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»Arrow 3«: Der Preis der Pfeile
Was hinter dem deutsch-israelischen Raketenabwehr-Deal noch so läuft
»Dies ist ein historischer Tag, der die Zeitenwende in den Beziehungen zwischen Israel und Deutschland markiert«, hieß es in einer Mitteilung des israelischen Botschafters in Berlin. Ron Prosor betonte in der vergangenen Woche: »Zum ersten Mal wird ein israelisches System den Himmel über Deutschland und ganz Europa schützen.« So viel Begeisterung muss Gründe haben.
»Arrow« – zu Deutsch »Pfeil« – ist ein Flugabwehrsystem, das seit 2017 in israelischen Diensten steht. Zusammen mit weiteren Komponenten sind die Raketen ein hocheffektives Waffensystem. Sie können anfliegende ballistische Raketen bereits im Weltraum, also in über 100 Kilometern Höhe, bekämpfen. Selbst gegen Russlands modernste Interkontinentalrakete »Sarmat«, die zehn individuell steuerbare Sprengköpfe in sich trägt, wären sie wirksam. Gemeinsam mit den bereits vorhandenen »Patriot«- und den einzuführenden »Iris T«-Systemen, mit denen sich Raketen mittlerer Reichweite abfangen lassen, könnte die Bundeswehr einen himmlischen 360-Grad-Schutzschirm aufspannen.
Nach Angaben des israelischen Verteidigungsministeriums soll der endgültige Vertrag bis zum November unterzeichnet werden. Die erste Feuereinheit soll auf dem Fliegerhorst Holzdorf in Sachsen-Anhalt installiert werden, wo einst ein NVA-Jagdfliegergeschwader stationiert war. Laut Luftwaffenchef, Generalleutnant Ingo Gerhartz, plant man zwei weitere Standorte in Schleswig-Holstein sowie in Bayern. Ende 2025 will man in Holzdorf die sogenannte Anfangsbefähigung erreicht haben, bis 2030 soll das ganze System einsatzbereit sein.
Der israelische Verteidigungsminister Yoav Gallant nannte das Abkommen »das größte in der Geschichte Israels«. Dennoch brauchte es die Zustimmung der US-Regierung, denn »Arrow 3« wurde von dem israelischen Rüstungskonzern Israel Aerospace Industries (IAI) zusammen mit Boeing entwickelt. Dabei leistete die US-Regierung erhebliche finanzielle und sonstige Unterstützung. Nun ist der deutsche Steuerzahler dran. Im 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr sind bislang 4 Milliarden Euro für »Arrow 3« vorgesehen. Damit kommt man nicht allzu weit. Alles in allem könnte der Aufbau eines mehrstufigen integrierten Flugabwehrsystems bis zu 17 Milliarden Euro kosten, errechneten Experten insgeheim. So viel gibt das Bundeswehr-Sondervermögen allein nicht her.
Auch deshalb hatte Bundeskanzler Olaf Scholz, kaum dass die »Arrow«-Lieferanfragen gestellt waren, dafür geworben, dass sich europäische Nachbarstaaten an dem neuen Luftverteidigungssystem beteiligen. Die Idee einer European Sky Shield Initiative (Essi) war geboren. Im Oktober 2022 – also nur Monate nach dem Beginn von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine – einigten sich die Verteidigungsminister von zunächst 14 Nato-Ländern und Finnland (das nun auch zur Allianz gehört) auf eine Zusammenarbeit unter deutscher Führung. Mit dem Essi-Beitritt der Nicht-Nato-Länder Österreich und Schweiz beteiligen sich jetzt 19 Staaten. Und das, obwohl Frankreich sich vehement gegen »Arrow« gestemmt hat. Paris warf dem deutschen Kanzler vor, die europäische Rüstungszusammenarbeit zu torpedieren. Hintergrund: Frankreich entwickelt ein vergleichbares System und hatte sich beste Absatzchancen bei den europäischen Nato-Partnern erhofft
Für die israelischen »Arrow«-Hersteller ist die Lieferung an Deutschland ein erster Exporterfolg und der geschäftliche Durchbruch nach Europa. Israelische Experten sprechen von einer »historischen Beschaffung«. Und doch ist diese nur Teil eines umfassenderen Rüstungsprogramms, das Israel und Deutschland verbindet. Dazu gehören die »Heron«-Drohnen, die die Bundeswehr im Ausland einsetzt. Bereits seit Jahrzehnten beliefern deutsche Werften die israelische Marine mit Kriegsschiffen verschiedenster Bestimmung.
Gerade wird bei Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) in Kiel das modernste israelische U-Boot, die »Drakon«, fertiggestellt. Der »Drache« ist 68 Meter lang und verdrängt etwa 2400 Tonnen. Es handelt sich um die dritte Einheit der Klasse »Dolphin AIP«. Sie ist das bestgehütete Geheimnis der Werft. Wie stets übernimmt Deutschland wegen der – wie es heißt – besonderen Beziehungen Deutschlands zu Israel einen Teil der Baukosten und missachtet den Grundsatz, keine Waffen in Krisengebiete zu liefern. Die Kosten des laufenden Geschäfts liegen angeblich bei rund 3 Milliarden Euro; der deutsche Anteil ist laut einer 2017 unterzeichneten Regierungsvereinbarung bei 540 Millionen Euro gedeckelt. Zusätzlich investiert Deutschland jedoch im Rahmen einer Industriekooperation mehr als 850 Millionen Euro in israelische Rüstungsunternehmen.
Zwei Boote sind ausgeliefert, das dritte sollte 2020 folgen. Stattdessen tauchten erst Korruptionsvorwürfe auf, dann folgten seltsame Änderungswünsche des Kunden. So wurde der Turm wesentlich vergrößert. Warum? Es gibt verschiedene Mutmaßungen. Möglicherweise dient der zusätzliche Platz dazu, Material für Spezialoperationen unterzubringen. Oder man will mehr Überwachungs- und Aufklärungstechnik installieren. Wahrscheinlicher jedoch ist, dass sich im Innern des Turms vertikale Silos befinden, aus denen atomar bestückbare ballistische Raketen abgeschossen werden können, die eine gelenkte Endstufe haben. Zusätzlich zu den Raketen hat das U-Boot insgesamt zehn Torpedorohre im Bug. Vier davon sind von größerem Kaliber. Daraus lassen sich Marschflugkörper starten, die gleichfalls nuklear bestückt sein können.
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