Russland-Afrika-Gipfel: Moskaus Blick geht gen Süden

Der Kreml demonstriert auf dem Russland-Afrika-Gipfel seine Nähe zum Kontinent und will in sowjetische Fußstapfen treten

  • Daniel Säwert
  • Lesedauer: 7 Min.
Russland und Wladimir Putin sind in einigen Teilen Afrikas äußerst beliebt. Sie gelten als Gegenstück zu den verhassten Kolonialmächten.
Russland und Wladimir Putin sind in einigen Teilen Afrikas äußerst beliebt. Sie gelten als Gegenstück zu den verhassten Kolonialmächten.

Den ersten Erfolg konnte Oleg Oserow bereits vor dem Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg verkünden. Trotz massiven westlichen Drucks, frohlockte der Sonderbotschafter des russischen Außenministeriums, derzeit zuständig für die russisch-afrikanischen Beziehungen, seien fast alle afrikanischen Staaten der Einladung gefolgt. Dass am Ende lediglich 17 Präsidenten in die Metropole an der Newa reisten und der Rest lieber eine Delegation schickte, war da für die Gastgeber nur Nebensache. Viel wichtiger ist das Bild, das man der Welt präsentiert. Und das soll zeigen, wie wichtig Afrika für Russland ist.

Dabei ist Russland global gesehen der politische Spätstarter in Sachen Afrika. Nach dem Ende der Sowjetunion hatte Moskau sich lange aus der Region zurückgezogen und dem Westen zugewandt. Der gute Absatzmarkt war wichtiger als die Aufbauhilfe. Erst als es dort nicht mehr so gut lief, erinnerte man sich an die alten Verbündeten und organisierte 2019 in Sotschi den ersten Russland-Afrika-Gipfel. Moskau zeigte damals guten Willen, erließ den Staaten ein paar Schulden und spielte auf sein sowjetisches antiimperialistisches Erbe an. Der Kontinent wurde zu einem Nationalen Projekt, das wie viele dieser groß angekündigten Projekte in Russland relativ unbemerkt vor sich hin schlummerte. Auch, weil die Regierung wenig konkrete Pläne schmiedete und diese halbherzig verfolgte. Selbst kremltreue Experten konstatierten, dass »der Impuls, der in der Arbeit mit Afrika auf allen Ebenen 2019 angestoßen wurde, nicht entsprechend fortgeführt und praktisch umgesetzt wurde«. Schuld daran, so die russischen Experten, waren äußere Faktoren, deren Einfluss »gar nicht hoch genug zu bewerten« sei.

Russland ist Spätstarter in Sachen Afrika

Mit dem Überfall auf die Ukraine wurde Russlands geopolitische Landkarte neu gezeichnet. Schon kurz nach Kriegsbeginn begannen die Planungen für das zweite Russland-Afrika-Forum, mitsamt entsprechender propagandistischer Vorbereitung. Russlands Zukunft liegt in Afrika, so der Tenor. In Moskau werden beispielsweise ab September in vier Schulen Swahili und Amharisch unterrichtet – ein Pilotprojekt, dem weitere Sprachen folgen sollen.

Im März dieses Jahres verabschiedete die Regierung eine neue Konzeption ihrer Außenpolitik. Afrika, das zuvor nur am Rande erwähnt wurde, hat seitdem sein eigenes Kapitel. Direkt vor dem Gipfel veröffentlichte Kreml-Chef Wladimir Putin zudem einen programmatischen Artikel. Darin betont er die tief verwurzelten und nachhaltigen Beziehungen beider Regionen und hebt die Errungenschaften der Sowjetunion, Infrastrukturprojekte und Ausbildung, für Afrika hervor.

Teller und Rand – der Podcast zu internationaler Politik

Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.

In St. Petersburg wiederholte Putin die Idee, Russland solle in Afrika in die Fußstapfen der Sowjetunion treten. »Die UdSSR hat viele Fabriken, Elektrizitätswerke und Stahlhütten gebaut. Wir müssen zu dieser Praxis zurückkehren«, sagte Putin am zweiten Gipfeltag. Russland und Afrika, das passt aus Sicht des Kremls auch gesellschaftlich zusammen. In beiden Regionen seien traditionelle Werte die »Existenzgrundlage«, so der russische Präsident.

Putin verteilt auf dem Gipfel Geschenke

Um die Gunst der afrikanischen Staaten aufrechtzuerhalten, verteilte Putin fleißig Geschenke. Bildungsaustausch, Raumfahrtprogramme, ein Atomkraftwerk für Uganda und Getreide versprach der Kreml-Chef. Wie schon mehrfach zuvor bot er an, bis zu 50 000 Tonnen Weizen auf eigene Kosten in eine Hand voll Staaten zu liefern, bis diese in der Lage seien, sich selbst zu versorgen. Warum nur wenige Länder von diesem Angebot profitieren sollen, erklärte Putin hingegen nicht. Das größte Geschenk dürfte aber der Schuldenerlass sein. Moskau verzichtet auf 23 Milliarden US-Dollar Verbindlichkeiten.

Gleichzeitig will Russland seine politische Präsenz auf dem Kontinent ausbauen. In den kommenden Jahren plane man, in fast allen afrikanischen Staaten russische Botschaften zu eröffnen, kündigte die Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, an. Think Big ist die politische Devise.

Größer werden soll nach Ansicht Moskaus auch der afrikanische Einfluss in der Welt. Afrika werde zu einem neuen Machtzentrum, mit dem man zu rechnen habe, schmeichelte Putin seinen Gästen. Und bekräftigte, dass man sich für eine stärkere Rolle Afrikas in den Vereinten Nation und im Sicherheitsrat einsetzen will. Nicht ohne Hintergedanken. Bisher halten sich die afrikanischen Staaten bei der Verurteilung des Ukraine-Kriegs zurück und verhängen keine Sanktionen gegen Russland. Moskau will sich in New York weiter auf diesen Rückhalt verlassen.

