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  • Umweltschutz in der Republik Moldau

Ein schwieriger Weg zur Nachhaltigkeit

Der Versuch, ein Ökodorf in der Republik Moldau zu schaffen, stößt auf ungeahnte Probleme

  • Sarah Tekath, Rîscova
  • Lesedauer: 8 Min.
Das Ökodorf, in dem sich alles um Nachhaltigkeit und Umweltschutz dreht, wirkt wie eine Insel in Riscova. Viele Nachbar*innen fremdeln mit den Ideen der Neuankömmlinge.
Das Ökodorf, in dem sich alles um Nachhaltigkeit und Umweltschutz dreht, wirkt wie eine Insel in Riscova. Viele Nachbar*innen fremdeln mit den Ideen der Neuankömmlinge.

Knapp 50 Kilometer von der Hauptstadt Chisinau entfernt befindet sich das knapp 1000-Seelen-Dorf Riscova. Hier könnte die Zukunft für eine nachhaltige Landwirtschaft und Dorfkultur der Republik Moldau liegen. Denn hier, ganz am Ende der Dorfstraße, steht das Ecovillage, ein nachhaltig ausgestattetes ökologisches Zentrum. Wer den Torbogen mit einem Holzschild passiert hat, geht durch einen wilden Permakulturgarten. »Erdbeeren vertragen sich sehr gut mit Knoblauch«, erklärt Elena Tacu, Projekt-Koordinatorin bei der Umweltorganisation Ecovisio, die das Ökodorf gegründet hat.

Gleich hinter dem Garten befindet sich das Haupthaus mit dem Meetingraum – hier liegt Stroh auf dem Boden, und die großen Fensterfronten geben den Blick frei auf Felder, Weinstöcke und die hügelige Umgebung. Im Gebäude und auf dem gesamten Gelände gibt es nur Trockentoiletten. »Wir denken, es ergibt keinen Sinn, mit jeder Spülung trinkbares Wasser zu verschwenden, wenn das Land sowieso schon mit Wasserknappheit zu kämpfen hat«, erklärt Tacu. Die Bewohner*innen des Ökodorfes versuchen so nachhaltig wie möglich zu leben.

Gegründet wurde die Organisation Ecovisio 2013 unter anderem von Julian Gröger, der zuvor in der deutschen Ökobewegung aktiv war und in der Republik Moldau viel Entwicklungspotenzial gesehen hat, wie er sagt. Aktuell ist Ecovisio mit rund 20 Mitarbeitenden die größte Umweltorganisation in dem Land, in dem mit 2,6 Millionen Einwohner*innen weniger Menschen leben als in Berlin. »Wir haben in den letzten zehn Jahren eine Community aufgebaut, die an die Region glaubt und einen positiven Impact auf die Bevölkerung haben will«, erzählt Gröger. Das Themenspektrum zieht sich dabei von Mobilität über Energie bis hin zu Ernährung. Je nachdem, was gerade für die Bevölkerung relevant sei. In den nächsten Jahren will Ecovisio an die Schulen und Universitäten gehen und dort Bildungsarbeit leisten.

Eines der Projekte von Ecovisio ist das Ökodorf in Riscova. Einerseits soll hier ein Zuhause für die eigene Community geschaffen werden, andererseits ein Umweltbildungszentrum. Dafür hat Ecovisio von 2015 bis 2018 ein Dorf im Dorf errichtet und dabei nichts dem Zufall überlassen. Auf dem Dach befindet sich eine Solaranlage, die Wände sind mit Stroh isoliert. »Als Baumaterialien haben wir, bis auf die Stahlträger, natürliche Elemente wie Holz, Stroh, Lehm und Reet verwendet«, erläutert Gröger. »Den Namen Ecovillage haben wir als sich hoffentlich selbst erfüllende Prophezeiung gewählt.«

Die Vision ist, komplett nachhaltig als Teil der Natur in einem Ökodorf zu leben. Die lokale Bevölkerung in dieses nachhaltige Leben einzubeziehen, ist Teil des Konzepts. Frauen aus dem Dorf arbeiten in der Küche, Männer helfen bei Bauarbeiten, Besucher*innen des Ecovillages werden in Gästezimmern im Dorf untergebracht, zu essen gibt es mit Vorliebe lokale Produkte. Auch wenn das zusätzliche Einkommen für die Dorfbevölkerung ein Bonus ist, geht es bei Ecovillage vor allem um den Klimawandel. Denn das Land fühlt die Auswirkungen deutlich. »Wir hatten 2017, 2018 und 2019 drei Dürrejahre hintereinander«, erzählt Gröger. Und wenn es einmal regne, dann oft zu heftig, und wegen der ausgetrockneten Böden komme es schnell zu Überschwemmungen.

