Sächsische SPD-Ministerin opfert ihren Staatssekretär

Landtag berät in Sondersitzung über Kritik des Rechnungshofes an Integrationsförderung

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Sachsens Sozialministerin Petra Köpping (SPD) hat sich am Mittwoch von ihrem Staatssekretär und Parteifreund Sebastian Vogel getrennt. Der 44-Jährige, der seit 2021 im Amt war, soll in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden. Der Schritt erfolgte einen Tag vor einer von der AfD beantragten Sondersitzung des Landtags, deren Anlass ein bisher unveröffentlichter Prüfbericht des Rechnungshofes ist. Er widmet sich der Vergabe von Fördermitteln im Bereich Integration und wurde vor Fertigstellung zumindest auszugsweise in Presseberichten zitiert. Der Fall hat das Potenzial, den Wahlkampf für die sächsische Landtagswahl am 1. September 2024 zu beeinflussen. Die SPD-Politikerin Köpping sollte eigentlich dieser Tage zur Spitzenkandidatin ihrer Partei ausgerufen werden. Die Kür wurde zunächst verschoben.

Der Prüfbericht untersucht mögliche Mängel bei der Vergabe von Fördermitteln für die Integration von Zuwanderern in den Jahren 2016 bis 2019. Ein entsprechendes Programm hatte der Freistaat 2015 beschlossen. Köpping war als Ministerin seit 2014 für das Thema zuständig. Der Rechnungshof hält die Umsetzung des Programms offenbar für äußerst mangelhaft. Laut einem Bericht der »Leipziger Volkszeitung« wird die Mittelvergabe als »fachlich weitgehend ungesteuert« kritisiert; teils sei »aktiv« gegen den Grundsatz der staatlichen Neutralität verstoßen worden. Auch von »korruptionsgefährdeten Strukturen« sei die Rede. Welche Schlussfolgerungen die Kassenprüfer ziehen, ist offen. Zunächst hatte das Ministerium Gelegenheit zur Stellungnahme, die am Mittwoch überstellt wurde. Erst danach wird die finale Fassung veröffentlicht. Köpping erklärte auf die Berichte hin, es »ärgert und schmerzt mich sehr«, dass es in den ersten Jahren der Integrationsförderung »offenbar zahlreiche Defizite im Vollzug« gegeben habe. Verwaltungsprozesse müssten »auch unter Zeitdruck und widrigen Umständen« so professionell organisiert werden, »dass kein Raum für Spekulationen entstehen kann«. Am Mittwoch erklärte sie, Vogel übernehme für »die damaligen verwaltungsrechtlichen Fehler« die Verantwortung. Vorwürfe zu »politischen oder persönlichen Vorteilen« weise sie aber entschieden zurück.

Die AfD fordert in ihrem Antrag für die Sondersitzung unter Anspielung auf eine frühere Filzaffäre im Freistaat, den »Sachsensumpf 2.0« auszutrocknen, und polemisiert gegen »clanähnliche Strukturen« im Ministerium. Die Rechtsfraktion drängte auf personelle Konsequenzen an der Hausspitze, allen voran die Entlassung von Vogel, die nun bereits vor der Debatte erfolgte. Zudem soll die Vergabe von Fördermitteln in dem betroffenen Bereich gestoppt werden. In der Linksfraktion wird angemerkt, dass die AfD stets gegen Zuwanderung und Integration zu Felde gezogen sei – auch 2015, als das Programm entstand. »Wenn diejenigen, die die Stimmung damals gegen Schutzsuchende aufheizten, jetzt wieder und weiter ›empört‹ sind, ist Vorsicht geboten«, sagte die Abgeordnete Jule Nagel, die eine Landtagsdebatte zum jetzigen Zeitpunkt für unsinnig hält. Es sei »nicht möglich, ernsthaft über den nichtöffentlichen Entwurf des Prüfberichts zu sprechen«. Derzeit dominiere »Erregung statt Erkenntnis«.

Erregte Debatten gibt es auch über Rolle und Intentionen des Rechnungshofes und den brisanten Zeitpunkt, zu dem die Informationen von dort lanciert wurden. Der Sozialverband AWO kritisierte, der Prüfbericht offenbare »politische Tendenzen«. Die Landeschefin und Ex-SPD-Abgeordnete Margit Weihnert erinnert sich an ein »eher tendenzielles Prüfgespräch« des Rechnungshofes bei der AWO und mutmaßt, es habe wohl »auch andere Überlegungen als nur eine ordnungsgemäße Tiefenprüfung unserer Unterlagen« gegeben. Sie erinnert zudem an die »politischen Widerstände, Einwanderung in Sachsen effektiv und effizient zu gestalten«.

Auch andere werfen dem Rechnungshof eine politische Agenda vor und merken an, Präsident der Behörde sei mit Jens Michel ein ehemaliger Landtagsabgeordneter der CDU. Er sei im Wahlkampf 2019 einer von vier CDU-Bewerbern gewesen, der sich von Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen unterstützen ließ, und habe »immer wieder mit einer AfD-Koalition kokettiert«, hieß es einst im Magazin »The European«. Der Rechnungshof merkt indes an, der Prüffall sei bereits 2019 unter Michels Vorgänger eröffnet und von einem größeren Gremium beschlossen worden.

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