10 Jahre Dyke* March Berlin: Die Zukunft ist lesbisch

Der Dyke* March feiert zehnjähriges Jubiläum, Mitbegründerin Manuela Kay erzählt von wachsendem Erfolg und neuen Erwartungen

  • Nora Noll
  • Lesedauer: 5 Min.
Lesbische Sichtbarkeit, und zwar für alle, die sich als lesbisch verstehen – darum geht es dem Dyke* March seit Beginn vor zehn Jahren.
Lesbische Sichtbarkeit, und zwar für alle, die sich als lesbisch verstehen – darum geht es dem Dyke* March seit Beginn vor zehn Jahren.

Der Dyke* March läuft am Freitag zum zehnten Mal, ihr feiert Jubiläum. Was hat sich seit 2013 verändert?

Offensichtlich die Größe, es sind viel viel mehr Menschen dabei. Wir haben vor 10 Jahren angefangen mit 1500 Teilnehmer*innen. Das war ein totaler Erfolg beim ersten Mal, womit wir gar nicht gerechnet hatten. Jetzt sind wir bei über 5000, wahrscheinlich sind es im Gesamten sogar 10 000, die aber nicht die ganze Strecke mitlaufen.
Das andere, was sich verändert hat, ist die Erwartungshaltung. In den ersten Jahren war es einfach pure Freude, dass es den Dyke* March gibt. Jetzt kommt vom Publikum die Erwartung, wir sollen der bessere, politischere CSD sein. Klar, die Leute freuen sich, dass der Dyke* March klein, überschaubar und kommerzfrei ist, aber wir können und wollen das gar nicht leisten: zu erfüllen, was der CSD nicht erfüllt.

Wie äußern sich diese wachsenden Ansprüche?

Es gibt Forderungen an die Organisation: Ihr müsst dafür sorgen, dass alle safe sind. Natürlich haben wir Ordner*innen und achten auf die Sicherheit. Aber der Wunsch nach einem »safe space« wird immer lauter. Ich finde den total absurd bei einer öffentlichen Veranstaltung. Auf der Straße gibt es keinen »safe space«. Daraus spricht so eine Konsumhaltung: Macht es so, dass wir es geil finden. Wir sind aber nicht dafür verantwortlich, wer zum Dyke* March kommt.

Interview
manuela kay Foto: Tanja Schnitzlerhonorarfrei

Manuela Kay hat den Dyke* March 2013 mitbegründet. Neben ihrem ehrenamtlichen Engagement arbeitet Kay als Journalistin, Autorin und Filmemacherin. Seit 2007 ist sie Mitorganisatorin und Kuratorin des Porn-Film-Festivals Berlin. Außerdem ist sie Verlegerin der zwei queeren Magazine »L-Mag« und »Siegessäule«. Die gebürtige Berlinerin gehört zu der engagierten lesbischen Szene Berlins.

Dennoch wollt ihr wahrscheinlich keine transfeindlichen Menschen auf eurer Demo haben, oder?

Natürlich, Transfeindlichkeit und auch ganz viel anderes ist nicht erwünscht. Und das sagen wir ganz klar. Aber wir leben nicht in einem System, wo man Menschen verbieten kann, mit auf die Straße zu gehen. Leute aus der linken wie aus der transfeindlichen Ecke scheinen vergessen zu haben, dass wir in einer freien Demokratie leben. Wenn ich dann höre, dass Leute fragen, ob Menschen erlaubt sind, oder ob Menschen von der Demo entfernt werden ...

Anscheinend erwarten diejenigen eine klare politische Positionierung von euch.

Unsere Position war von Anfang an ganz klar, wir müssen uns nicht jedes Mal neu positionieren, nur weil irgendwelche Newcomer nicht ihre Hausaufgaben machen. Wir waren von Anfang an für trans Menschen offen, für alle, die sich zur lesbischen Community zählen und diese unterstützen wollen. Es waren schon immer auch homosexuelle und hetero Männer dabei, Allys, Bisexuelle – alle sind willkommen, solange die Mehrheit den lesbischen Vibe bestimmt. Wir haben ja nur einen kleinsten gemeinsamen Nenner, das ist lesbische Sichtbarkeit, und das darf auch einmal für drei Stunden Hauptthema sein.

Eure Leitsprüche haben dennoch politischen Charakter. Letztes Jahr hieß es zum Beispiel »All Dykes* are beautiful« – habt ihr euch damit zu einem abolitionistischen oder zumindest polizeikritischen Diskurs bekannt?

Wenn du eine Demo machst, musst du eng mit der Polizei zusammenarbeiten, das hat auch immer gut geklappt. Aber der Dyke* March ist generell ein Ausdruck dafür, dass wir als Lesben mit einer anderen Brille auf die Welt blicken, eben auch auf Polizei und Machtstrukturen.
Wenn wir auf die Anfänge des Pride oder CSD schauen, dann war der Stonewall Riot ganz klar ein Kampf gegen die Polizei. Und so etwas kann immer wiederkommen, unter einer anderen Regierung müsste dann auch die Polizei queerfeindliche Politik umsetzen.

Und der aktuelle Slogan »The Future is Dyke*«, transportiert der bestimmte Forderungen?

Wir haben nie Forderungen. Also ich und wir im Team persönlich haben natürlich viele Forderungen, an Politik, an Institutionen, an andere Lesben. Aber es wäre sinnlos, einen Forderungskatalog auf Demos vorzulesen, das verpufft sofort.
Aber natürlich beziehen wir uns mit dem Slogan auf Zukunftsfragen, die sich angesichts der Klimazerstörung auch für uns stellen. Das soll mit einem Augenzwinkern sein, weil es ja immer heißt, Lesben sind so knochentrocken und humorlos. Und neben den berechtigten Zukunftsängsten wollen wir eben zeigen: Eine Zukunft ohne Lesben wäre keine gute Zukunft.

Du meintest, der Erfolg des Dyke* March wächst mit jedem Jahr. Hat das auch damit zu tun, dass sich Menschen nicht in den aufgeladenen Konflikt antideutsch versus antiimperialistisch begeben wollen, der einen Graben zwischen dem CSD und der Internationalistischen Queer Pride zieht?

Und der letzte Ausweg ist dann der Dyke* March? Keine Ahnung. Ich höre immer, dass wir der beste Pride March sind, aber ich gehe zu allen Veranstaltungen. Wir möchten da keine Konkurrenz. Und den CSD lass ich mir doch nicht von der Deutschen Bank oder Lufthansa wegnehmen. Natürlich ist das ein bisschen sportlich, weil wir ja am Freitagabend noch unsere Afterparty haben. Aber es ist ja auch unser Weihnachten oder Silvester, da kann man das schon mal machen.

Und die Vorbereitungen?

Sind abgeschlossen. Wir hoffen, dass es dieses Jahr noch schöner wird. Wir haben zwei Lautsprecherwagen statt einem und zum ersten Mal einen Rundlauf: Wir starten am Festsaal Kreuzberg und enden dort wieder. Dort gibt es einen Biergarten – wenn Leute also gar nicht mitlaufen können oder wollen, können sie zumindest am Anfang oder am Ende dabei sein. Aber der Sinn ist natürlich schon, die ganze Strecke zu laufen. Wenn wir lesbische Sichtbarkeit auf die Straße tragen wollen, reichen nicht hundert Meter.

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