Dies bestätigen auch Erhebungen des Climate Change Knowledge Portals der Weltbank. Dessen Analyse lautet, dass die Republik Moldau »sehr anfällig für Naturkatastrophen wie Dürren, Hagel, Überschwemmungen und schwere Stürme« sei. »Naturkatastrophen können schwerwiegende Auswirkungen auf die landwirtschaftliche Produktion haben, wobei die durchschnittlichen jährlichen Verluste etwa drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmachen.« Insbesondere auf die ländliche Bevölkerung, die in hohem Maße von der Landwirtschaft abhängig ist, haben Naturgefahren schwerwiegende Auswirkungen. Im Jahr 2000 waren der Weltbank zufolge mehr als zwei Drittel der Bevölkerung von Stürmen betroffen, 2007 mehr als 200 000 Personen von Dürre, 2010 knapp 12 000 von Überflutungen und 2019 fast 5500 von extremen Temperaturen beeinträchtigt.

Derzeit erschwert auch die unsichere politische Gesamtsituation in Südosteuropa ein längerfristiges Planen. »In unserem Nachbarland ist Krieg«, gibt Gröger zu bedenken. In den ersten Wochen und Monaten sei nicht klar gewesen, wie lange das Land noch existieren würde. »Da ist es natürlich schwer, jemanden davon zu überzeugen, eine Photovoltaik-Anlage auf das Hausdach zu bauen, wenn bald Bomben darauf fallen könnten.«

Aber auch vor dem russischen Angriffskrieg sei langfristiges Planen und Investieren nicht weitverbreitet gewesen, meint Gröger, der auch Energieberatung im Land anbietet. »Wenn ich jemandem erkläre, dass er jetzt 500 Euro in die Hand nehmen kann für eine nachhaltige Investition und die in ein paar Jahren wieder raushaben wird, dann sagt er mir: a) Ich habe die 500 Euro nicht – und: b) Was weiß ich, was mit diesem Land in fünf Jahren ist?« Allerdings zeige sich nun angesichts der durch den Ukraine-Krieg verursachten erhöhten Gaspreise auch ein gesteigertes Interesse an Nachhaltigkeit: »Jetzt kommen die Menschen wieder auf uns zu und fragen nach Solarenergie und Solarthermie.«

Aber auch der Politik fällt es schwer, nachhaltige Entscheidungen zu treffen. »In den Dürrejahren wurde den Bauern von der Politik erlaubt, nach fossilem Wasser, also ganz tiefem Grundwasser, zu bohren. Denn die Regierung hatte keinen anderen Plan, wie sie den Bauern helfen sollte«, erinnert sich Gröger. Es regiert eine gewisse Hilflosigkeit; manchmal scheint es auch, als sprächen die Politiker*innen in Chisinau eine Sprache, die die Menschen auf dem Land nicht verstehen. In Deutschland sei es üblich, dass Geld in die Hand genommen werde, um ein Problem zu lösen – auch wenn die Lösung am Ende vielleicht gar nicht nachhaltig sei, sondern vor allem der Wirtschaft helfe, sagt Gröger. »Die Republik Moldau kann das nicht, weil sie kein Geld hat. Das kann aber auch positiv sein, weil dann wirklich überlegt wird, welche Anpassungen an den Klimawandel es braucht, sodass Lösungen gefunden werden, die nachhaltig sind.«

Das Ökodorf hat umfangreiche Gärten angelegt.
Das Ökodorf hat umfangreiche Gärten angelegt.

Noch fehlt indes ein Fahrplan, um nachhaltig zu wirtschaften und umfassend auf den Klimawandel zu reagieren. Das zeigt sich nach Einschätzung des Ecovisio-Experten auch im Abfall-Management, das in Riscova ein Problem ist.

Etwa zwei Kilometer, nur wenige Minuten mit dem Fahrrad vom Ecovillage entfernt, zwischen Feldern, erstreckt sich ein Areal, auf dem sich der Müll unsortiert auftürmt. Plastikflaschen, Eierkartons, Autoreifen, Bierdosen und verschlossene Müllsäcke liegen wild durcheinander auf dem Boden. Der Müll sei in den Augen der Bevölkerung eines der großen Umweltprobleme, erklärt Gröger, wofür es noch keine Lösungsansätze gebe.

