In Wolfsburg kämpfen VW und IG Metall mit Klimaaktivisten

Fakeseite und Proteste sollen Gewerkschaft zur klimagerechten Transformation treiben

Aktivist*innen erinnern die Wolfsburger IG Metall an ihre Satzung.
Aktivist*innen erinnern die Wolfsburger IG Metall an ihre Satzung.

Am Montag waren die dreiwöchigen Betriebsferien bei VW vorbei. Nach dem Urlaub ging es wieder in das mehr als sechs Quadratkilometer große Stammwerk des Autokonzerns, für den allein in Wolfsburg 65 000 Menschen arbeiten. Ganz ruhig ging die Rückkehr an den Arbeitsplatz dabei nicht vonstatten, wie Steffen Schmidt, bei der lokalen IG Metall für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, im Gespräch mit »nd« berichtet.

Unter anderem die Deutsche Presse-Agentur meldete sich bei der Gewerkschaft. Eine Pressemitteilung war im Namen der IG Metall verschickt worden, darin stand zu lesen, dass die Gewerkschaft im Sommer an einem Drei-Punkte-Plan gearbeitet habe, um das VW-Werk umzugestalten. Zur Gestaltung der Transformation brauche es »aktive Beteiligung und basisdemokratische Betriebsgestaltung«, hieß es im ersten Punkt der gefälschten Pressemitteilung. Die anderen angeblichen Gewerkschaftsideen: ein Umbau zum Mobilitätskonzern, der auch Busse, Bahnen und Räder bauen soll, und schließlich die Vergesellschaftung des Konzerns »wie in unserer Satzung vorgesehen«.

Mit einiger Anerkennung berichtet Schmidt, dass die Forderungen auch den Weg auf eine Webseite gefunden haben, die »täuschend echt« wie die der IG Metall aussehe. Nur die Endung des Namens der Seite ist anders. »Wir haben Strafanzeige gestellt, auch weil auf der Internetseite falsche Zitate verbreitet werden.« Große Hoffnungen, dass die Urheber der Fälschung ermittelt werden, macht sich Steffen Schmidt allerdings nicht – der Anbieter der Domain werbe damit, dass er keine personenbezogenen Daten herausgebe. Vermutlich also eine Sackgasse.

Die für Wolfsburger Verhältnisse unruhig begonnene Woche ging turbulent weiter. Am Dienstag seien ein paar Klimaaktivist*innen bei der Gewerkschaft aufgetaucht, hätten ein Gespräch eingefordert. Steffen Schmidt berichtet, dass für die nächste Woche ohnehin ein Gespräch mit Aktivist*innen geplant sei. Am Mittwoch tauchten dann noch mehr Aktivist*innen auf, kletterten auf ein Vordach der Gewerkschaftszentrale und hängten Transparente mit Forderungen nach Vergesellschaftung und Verkehrswende auf.

Die IG Metall schaltete die Polizei ein, »weil es gefährlich ist, da auf dem Vordach«, und es auch zu Beschädigungen gekommen sei, wie Schmidt erzählt. Da habe man eine Verantwortung vor den Mitgliedern, die Beiträge bezahlen. Die Polizei beendete die Aktion und ermittelt nun wegen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruch und Widerstand.

Steffen Schmidt erzählt das alles ruhig und sachlich. Und natürlich sei die IG Metall bereit zu Gesprächen über eine Verkehrswende und Transformationsprozesse. Die Art des Protests gefällt ihm allerdings nicht: »Wir lassen uns ungern diktieren und schon gar nicht aufzwingen, wie wir Gespräche zu führen haben.« Mit der Fake-Kampagne seien zudem »die Grenzen eines kreativen Protests überschritten« worden. Ein fairer und respektvoller Umgang miteinander sehe anders aus.

Die Aktivist*innen sehen das naturgemäß ganz anders. Seit rund einem Jahr gibt es das Projekthaus Amsel 44, in einem Wolfsburger Wohngebiet. Hier kommen Menschen zusammen, die sich für die Verkehrswende in Wolfsburg einsetzen wollen, einige waren schon an anderen Orten in Deutschland aktiv. In Wolfsburg haben sie gegen eine E-Auto-Fabrik gekämpft; sie blockierten Züge mit Autos, die ausgeliefert werden sollten, hielten ein Camp ab und sorgten mit Kommunikations-Guerillaaktionen immer wieder für Irritationen. Vor einiger Zeit hatten sie vermeintliche Stellenangebote des VW-Konzerns für den Bau von Straßenbahnen an Werkstoren verteilt.

Einer, der in der Amsel aktiv ist, ist Ruben. Er erzählt, sicherlich mit einem Augenzwinkern, dass man von der Fake-Kampagne »überrascht« worden sei, die Gewerkschaft bei der Transformation aber unterstützen wolle. Damit begründet er auch die Aktionen an der IG-Metall-Zentrale. Warum wird die Gewerkschaft zum Ziel der Aktivist*innen? Ruben erklärt das so: »Die IG Metall hat bei VW eine herausragende Rolle«, damit habe sie ein »unglaubliches Kraftpotenzial«, um Akteurin im Umbau der Industrie zu werden. Die Autoindustrie befinde sich in einer Krise, »massenhafte Entlassungen und prekäre Beschäftigungsverhältnisse« wie die »Zuspitzung weltweiter Ausbeutungsbeziehungen« stünden auf der Tagesordnung. VW werde zum Luxushersteller für E-Autos. Daraus müsse die Gewerkschaft Schlüsse ziehen. Für eine langfristige Beschäftigungsperspektive sei der motorisierte Individualverkehr eine Sackgasse. Für das Klima auch. In diesem Sinne müsse man die IG Metall an ihre Satzung erinnern, in der die »Überführung von Schlüsselindustrien« in Gemeineigentum als Ziel festgeschrieben ist.

Dass die IG Metall bald die Vergesellschaftung von VW fordern wird, kann bezweifelt werden. Ein Ziel haben die Aktivist*innen aber erreicht: Es wird darüber gesprochen, dass anders produziert werden könnte.

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