«, erklärte der Staatschef, der auch immer wieder für seine Klientelpolitik und Leuchtturmprojekte in der Kritik stand.
Sall gibt dem Druck der Straße nach
Tatsächlich erklärt sich Salls Einlenken, sich nicht wieder als Spitzenkandidat für die kommenden Präsidentschaftswahlen aufstellen zu lassen, nicht aus »politischer Klugheit«, »Verantwortung« oder »Weitsicht«, wie manche Beobachter schreiben, sondern ist auf den großen Druck der Straße und der internationalen Gemeinschaft zurückzuführen. Bei Letzterer genießt Sall ein hohes Ansehen. UN-Generalsekretär António Guterres etwa sprach nach der Botschaft Salls von einem »sehr wichtigen Beispiel für die Welt«.
Letztlich musste sich der mächtigste Mann Senegals dem beugen, was die Opposition um Salls Hauptrivalen Ousmane Sonko und andere seit Monaten säten: Widerstand gegen Sall und seine mögliche dritte Amtszeit. »Sall hatte also vermutlich vor zu kandidieren, stellt aber nun fest, dass der Gegenwind stark ist«, erklärt Professorin Anja Osei vom Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der FU Berlin. »Es war somit auch ein Test dafür, wie populär er ist bzw. wie viel Opposition zu erwarten ist.« Immerhin sei die Tatsache, dass Sall dem Druck der Straße nachgibt und nicht kandidiert, ein Indikator dafür, dass er nicht machen könne, was er möchte. Vielmehr existierten durchaus noch gesellschaftliche »checks and balances«, analysiert die Wissenschaftlerin. Ähnlich sieht es auch Journalist Ndoffène: »Unsere Demokratie lebt noch.«
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