Rostige Atommüllfässer im AKW Lubmin

Bei Abrissarbeiten im früheren Atomkraftwerk bei Lubmin sind erneut beschädigte Fässer entdeckt worden

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Bei den Abrissarbeiten im früheren Atomkraftwerk bei Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern sind erneut beschädigte Fässer mit radioaktiven Abfällen entdeckt worden. Drei 200-Liter-Stahlfässer seien teils korrodiert, eines teilweise durchgerostet, teilte das verantwortliche Unternehmen, das Entsorgungswerk für Nuklearanlagen (EWN), mit. Es handele sich um einen meldepflichtigen Vorfall der niedrigsten Kategorie. Eine Freisetzung radioaktiver Stoffe sei zu jeder Zeit ausgeschlossen, Menschen und Umwelt seien nicht in Gefahr gewesen.

Bei dem Inhalt der Fässer handelt es sich den Angaben nach um feuchten Schlamm, der aus der sogenannten Zentralen Aktiven Werkstatt (ZAW) stammt. Hier werden unter anderem mit einer Hochdruck-Nassstrahlanlage Bauteile des Kraftwerks gereinigt. An einem der Fässer seien bei der Begutachtung der schadhaften Stelle Durchrostungen erkannt worden, hieß es. Als Ursachen vermutet die EWN GmbH die mangelnde Qualität der Beschichtung und das Alter der Behälter: »Die korrodierten Fässer wurden unverzüglich in sicher geschlossene Behälter umverpackt.«

Bereits im September 2022 waren vergleichbare Probleme aufgetaucht. Damals wurden ebenfalls Durchrostungen an Fässern festgestellt. Auch da soll keine Gefahr für Menschen und Umwelt bestanden haben. »Unsere internen Untersuchungen zu dem Ereignis dauern derzeit noch an«, so das Unternehmen. Auch das Schweriner Umweltministerium befasse sich damit.

Die EWN muss laut Ministerium »die Ursachen für diese Korrosionserscheinungen untersuchen und daraus Maßnahmen zur Abstellung der Ursachen ableiten«. Die Ergebnisse prüft das Ministerium dann mithilfe Sachverständiger und kann gegebenenfalls weitere Untersuchungen und Maßnahmen anordnen. Am Standort Lubmin gab es laut Landesumweltministerium in den vergangenen zwölf Jahren insgesamt zwölf meldepflichtige Ereignisse.

Die EWN ist zu 100 Prozent im Bundesbesitz und unter anderem für den Abriss der Atomkraftwerke Lubmin und Rheinsberg in Brandenburg verantwortlich. Beide sind seit der Wende 1990 stillgelegt und werden seit 1995 zurückgebaut.

Das AKW Lubmin war das größte der DDR. Seine fünf Reaktorblöcke sowjetischer Bauweise produzierten zeitweise rund zehn Prozent des in Ostdeutschland benötigten Stroms. Doch weil nach dem Super-GAU in Tschernobyl die sowjetischen Reaktoren nicht länger als sicher galten, beschloss die Bundesregierung nach der Wiedervereinigung, das AKW stillzulegen und abzubauen. Der Bau von drei weiteren, fast fertigen Blöcken wurde gestoppt.

Nach Recherchen des Fachportals »Atommüllreport« prägten »Konstruktionsfehler, mangelhafter Strahlenschutz, massive Korrosionsschäden, fehlendes Containment und schwere Störfälle bis hin zum Beinahe-GAU« die Geschichte des AKW. 1974 barsten in Block 1 etliche Brennelemente, mehrfach brannte es. Ins Reaktorgebäude regnete es demnach teilweise hinein, weil die Decke undicht war. Immer wieder wurden Wände und Böden bei solchen und anderen Zwischenfällen radioaktiv belastet.

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Ursprünglich hatte die EWN geplant, bis 2012 mit dem Rückbau inklusive konventionellem Abriss der Gebäude fertig zu werden. Derzeit geht das Unternehmen davon aus, in der zweiten Hälfte der 2030er Jahre mit dem Abriss der Gebäude beginnen zu können. Bis dahin müssen noch rund 440 000 Kubikmeter Betonoberfläche untersucht werden. Mit der Zerlegung der stark strahlenden Reaktordruckbehälter will man erst Anfang der 2060er Jahre beginnen.

Anfangs rechnete die EWN mit 3,2 Milliarden Euro Rückbaukosten, 2016 bereits mit 6,5 Milliarden. Inzwischen ist von einem »höheren einstelligen Milliardenbetrag« die Rede. Die Kosten werden zu 100 Prozent aus Steuermitteln bezahlt.
In der DDR hieß die Anlage offiziell »VE Kombinat Kernkraftwerke ›Bruno Leuschner‹«. Leuschner (1910–1965) war ein deutscher Kommunist. Unter den Nationalsozialisten war er jahrelang in Konzentrationslagern und Gefängnissen inhaftiert. In der DDR war er Mitglied des Politbüros des SED-Zentralkomitees und Vorsitzender der Staatlichen Planungskommission.

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