»Müllberge gibt es erst seit rund 30 Jahren. In der Sowjetunion existierten nicht so viele Plastik-Verpackungen. Das ist ein neues Phänomen, mit dem die Menschen überfordert sind.« Gröger hält es für absurd, dieses Problem allein auf lokaler Eben lösen zu wollen. Auch wenn es in Riscova Anstrengungen gebe, Müll zu vermeiden und Wertstoffe wiederzuverwerten, so müsse doch eine nationale Strategie her.

Zwangsläufig wird mit dem Ausbau eines Abfallmanagements auch die Bevölkerung zur Kasse gebeten werden. »Es wird aber schwer werden, den Menschen zu kommunizieren, dass sie den Müll selbst trennen, aber dafür gleichzeitig auch noch bezahlen müssen. Das ist kaum nachvollziehbar, vor allem für Menschen, die kein Budget dafür haben«, so Gröger. Da erscheine es der örtlichen Bevölkerung einfacher, den Müll im eigenen Garten zu verbrennen oder ihn in umliegenden Wäldern abzuladen, auch wenn sie wissen, dass das alles andere als nachhaltig ist.

Gröger ist sich bewusst, dass in der Republik noch viel getan werden muss, um dem einsetzenden Klimawandel zu begegnen. »Es ist nötig, dass die Landwirte anfangen, sich selbst zu kümmern.« Auch sie müssten ihren Beitrag leisten. Wieder appelliert er jedoch an die Regierenden: »Ich denke, dass die Politik hier klare Vorgaben machen muss, wie sich die Landwirte an den Klimawandel anpassen müssen.« Als Beispiele nennt er Möglichkeiten, die Feuchtigkeitsaufnahme des Bodens zu verbessern, oder die Agroforstwirtschaft, bei der Baumreihen zwischen den Feldern gepflanzt werden, die Schatten spenden und so ein Austrocknen der Pflanzen verhindern.

Dabei kommt wieder das langfristige Denken ins Spiel: »Für einen Landwirt, der immer nur zwei, drei Jahre vorausschaut, macht es keinen Sinn, Bäume auf dem Acker zu pflanzen und dafür Flächen zu opfern, wenn sich der Effekt erst in fünf bis zehn Jahren zeigt«, so der Ecovisio-Mitbegründer. Gleichzeitig erkennt Gröger auch, dass die Bezeichnung Ökodorf bei den Besucher*innen bestimmte Erwartungen weckt, die nicht erfüllt werden können. »Es ist für unsere Gäste schwierig zu verstehen, dass wir von einem Ökodorf sprechen, aber gleichzeitig gibt es im Rest des Dorfes Müllkippen, und Hunde werden draußen an kurzen Ketten an Alarmanlagen benutzt.«

Die Häuser im Ökodorf sind vor allem aus Holz, Stroh und Lehm gebaut.
Die Häuser im Ökodorf sind vor allem aus Holz, Stroh und Lehm gebaut.

Vieles sei einfach noch tief in der Kultur verankert, und Veränderung brauche eben Zeit. »Wir werden vielleicht in 100 oder 150 Jahren in Rîșcova in einem kompletten Ökodorf leben«, denkt Gröger. Aber gerade was diese soziale Verantwortung eines jeden Einzelnen angeht, stehe das Dorf noch »total am Anfang«. Das Community-Center und das Umweltbildungszentrum seien zwar erfolgreich, aber ein komplettes Dorf nachhaltig umzugestalten und die lokale Bevölkerung davon zu überzeugen, brauche mehr Zeit und mehr Kräfte. »Den Anspruch, dass wir wirklich in das ganze Dorf hineinwirken können, haben wir aufgegeben.«

Das Team von Ecovisio hat einsehen müssen, dass Anstrengungen auf lokaler Ebene zu falschen Erwartungen führen. »Wir haben erkannt, dass es keinen Sinn macht, kleine Versuchsprojekte, wie etwa beim Abfall-Management, zu starten.« Die Initiative hat Mülleimer im Dorf aufgestellt. »Das schürt Hoffnungen und Erwartungen, und anschließend sind wir in der Verantwortung zu erklären, warum es nicht gelungen ist.«

Hier brauche es noch viel mehr Lobbyarbeit und Entscheidungen auf nationaler Ebene. Denn am Ende ist Riscova – selbst wenn es ein Vorzeigeprojekt ist – nur ein einziges Dorf von vielen in der Republik Moldau. Um die gesamte Region an den Klimawandel anzupassen, müsse an vielen Stellschrauben gedreht werden. Auf lokaler und auf nationaler Ebene. Von Individuen und von der Politik.

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