Waldbrände in Griechenland: Evakuieren reicht nicht

Im Nachgang der verheerenden Waldbrände auf der Insel Rhodos wächst in Griechenland die Wut auf die Regierung

  • John Malamatinas, Thessaloniki
  • Lesedauer: 5 Min.

Es ist eine Sache, den wohlverdienten Urlaub wegen der drohenden Flammen abzubrechen – aber eine ganz andere, wenn man dort lebt, wo es brennt. »Mir geht es sehr schlecht. Ich habe seit Tagen nicht geschlafen. Eines der Dörfer, wo meine Familie herkommt, ist abgebrannt. Ich erinnere mich an unsere Ausflüge in Südrhodos und daran, dass wir mit der Familie mitten auf der Straße anhielten und ich den Hirschen durch die Bäume in die Augen sah – das tut mir jetzt in der Seele weh«, sagt die junge Lehrerin Ekaterini Alevanti.

Angst, Unruhe und Ungewissheit sind einige der Gefühle, die den Zustand der Bewohner von Rhodos beschreiben, die über zehn Tage mit ansehen mussten, wie ihre Insel brannte, ohne dass der Staat ihnen half. Die Menschen beklagten einen Mangel an Feuerwehr, Infrastruktur und Grundnahrungsmitteln. Verlass war nur auf die anderen Inselbewohner, die ihre Häuser öffneten und ihre Autos zur Verfügung stellten. »Das Einzige, was mich mit Hoffnung füllt, ist, dass alle Freunde, Cousins, wirklich alle, ihre Arbeit liegen gelassen haben und jeder mit seinen Mitteln zur Beendigung der Katastrophe beigetragen hat«, betont Alevanti.

Die reine Waldfläche, die auf Rhodos niederbrannte, wird laut der Universität Athen auf 135 000 Hektar geschätzt. Wie die nationale Beobachtungsstelle Meteo der Nationalen Sternwarte Athens (NSA) unter Berufung auf Daten der Europäischen Beobachtungsstelle für Waldbrände berichtet, übertreffen die insgesamt 550 000 Hektar verbrannter Fläche bereits zum 31. Juli 2023 den jährlichen Durchschnitt in Griechenland seit 2006 um 30 Prozent. Der Großteil der Zerstörung fand in den letzten zwei Wochen statt: 470 000 Hektar durch die sieben Großbrände in Korfu, Dervenochoria, Aigio, Attika (Kouvaras), Nea Anchialos, Karystos und Rhodos.

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Nach Analyse der NSA-Wissenschaftler war die lange Hitzewelle ein wichtiger Grund für die Intensität und das Ausmaß der Waldbrände im Juli. Insbesondere bei den sieben großen Bränden wurde festgestellt, dass die betroffenen Gebiete während der Ausbruchs- und Hauptausbreitungsphase eine sehr hohe Entzündungsneigung aufwiesen und sich die Feuer mit sehr großer Geschwindigkeit ausbreiteten.

Kritik von der Opposition

Die wiedergewählte Regierung von Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis nannte mehrfach den Klimawandel als Hauptursache. Das bezweifeln natürlich nur wenige Menschen, beantwortet aber nicht die Frage, warum das Ausmaß der Katastrophe nicht begrenzt werden konnte. Die einzige Veränderung seit dem Jahr 2018, als in der Siedlung Mati in Attika 104 Menschen bei Bränden starben, ist der Einsatz eines SMS-Dienstes, der Betroffene zur Räumung ihrer Ortschaften auffordert. Die Priorität, Menschenleben durch die Räumung von Siedlungen zu retten, wird von der Regierung bis dato als Erfolg verkauft. Dieses System war schon im Sommer 2021, als sagenhafte 1,3 Millionen Hektar abbrannten, die einzige Lösung.

Eine der ersten politischen Konsequenzen war nun der Rücktritt des Bürgerschutzministers Notis Mitarakis. Grund dafür waren Veröffentlichungen über seinen Kurzurlaub während der Großbrände, die von der Opposition scharf kommentiert wurden. So kritisierte die Linkspartei Syriza nicht nur den Urlaub von Mitarakis »zu einem Zeitpunkt, an dem das Land in Flammen steht«, sondern auch, dass man offiziell »persönliche Gründe« für den Rücktritt angeführt hatte.

Der Sekretär der Parlamentsfraktion von Syriza, Dionysis Kalamatianos, beschuldigte die Regierung der »großen Worte« und nannte die gefährlichen Munitionsexplosionen auf dem Militärstützpunkt Nea Anchialos eine »Schande«. Er verwies auch auf die minimalen Brandschutzmaßnahmen sowie die anhaltende Unterbesetzung der Feuerwehr. »Es stellt sich heraus, dass der Plan der Regierung nur Evakuierung und Entschädigung vorsieht«, sagte Kalamatianos und forderte stattdessen ein Modell der Brandprävention und -bekämpfung, das den Herausforderungen des Klimawandels entspricht.

Bei einem Besuch des Syriza-Politikers Stefanos Kasselakis auf Rhodos erklärte zudem ein Händler, dass die geplanten Entschädigungen nicht ausreichen: »Es gibt einen Rückgang der Ankunftszahlen um 40 Prozent – 75 000 weniger Touristen aufgrund von Stornierungen –, und etwa 4000 Saisonarbeiter sind einer mageren Notvergütung von 534 Euro ausgesetzt.«

Regierung verspricht kostenlosen Urlaub

Kritik kam auch von außerhalb Griechenlands – nicht zuletzt von den deutschen Leitmedien. Die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« (FAZ) warf Fragen zu den fehlenden Brandschutzmaßnahmen, der Entschädigung der Urlauber und der Abwesenheit von Ministerpräsident Mitsotakis auf. Aber auch der Massentourismus selbst soll laut FAZ hinterfragt werden: »Ist die hier praktizierte Form des Massentourismus, der abgeschotteten Wohnanlagen und dumpinghaften All-inclusive-Pakete noch hinnehmbar? Wie viel Ignoranz gegenüber dem Ort, an dem man seinen Urlaub verbringt, darf man sich leisten? Wann kippt gedankenlose Ahnungslosigkeit in riskanten Hochmut?«

»Die griechische Regierung wird in Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden all jenen, die durch die Brände ihren Urlaub verloren haben, im nächsten Frühjahr oder Herbst eine Woche kostenlosen Urlaub auf Rhodos anbieten«, erklärte Mitsotakis dem britischen Fernsehsender ITV. »Wir hatten schon immer Brände, aber was sich durch die Klimakrise geändert hat, ist ihre Intensität«, so der Ministerpräsident, der darauf hinwies, dass auf Rhodos jetzt aber wieder Normalität eingekehrt und Griechenland ein sicheres Land sei. In den letzten Tagen häuften sich die Versprechungen hinsichtlich neuer Löschflugzeuge und eines besseren Krisenmanagements. Ekaterini Alevanti wünscht sich indessen, »dass am Ende hier alle genauso kämpferisch und solidarisch handeln wie während der Brände«.

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