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Corona-Impfschäden: Vor der Gutachterschlacht
Vor Gericht: Hohe Hürden für die Anerkennung von Corona-Impfschäden
In diesem Sommer wurden die ersten Gerichtsverfahren gegen Hersteller eröffnet, in denen Schadensersatz in Zusammenhang mit Corona-Impfungen verlangt wird. Unter anderem klagte in Mainz eine Zahnärztin gegen AstraZeneca. Nach ihrer Impfung im März 2021 habe sie einen kompletten Hörverlust erlitten, sagte die Frau aus. Sie klagte nun auf ein Schmerzensgeld nicht unter der Summe von 150 000 Euro. Der Rechtsbeistand des Unternehmens forderte die Abweisung der Klage. Eine außergerichtliche Einigung war zuvor nicht zustande gekommen. Am 21. August wird das Landgericht entweder eine Entscheidung verkünden oder, ob zuvor noch weitere Gutachten erforderlich sind.
Die Anwälte der Frau verwiesen unter anderem auf die Situation im Frühjahr 2021, als AstraZeneca-Impfungen vorübergehend ausgesetzt worden waren – wegen seltener Fälle von Hirnvenenthrombosen (Blutgerinnseln). Unter anderem die europäische Arzneimittelbehörde EMA nahm die Fälle unter die Lupe, mit dem Ergebnis, dass der Nutzen der Impfung eindeutig das Risiko überwiege.
Zuvor hatte das Landgericht Hof in Bayern im Januar die Klage einer Frau ebenfalls gegen AstraZeneca abgewiesen. Diese hatte nach starken gesundheitlichen Beschwerden, die sie auf eine Impfung mit dem Covid-19-Impfstoff zurückführt, die Firma auf Schmerzensgeld und Schadenersatz verklagt. Das Gericht hatte seine Entscheidung damit begründet, dass weder ein Produktfehler noch ein Informationsfehler im Zusammenhang mit dem Impfstoff festgestellt werden konnte. Das Risiko einer Thrombose sei bei den damals erreichten fünf Millionen Anwendungen des Impfstoffs und 30 Fällen solcher Nebenwirkungen gegenüber dem nicht geimpften Teil der Bevölkerung nicht erhöht gewesen. Daher hätte AstraZeneca einen entsprechenden Hinweis auf ein erhöhtes Thromboserisiko auch nicht geben müssen. Mit der Berufung gegen die Entscheidung befasste sich nun das Oberlandesgericht Bamberg.
Ebenfalls wegen eines mutmaßlichen Impfschadens begannen Anfang Juli die Verhandlungen vor dem Landgericht Rottweil über eine Schadensersatzklage gegen den Hersteller Biontech. Ein Mann aus dem Kreis Tuttlingen wirft dem Unternehmen vor, seit und infolge der Impfung unter massiver Verschlechterung der Sehkraft auf dem rechten Auge zu leiden. Der 58-Jährige verlangt 150 000 Euro Schmerzensgeld sowie zusätzlich materiellen Schadensersatz. Biontech hatte vorab erklären lassen, dass die Beeinträchtigungen des Klägers sorgfältig geprüft worden seien. Das Unternehmen verwies unter anderem auf 1,5 Milliarden Menschen weltweit und mehr als 64 Millionen Menschen in Deutschland, die den Impfstoff erhalten hatten – und die gleichzeitig sehr geringe Zahl von möglichen Nebenwirkungen.
Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es überhaupt für Menschen, die vermuten, schwere Nebenwirkungen durch eine Corona-Schutzimpfung erlitten zu haben? Das Infektionsschutzgesetz deckt die Folgen von Impfungen ab, also Impfschäden. Dabei geht es nicht um eine Entschädigung im eigentlichen Sinne, also Schadensersatz oder Schmerzensgeld. Stattdessen ist eine »Versorgung« im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes vorgesehen, darunter sind die Kosten für eine Heilbehandlung zu verstehen, auch Beschädigtenrente, ein besonderes Krankengeld, Bestattungsgeld oder auch eine Hinterbliebenenrente.
Die Leistungen werden auf Antrag gewährt, und viele dieser Anträge wurden bislang abgelehnt. Gestellt werden sie bei der zuständigen Behörde des jeweiligen Bundeslandes. In Nordrhein-Westfalen sind das zum Beispiel die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland. Ende Juni waren hier 66 Anträge in Zusammenhang mit einer Corona-Impfung anerkannt worden und 254 Anträge abgelehnt. Die Anerkennungsquote lag mit 21 Prozent höher als im Bundesdurchschnitt. Zugleich waren noch 1054 Anträge in Bearbeitung. Der Landschaftsverband Rheinland erklärte in diesem Zusammenhang, dass jeder Antrag eine »schwierige, umfangreiche und zeitaufwendige Einzelfallprüfung« erfordere. Entscheidend für die Anerkennung eines Impfschadens ist, dass ein Antragsteller seit mindestens einem halben Jahr krank ist und die Impfung die Ursache dafür ist.
In Bayern sind im Vergleich, allerdings bis Ende Juli, 2250 Anträge auf Anerkennung eines Gesundheitsschadens eingegangen, wovon bisher in 105 Fällen ein Schaden anerkannt wurde. 1030 Anträge wurden abgelehnt, 494 Widersprüche eingereicht. Die zuständige Behörde im Freistaat ist das Zentrum Bayern Familie und Soziales mit Hauptsitz in Bayreuth.
Spezialisierte Anwaltskanzleien halten die Ansprüche gegen Impfstoffhersteller für aussichtsreicher. Zwar sind in den Kaufverträgen zwischen der Bundesrepublik und den Herstellern Gewährleistungsansprüche ausgeschlossen worden, das heißt, dass bei erfolgreichen Klagen die Bundesrepublik (oder analog ein anderes EU-Mitgliedsland) Entschädigungen und Prozesskosten des Herstellers übernimmt. Ausnahmen wären laut dem Europäischen Rechnungshof dann gegeben, wenn Schäden vorsätzlich, durch grobe Fahrlässigkeit oder Nichteinhaltung der in der EU geltenden Herstellungspraxis verursacht wurden.
Ausgeschlossen sind hiervon aber Ansprüche von geimpften Personen wegen Nebenwirkungen. Um solche handelt es sich bei den oben erwähnten, bereits laufenden Verfahren. Anfang Juli waren laut Bundesgesundheitsministerium 209 solcher Schadensersatzklagen bei Gerichten anhängig. Wie sich schon andeutet, geht es in den Verfahren darum, zu beweisen, dass die Schädigung tatsächlich durch den Impfstoff bewirkt wurde. Dafür sind dann die Gutachten medizinischer Sachverständiger gefragt. In der Regel ist so ein Nachweis schwer zu erbringen. Am Ende müsste dann ein Anspruch laut Arzneimittelgesetz immer noch einer Abwägung von Risiko und Nutzen der Impfung standhalten.
Noch einmal eine andere Situation wäre dann gegeben, wenn eine Person – hier der Impfarzt – beim Handeln im staatlichen Auftrag einen Fehler gemacht hat, durch den jemand geschädigt wurde. Dann bestünde ein Anspruch auf Amtshaftung.
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