Kein Panzer-Nachschub aus der Schweiz

In der Korruptionsaffäre um die RUAG ermittelt auch die deutsche Justiz

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Auch nach dem Rücktritt der Geschäftsführerin sorgt der Schweizer Rüstungskonzern RUAG für Skandale.
Auch nach dem Rücktritt der Geschäftsführerin sorgt der Schweizer Rüstungskonzern RUAG für Skandale.

Neutralität ist ein dauerhafter Grundsatz der schweizerischen Außenpolitik und im Haager Abkommen von 1907 näher erklärt. Das Führen von Kriegen ist demnach nur zur Selbstverteidigung erlaubt und wenn ein Schweizer sich als Söldner verdingt, bekommt er es mit der eidgenössischen Justiz zu tun. Damit will die Alpenrepublik – vor allem in Europa – zu Frieden und Sicherheit beitragen.

Wegen der Lieferung von Rüstungsgütern ist derzeit die Schweizer RUAG unter Beschuss. Der Rüstungskonzern im Staatsbesitz verfügt über zahlreiche ungenutzte deutsche Kampfpanzer vom Typ »Leopard 1«, die er in die Ukraine liefern will. Der Bundesrat hat dazu allerdings Einwände erhoben, denn: Ein solcher Verkauf verstoße gegen das Kriegsmaterialgesetz und würde eine Abkehr von der Neutralitätspolitik zur Folge haben. Derzeit lagern die fraglichen Panzer noch in Italien.

Mit dem Beschluss des Bundesrates stellt sich die Schweiz gegen die deutsche Außenpolitik. Bereits im vergangenen Herbst hatte der Wirtschaftsminister Guy Parmelin der damaligen deutschen Verteidigungsministerin harsch mitgeteilt: »Es gibt keinen Grund, auf die deutsche Bitte, Schweizer Rüstungsgüter an die Ukraine zu liefern, positiv zu antworten.« Damals ging es um die Lieferung von 35-Millimeter-Munition für »Gepard«-Flakpanzer, die Deutschland einst von der Schweiz erhielt und in die Ukraine schicken wollte. Gegenüber spanischen und dänischen Anfragen verhielt sich die Schweiz ebenfalls ablehnend.

Aktuell geht es um fast einhundert »Leopard 1«, für die die RUAG offenbar teilweise schon Lieferverträge unterzeichnet hat. Das wurde klar, als eine deutsche Firma namens Global Logistics Support (GLS) darauf pochte, dass 25 der von ihr gekauften Kampfpanzer umgehend zur Abholung bereitgestellt werden müssten. Die geforderten »Leoparden« sind Teil eines Deals, den die RUAG mit Rheinmetall und mit finanzieller Unterstützung aus den Niederlanden, Dänemark und Deutschland geschlossen hat. Warum die GLS ihre Ware nicht längst nach Deutschland geholt hat, begründet die Firma so: »Da über die Verwertung der erworbenen Kampfpanzer seitens GLS bislang noch nicht abschließend entschieden wurde, sind die erworbenen Kampfpanzer bis zum jetzigen Zeitpunkt in Absprache mit der RUAG in Italien verblieben.«

Dass etwas schiefläuft bei dem Geschäft, zeigte sich kurz nachdem Brigitte Beck, die gerade ein knappes Jahr an der RUAG-Spitze stand, auf einer Podiumsdiskussion alle europäischen Länder dazu aufgerufen hatte, ihr in der Schweiz hergestelltes Kriegsmaterial an die Ukraine weiterzugeben. Das war ein Affront gegen die Regierung in Bern, der die RUAG gehört. In einer Pressemeldung des Konzerns vom 7. August hieß es deshalb bald: »CEO Brigitte Beck hat sich entschieden, die RUAG MRO Holding AG zu verlassen und sich beruflich neu zu orientieren.«

Noch ist nicht bekannt, wie der Staatskonzern auf die Forderungen der GLS reagiert. Im Staatssekretariat für Wirtschaft wird geprüft, ob der Verkauf der 25 Panzer nach einer Entscheidung von 2019 bereits als bewilligt gilt, oder ob man eine Ausfuhr neuerlich erlauben müsste.

Parallel dazu befassen sich deutsche und Schweizer Ermittler mit einer Korruptionsaffäre, in die auch RUAG-Mitarbeiter verwickelt sein sollen. Dabei geht es um die mutmaßlich illegale Lieferung von »Leopard«-Ersatzteilen. Auch die Staatsanwaltschaft Verden führt dazu ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue, der Bestechung und der Bestechlichkeit, verdächtigt werden dabei fünf deutsche Staatsangehörige.

Insgesamt könnten die Affären dazu führen, die Schweizer Neutralität bei Rüstungsexporten aufzuweichen. So schlägt das Parlament eine Gesetzesreform vor, die Waffenlieferungen zulässt, wenn ein Käuferland zur Selbstverteidigung gezwungen ist und dieses Recht vom UN-Sicherheitsrat oder eine Zweidrittelmehrheit der UN-Generalversammlung anerkannt wird.

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