Geplagte Bäume im Großen Garten

Historische Parkanlagen sind stark vom Klimawandel betroffen. Die Betreiber suchen Rezepte, um damit umzugehen

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 14 Min.
Klimawandel – Geplagte Bäume im Großen Garten

Die Schwestern sind nicht mehr beisammen. Im Jahr 1895 waren die beiden Blutbuchen im Park von Schloss Pillnitz gepflanzt worden, einer malerischen Parkanlage an der Elbe am südlichen Stadtrand von Dresden. Im Laufe der Jahre gewannen sie eine imposante Gestalt; sie bildeten eine Art Tor an der Stelle, an der Besucher den wie mit Zirkel und Lineal entworfenen Lustgarten zwischen Berg- und Wasserpalais betreten. Zwischen den Gebäuden und über den Wegen steht im Sommer oft die Hitze. Spaziergänger suchten deshalb kühlenden Schatten unter den ausladenden Bäumen mit ihrem roten Laub, Kinder tollten zwischen ihren tief herabhängenden Ästen umher. Dann aber wurden die Schwestern krank. Ein Pilz namens Riesenporling entzog den Bäumen die Lebenskraft. Eine der Buchen konnte in einer aufwendigen Operation gerettet werden: die Wurzeln freigelegt, ein Gegenmittel in Form eines Trichoderma-Pilzes verabreicht. Ihre Schwester allerdings starb. 2021 wurde sie gefällt. Der Stamm wurde danach zwei Bildhauern überantwortet. Mit Kettensägen schufen sie daraus ein, wie es hieß, »Mahnmal für den Klimawandel«.

Klimawandel? »Ich habe mich mit dem Wort lange Zeit schwergetan«, räumt Claudius Wecke ein. Er leitet den Bereich Gärten bei der Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen gGmbH. In deren Obhut befindet sich der Park in Pillnitz, daneben zwölf weitere Anlagen in ganz Sachsen. Der mit 150 Hektar weitläufigste von allen ist der Große Garten mitten in Dresden, in dem Wecke sein Büro hat: in einem der Kavalierhäuser gleich neben dem zentralen Palais, mit Blick auf geschmackvoll bepflanzte Rabatten, Rasen, Wege und ebenfalls einige Blutbuchen, die »Bouché-Buchen«, gepflanzt in der Zeit des Gartendirektors Friedrich Bouché, der den Garten um 1900 herum über ein halbes Jahrhundert maßgeblich prägte.

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Auch die Bouché-Buchen sind also rund 125 Jahre alt. Sie könnten gut und gern ein doppelt so hohes Lebensalter erreichen. Dass Bäume allerdings auch vor ihrer Zeit absterben, ist nichts Ungewöhnliches. Sie können von Krankheiten befallen oder vom Blitz getroffen werden; manche sind schon geschwächt, weil beim Pflanzen ihre Wurzeln beschädigt wurden, wovon sie sich unter Umständen nie ganz erholen. Derlei Verluste auf den Klimawandel zu schieben, »damit war ich lange vorsichtig«, sagt Wecke. Er hat früher den Park Branitz bei Cottbus geleitet, den der »grüne Fürst« Hermann Pückler auf dem kargen Sandboden der Niederlausitz anlegte. »Die Gärtner dort klagten immer über das Wetter«, sagt Wecke, der für seine Promotion in den Archiven recherchierte. Teiche trockneten in heißen Sommern aus, Stürme ließen Bäume umbrechen. In Parks und Gärten gab es immer gleichzeitig Werden und Vergehen.

Dann kam 2018: das »Extremstjahr«, wie Wecke sagt. Das Jahr, das auch bei ihm die Überzeugung wachsen ließ, dass sich Dinge grundlegend verändern. Über Wochen und Monate fiel damals kaum Regen; der Große Garten lag in sengender Hitze. Wo sonst Rasen sprießt, standen im Staub strohgelbe Halme. An den Bäumen raschelte zunächst nur das dürre Laub. Dass ein Baum ernsthaft leidet, zeigt er erst mit Verzögerung. Schmale Jahresringe zeugen von Wassernot im Vorjahr. Ab 2019 – auch das ein sehr trockenes Jahr – begann im Großen Garten ein beunruhigendes Baumsterben. 2017 hatte man noch 36 abgestorbene Bäume fällen müssen und 54 im Jahr darauf: »die üblichen Abgänge«, sagt Wecke. Seither aber stiegen die Zahlen: auf 100, auf 200. Im Jahr 2022, als im Großen Garten wegen erneut fehlender Niederschläge etliche Wasserläufe trocken fielen, waren es 350. Dieses Jahr, sagt Wecke, »werden es noch mehr sein«.

