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Amazonasgebiet: Verfehlter Gipfel
Für das Amazonasgebiet gibt es weiterhin kein Abholzungsverbot
Der zweitägige Amazonas-Gipfel ist vorüber und die Enttäuschung gerade bei den indigenen Völkern groß. Statt wichtiger Entscheidungen gab es im brasilianischen Belém hauptsächlich leere Worte und heiße Luft. Zudem waren zwar die Regierungschefs der Amazonasländer und weiterer Regenwaldstaaten Afrikas und Asiens zur Konferenz am 8. und 9. August geladen, nicht aber die Repräsentanten der indigenen Völker Amazoniens.
Die mehr als 500 in der Organisation Coica zusammengeschlossenen Völker fordern genauso wie Klimawissenschaftler, dass jegliche Abholzungen und die Erdöl- und Gasausbeutung in der Region so rasch wie möglich unterbunden und keine neuen Explorationsprojekte mehr erlaubt werden sollten, um einen bevorstehenden Kollaps des größten Regenwaldökosystems der Welt zu verhindern.
Nichts davon findet sich in dem von Brasiliens Regierung vorbereiteten und bereits am ersten Gipfeltag von den Teilnehmerstaaten unterzeichneten Abschlussdokument wieder. Präsident Lula da Silva feierte die »Erklärung von Belém« jedenfalls als Erfolg.
Das umfangreiche Abschlussdokument mit insgesamt 113 Paragrafen ist in Bezug auf einen tatsächlichen Schutz eher ein Muster ohne Wert. In der 20-seitigen Erklärung kommt die Floskel »nachhaltig« zwar mehr als 80-mal vor, doch konkrete Maßnahmen und Fristen, beispielsweise zur Beendigung von Abholzung oder Erdölausbeutung, gibt es nicht. Vonseiten der Nichtregierungsorganisationen, indigenen Völker und Wissenschaftler hagelt es deshalb Kritik.
So ist die »Erklärung von Belém« für Marcio Astrini vom brasilianischen Klimainformationsnetzwerk »Observatório do Clima« keine konkrete Antwort auf die Welt, in der wir leben. Astrini: »Der Planet schmilzt, wir brechen jeden Tag Temperaturrekorde. Es ist doch nicht möglich, dass acht Amazonasländer in einem Szenario wie diesem nicht klar erklären, dass die Entwaldung auf null beschränkt werden muss und die Erdölausbeutung im Regenwald keine gute Idee ist.«
Auch die deutsche Sektion der Natur- und Umweltschutzorganisation World Wildlife Fund (WWF) zeigte sich enttäuscht, weil die Erklärung keine verbindlichen Vorgaben mache. »Die Amazonas-Anrainerstaaten haben definitiv eine Chance vertan«, so der für Südamerika zuständige Programmleiter des WWF, Roberto Maldonado.
In einem Interview mit der Nachrichtenagentur »Amazônia Real« zeigten sich fünf Indigenenanführer aus dem nordbrasilianischen Bundesstaat Amapá nicht überrascht davon, dass eines ihrer Hauptanliegen, nämlich das Ende der Erdölausbeutung in Amazonien, keine Berücksichtigung in der Erklärung von Belém fand. Sie hätten nichts anderes erwartet, weil sich Präsident Lula bereits im Vorfeld der Konferenz für die fortschreitende Erdölausbeutung in Amazonien ausgesprochen habe.
Nach Meinung des Klima- und Amazonaswissenschaftlers Philip Martin Fearnside sei zumindest die Tatsache, dass die acht Amazonasländer zusammenkamen und über die Regenwaldabholzung diskutierten, positiv zu bewerten, auch wenn die Ergebnisse des Treffens selbst und die »Erklärung von Belém« enttäuschend sind. »Das Einzige, worauf sich die Amazonasstaaten einigten, sind politisch einfache Themen wie die Ermahnung der Industrieländer, ihre Versprechen einzulösen und mehr Geld für Bemühungen zur Verlangsamung der Entwaldung beizusteuern«, so der leitende Wissenschaftler am Nationalen Amazonasforschungsinstitut (INPA) in Manaus.
In der »Erklärung von Belém« werden von den Industriestaaten 100 Milliarden Dollar jährlich für den Klimaschutz gefordert. Es gehe nicht darum, dass Brasilien, Kolumbien oder Venezuela Geld bräuchten, sagte Lula: »Mutter Natur braucht Geld, weil die industrielle Entwicklung sie in den vergangenen 200 Jahren zerstört hat.«
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