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Erdgas-Import mit Lärm und Gestank
In Brunsbüttel gibt es Protest gegen Emissionen des LNG-Terminalschiffes »Hoegh Gannet«
Bei der Realisierung von Flüssigerdgas-Importen in Brunsbüttel haben sich die Verantwortlichen die Devise auf ihre Fahnen geschrieben: Schnelligkeit genießt Priorität. Berechtigte Anwohner-Kritik bezüglich Schadstoffemissionen und Lärmbelästigung wird hingegen kleingeredet – allen voran durch das grün regierte Umweltministerium in Kiel.
Anfang des Jahres hatte das schleswig-holsteinische Landesamt für Umwelt RWE als Betreiber des schwimmenden LNG-Terminals in Brunsbüttel erhöhte Schadstoff-Grenzwerte genehmigt. Eine Beteiligung und Benachrichtigung der Bevölkerung hielt man dabei nicht für nötig. Erst jetzt wurde dies eher zufällig im Zuge eines Schriftverkehrs mit dem Landesamt bekannt.
Die eigentlich verbindlichen Grenzwerte gemäß der Bundesimmissionsschutzverordnung dürfen demnach übergangsweise für ein Jahr überschritten werden – bis ein neuer Anlegeplatz für das mobile Terminalschiff »Hoegh Gannet« gefunden ist, das für die Umwandlung von flüssigem Erdgas in den gasförmigen Zustand eingesetzt wird. Bei Stickoxiden darf es 1,4-mal so viel wie eigentlich erlaubt ausstoßen, bei Kohlenmonoxid fünfmal sowie bei Formaldehyd sogar 7, 3-mal so viel. Joschka Knuth, grüner Staatssekretär im Umweltministerium, spielt diesen Vorgang herunter: Entsprechende Werte gelten nur für den unmittelbaren Schornsteinbereich der »Hoegh Gannet«. Eine Gesundheitsgefahr bestehe nicht, da sich kein Wohngebiet in direkter Nähe befinde. Die Erlaubnis zum Überschreiten der Grenzwerte wird aus dem Kieler Ministerium mit der europäischen Energiekrise und der Sicherstellung der deutschen Energieversorgung gerechtfertigt. Im laufenden Jahr sollen nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums alleine in Brunsbüttel 3,5 Milliarden Kubikmeter Gas ins Netz eingespeist werden, ab Fertigstellung einer Anbindungsleitung sogar 7,5 Milliarden Kubikmeter.
Diese Beschwichtigung überzeugt die Anwohner aber nicht. Sie weisen auf die häufig wechselnden Windverhältnisse an der Nordseeküste hin und wundern sich, dass vor der erteilten Betriebsgenehmigung kein Messprogramm in den angrenzenden Wohngebieten angeordnet wurde. RWE hat erstmals in diesem Monat Schadstoffmessungen am Schiffsterminal vorgenommen – mit den Ergebnissen wird im Oktober gerechnet.
Reinhard Knof vom Klimabündnis gegen LNG und von der Bürgerinitiative gegen ein CO2-Endlager will dem Vorgehen nicht tatenlos zusehen und hat deshalb beim Land Widerspruch gegen die erhöhten Grenzwerte eingelegt. Bereits der Verzicht auf eine Umweltverträglichkeitsprüfung bei der schwimmenden LNG-Anlage ist seiner Ansicht nach ein Rechtsverstoß. Und mehr als fahrlässig in seinen Augen ist auch, dass es keinen Notfallplan für eine vielleicht einmal erforderliche Rettungsaktion im Fall einer Havarie beziehungsweise eines anderen Unglücks im Brunsbütteler Hafen gibt. Knof rechnet damit, dass er den Klageweg bis vor das Bundesverwaltungsgericht beschreiten muss.
Als wäre der Ausstoß krebserregenden Formaldehyds nicht schon Ärgernis genug, stören sich die in 600 bis 1000 Metern Entfernung an den Elbehafen angrenzenden Anwohner seit Monaten auch an der gewaltigen Lärmkulisse der LNG-Anlage. Die »Hoegh Gannet« speist seit April verflüssigtes Erdgas, das auf dem Seeweg importiert wird, ins hiesige Netz ein. Beim Umladevorgang vom Tanker auf die »Hoegh Gannet« entsteht jedes Mal eine laut dröhnende, penetrant brummende, zum Teil heulende Geräuschkulisse. Als Reaktion darauf sind erste Stimmen zu vernehmen, die von Wertverlusten bei Immobilien sprechen. Andere Anwohner berichten, sie können keine ruhige Minute mehr im eigenen Garten verbringen. RWE hat für die Betroffenen bislang auf absehbare Zeit keine Lösung parat. Messergebnisse zur Lärmemission werden Knof zufolge vom Landesamt zurückgehalten. Die Anwohner vermissen außerdem eine verbindliche Ansprechstelle für Fragen, Hinweise und Beschwerden. Die Stadtverwaltung Brunsbüttel verweist zum Beispiel auf ihre Nichtzuständigkeit.
Knof sieht bei aktuell gefüllten Gaslagern und verbraucherbewusstem Verhalten in keiner Weise einen Gas-Notstand, sondern konstatiert vielmehr ein klimaschädigendes fossiles Überangebot mit überflüssigen LNG-Überbietungsplanungen.
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