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Polit-Turbulenzen in Pakistan
Oppositionsführer Imran Khan vor Neuwahlen ins Gefängnis verfrachtet
Die Ankündigung steht: Am Mittwoch will Premier Shehbaz Sharif das Parlament auflösen – drei Tage vor dem regulären Ablauf der Legislatur. Mit dem politischen Schachzug bleibt dem südasiatischen Land ein Monat länger Zeit für die Ausrichtung der Neuwahl. Diese muss nun gemäß Verfassung innerhalb von 90 Tagen stattfinden. Bei einem regulären Ende der Legislaturperiode wären es nur 60 Tage.
Zwischen den 13 Partnern der scheidenden Vielparteien-Koalition – vorneweg Sharifs Pakistanische Muslimliga-Nawaz (PML-N) sowie die Pakistanische Volkspartei (PPP) von Außenminister Bilawal Bhutto-Zardari und seinem Vater, Ex-Präsident Ali Asif Zardari – wurde zu Wochenbeginn über die Spitze der Interimsregierung verhandelt. Eine überparteiliche Persönlichkeit soll diese anführen, unter anderem ist der Name eines früheren Chefrichters im Gespräch. In der PML-N zieht auch der dreifache frühere Regierungschef Nawaz Sharif aus dem Londoner Exil immer noch mit an den Strippen, er ist der ältere Bruder des jetzigen Premiers.
Der beliebte Oppositionspolitiker Imran Khan von der wichtigsten Oppositionspartei Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI), die bei den Wahlen 2018 noch siegreich war, dürfte die Parlamentswahl verpassen. Er wurde am Sonnabend von einem Gericht wegen Bereicherung zu drei Jahren Haft verurteilt. Khan ist mit dem Urteil für die nächsten fünf Jahre von der Ausübung politischer Ämter ausgeschlossen. Damit wäre der frühere Premier, der im April 2022 erstmals in der Landesgeschichte per Misstrauensvotum gestürzt worden war, aus dem Spiel. Allerdings steht ihm noch die Möglichkeit eines Berufungsverfahrens vor einer höheren Instanz zu. Dies werde, hieß es am Montag aus Kreisen seiner Verteidiger und der Partei, nun derzeit zügig beantragt. Khan bestreitet die Vorwürfe.
Ein Richter hatte Imran Khan für schuldig befunden, im sogenannten Toshakhana-Fall mehrere teure Geschenke ausländischer Repräsentanten nicht regelkonform deklariert und Einnahmen für den Verkauf von Staatsgeschenken verborgen zu haben. Der dabei erzielte Profit sei als korrupte Praktik einzustufen. Dass andere ehemals ranghohe Staatsführer, unter anderem Zardari, genauso verfuhren, wobei es dort eher um Autos als Luxusuhren ging, war nicht Thema des Prozesses, der auch nur eines von Dutzenden Verfahren ist, die juristisch gegen Imran Khan laufen. Was aufmerken ließ, war insbesondere die »Hast«, wie auch namhafte Juristen via einheimische Medien kritisch anmerkten, und dass der Angeklagte bei der Urteilsverkündung nicht anwesend war.
Auf Kritik stieß ebenso der Umstand, dass die nachgeordneten Behörden klare Anweisungen des Richters missachteten. Dieser hatte verfügt, die Polizei der Hauptstadt Islamabad solle Imran Khan festnehmen und zum Haftantritt ins Adiala-Gefängnis der benachbarten Garnisonstadt Rawalpindi bringen. Stattdessen waren es Polizisten der Provinz Punjab, die den Verurteilten an seiner Residenz in Lahore abholten und ins Hochsicherheitsgefängnis Attock überstellten.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Dort war niemand auf den prominenten Häftling vorbereitet. Khan wird in Attock bisher keine Sonderbehandlung zuteil, auch seine Anwälte wurden zunächst nicht zu ihrem Mandanten vorgelassen, wie sie beklagten. Ohne eine Hochstufung im Status würde ihm nur ein Besuch pro Woche zustehen, hieß es in den Medien zu den Vorschriften. Die PTI will beim Islamabad High Court zumindest umgehend seine Überstellung ins eigentlich vorgesehene Adiala-Gefängnis erwirken.
Im Gefängnis zu sitzen, ist für Imran Khan kein Novum. Er war schon Anfang Mai kurzzeitig inhaftiert. Die Proteste zahlreicher Anhänger gegen seine damalige Verhaftung waren gewaltsam eskaliert; beim Überfall auch auf mehrere Polizei- und Armeeeinrichtungen gab es sogar Tote. Zahlreiche hochrangige PTI-Anführer, die zu seinen engsten Vertrauten zählten, hatten aus Bestürzung über diese Gewaltwelle der Partei den Rücken gekehrt oder ihre Ämter niedergelegt.
Trotz dieses Aderlasses in der zweiten und dritten Reihe wurden der PTI vor Khans Inhaftierung weiterhin gute Aussichten auf einen erneuten Wahlsieg eingeräumt. Imran Khan hatte überdies gewisse Vorkehrungen für den Fall seiner Verhaftung getroffen; er hinterließ klare Instruktionen für die nächste Zeit. Vorerst hält vor allem sein Vize Shah Mehmood Qureshi, ein früherer Außenminister, den Laden zusammen, ist aber nicht mehr als ein Platzhalter. Denn die Partei ist voll und ganz auf Imran Khan eingeschworen, Gleiches gilt für ihre Anhängerschaft.
In einer Videobotschaft sagte der Ex-Premier nach seiner Verhaftung: »Wenn euch diese Nachricht erreicht, werde ich im Gefängnis sein.« Er forderte seine Anhänger auf, nicht aufzugeben. »Wenn ihr nicht aufsteht, werdet ihr das Leben von Sklaven führen. Ihr müsst den friedlichen Protest fortsetzen«, sagte Khan. Vereinzelt gingen Anhänger auf die Straßen, größere Proteste blieben jedoch aus.
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