Moskau will Afrika diplomatisch aufwerten

Als Zeichen der diplomatischen Aufwertung hörte sich der Kreml-Chef am Freitag den afrikanischen Friedensvorschlag für die Ukraine an. »Frühere Vermittlungsmissionen wurden von Ländern mit angeblich fortgeschrittener Demokratie monopolisiert«, sagte Putin. Nun sei Afrika »auch bereit, bei der Lösung von Problemen zu helfen, die außerhalb seines Prioritätenbereichs zu liegen scheinen«. Die Vorschläge der afrikanischen Saaten werde man »sorgfältig« prüfen.

Neben den diplomatischen und kulturellen Beziehungen will Russland auch die militärische Kooperation ausbauen. Schon jetzt habe man mit mehr als 40 Staaten Abkommen über eine militär-technische Zusammenarbeit geschlossen, sagte Putin. Viele afrikanische Staaten erhalten einen bedeutenden Teil ihrer Waffen aus Russland, teilweise kostenlos zur »Stärkung der Sicherheit und der Souveränität«. Selbst aktiv ist die russische Armee auf dem Kontinent noch nicht. Als auf dem ersten Gipfel in Sotschi der Präsident der Zentralafrikanischen Republik, Faustin-Archange Touadéra, eine Militärbasis in seinem Land ins Spiel brachte, wiegelte Moskau schnell ab. Solch eine Basis habe keinen Nutzen für Russlands Verteidigungsfähigkeit, hieß es. Anders als die geplante Marinestation im Sudan. Im Dezember 2020 unterzeichneten beide Staaten die Vereinbarung über eine Basis mit 300 Soldaten, die zukünftig russische Marineschiffe versorgen und reparieren soll.

Wagner eng verflochten in Afrika

Militärisch aktiv ist dagegen die Söldnertruppe Wagner, die vor allem in westlichen Augen seit Jahren Angst und Schrecken auf dem Kontinent verbreitet und unter anderem für Massaker an der Zivilbevölkerung in Mali beschuldigt wird. Bis heute ist die Organisation von Jewgeni Prigoschin in Libyen, Sudan, Mali, der Zentralafrikanischen Republik, Mosambik, Burkina Faso und Madagaskar vertreten. Offiziell wurden die Söldner etwa von den Regierungen in Mali und der Zentralafrikanischen Republik geholt, um für Ruhe und Sicherheit zu sorgen, was letztendlich zum Rückzug der Franzosen und anderer internationaler Truppen aus der Region führte. Erst im Mai hatte sich Prigoschin in einem Interview mit dem kamerunischen Sender Afrique Media TV damit gebrüstet, dass Wagner in beiden Ländern effektiver agiert als die UN-Friedenstruppen sei.

Umstritten ist, wie eigenständig Wagner agiert. Insbesondere westliche Beobachter sprechen immer wieder davon, dass die Söldnertruppe der verlängerte Arm Moskaus auf dem afrikanischen Kontinent sei. Tatsächlich gibt es viele Verstrickungen zwischen den Söldnern und der Politik. So ist die Aktivität Wagners in Mali eng verbunden mit den wachsenden diplomatischen und wirtschaftlichen Interessen Moskaus nach dem Militärputsch 2020. Mit der Regierung der Zentralafrikanischen Republik schloss Moskau die Vereinbarung, hunderte »Militärausbilder« zu schicken, um die Aufständischen zu bekämpfen, die seit Jahrzehnten für Unruhe sorgen. Und in Libyen, wo die Söldner (wie auch Russland) General Chalifa Haftar unterstützen, wurde Wagner nach Angaben der britischen BBC mit Waffen und Material des Verteidigungsministeriums versorgt. Teilweise gelangte das Material mit Armeeflugzeugen ins Land, die von der russischen Militärbasis im syrischen Latakia starteten.

Söldner bleiben auch nach Aufstand in der Region

Prigoschin selbst hat immer wieder betont, dass es ihm in Afrika ums Geschäft gehe (mit dem er seine Söldner finanziert). In der Zentralafrikanischen Republik etwa ist Wagner in den Bereichen Bodenschätze, Holz und Wodkaherstellung aktiv. Im Sudan lässt Prigoschin Gold schürfen, das teilweise unter Umgehung der Sanktionen nach Russland geht. Über die Jahre hat Prigoschin großen persönlichen Einfluss in der Region gewonnen, mehr noch als seine Söldnertruppe.

Während des monatelangen Kampfs um die ostukrainische Stadt Bachmut wurde die Welt Zeuge, dass die Achse Prigoschin-Putin durchaus brüchig ist. Immer wieder griff der Söldnerchef die Regierenden in Moskau scharf an und blies dann zum Aufstand, der letztlich scheiterte. Aus dem Ukraine-Krieg hat sich Wagner damit verabschiedet. Aus Afrika jedoch nicht, auch wenn sich die Zentralafrikanische Republik und Mali besorgt äußerten. »Die Militärberater werden weiterarbeiten wie zuvor«, beruhigte Außenminister Sergej Lawrow direkt nach dem Aufstand. Mit Verweis auf eine Quelle in Libyen berichtet die BBC, dass sich an der Position Wagners nichts verändert hat. Wie zum Beweis, dass er den Kontinent nicht verlassen wird, tauchte Prigoschin zum Gipfel in St. Petersburg auf und ließ sich mit mehreren afrikanischen Delegierten fotografieren.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.