Noch sind die Lücken für gewöhnliche Parkbesucher kaum sichtbar. Im Großen Garten gibt es rund 17 500 Bäume, die 150 Arten angehören: Winterlinden und Stieleichen, Hainbuchen, Spitzahorn, Eschen. Einige Hundert weniger fallen zunächst kaum auf. Allerdings beobachte man derzeit einen »exponentiellen Anstieg«, sagt Wecke; das Tempo, in dem der Bestand schwindet, beschleunigt sich rasant. Seine Kollegin Silke Epple nennt es »besonders beunruhigend«, dass nicht nur alte, womöglich geschwächte Bäume sterben, sondern auch junge, vermeintlich vitale, »die das Leben noch vor sich haben«. Auch an Bäumen, die noch leben, werden die Kronen licht, Äste brechen heraus, die Anfälligkeit für Krankheiten steigt. Wie dramatisch die Lage ist, zeigt eine Formulierung über den Großen Garten in einer Wanderausstellung: Wenn es weitergehe wie zuletzt, »wird in einigen Jahren dieses Gartendenkmal (...) nicht mehr existieren«. Die Schau wurde ausgerichtet von einem Initiativbündnis, das gut zwei Dutzend staatliche, kommunale und private Parkeigentümer aus der gesamten Bundesrepublik Ende 2019 gründeten. Der Name des Bündnisses: »Historische Gärten im Klimawandel«. Das Problem ist in den Parks angekommen.

Was aber heißt »Klimawandel« in einer Region wie Sachsen eigentlich? Das versucht an einem lauen Abend Ende August Regina Heinecke-Schmitt zu erklären, Leiterin der Abteilung für Wasser im sächsischen Umweltministerium. Sie steht vor 50 Zuhörern in der Orangerie des Barockgartens Großsedlitz, gelegen auf den Höhen südlich von Dresden und Teil eines aberwitzigen Schlossbauprogramms von August dem Starken. Der sächsische Kurfürst plante hier eine 98 Hektar große Anlage nach französischem Vorbild als Bühne, auf der 1723 seine Krönung zum König von Polen gefeiert werden sollte. Das Geld reichte dann nur für einen 18 Hektar großen Park; bei einer Parkführung ist von Großsedlitz als »unvollendeter Symphonie« die Rede. Sie ist freilich immer noch ein Prachtstück: lange Reihen von Zitrusbäumen in Töpfen, vier Kilometer akkurat gestutzte Hecken, die hie und da den Blick in die umgebende Landschaft freigeben. Nicht zuletzt: Fontänen, Wasserbecken, eine malerische Kaskade.

Vor allem um die Wasserkunstwerke geht es an diesem Abend. »Wasser im Garten. Vom Überfluss zur Knappheit«, heißt die Veranstaltung von Schlösserbetrieb und Konrad-Adenauer-Stiftung, bei der Heinecke-Schmitt zunächst Diagramme an die Wand projiziert. Eines zeigt mit farbigen Balken an, wie sich die mittlere Jahrestemperatur in Sachsen zum langjährigen Durchschnitt verhält. Bis zum Jahr 2000 gibt es immer wieder blaue, nach unten zeigende Balken: kühler als üblich. Die Jahre seit 2000 sind bis auf eine Ausnahme alle rot markiert: teils viel zu warm. Bei einem anderen Diagramm ist der Befund weniger klar. Die jährlichen Niederschläge im Freistaat lagen von 1961 bis 1990 im Schnitt bei 780 Liter je Quadratmeter, bis 2010 bei 805 Litern und danach bei 755 Litern. Ein Rückgang zwar, aber »in der Summe nicht dramatisch«, sagt die Referentin.

Allerdings trügt der Eindruck. Die Durchschnittswerte verbergen, dass es immer häufiger lange Trockenperioden gibt, unterbrochen von Güssen, bei denen die Regenmenge eines ganzen Monats binnen Stunden vom Himmel rauscht, aber vom ausgedörrten Boden nicht aufgenommen werden kann. Dazu kommt ein anderes Problem. Die um ein oder zwei Grad wärmere Luft und der häufiger wolkenlose Himmel sorgen dafür, dass Niederschläge schnell wieder verdunsten und regelrecht aus dem Boden gesogen werden. Zieht man diese Menge von den Niederschlägen ab, blieben vor 1990 im Schnitt 240 Liter jährlich übrig, die das Grundwasser auffüllten oder von Pflanzen genutzt werden konnten. Inzwischen ist die Menge auf 155 Liter gesunken. Es gibt auch längere Perioden, in denen der Saldo negativ ist und mehr Wasser verdunstet als vom Himmel fällt. Das, betont Heinecke-Schmitt, »macht uns Sorgen«.

Unter den Folgen leiden Landwirte, denen die Saat verdorrt, oder Waldbesitzer, denen die von langer Trockenheit geschwächten Fichten vom Borkenkäfer aufgefressen werden. In Wasserwerken zerbricht man sich den Kopf, wie die Trinkwasserversorgung zu sichern ist. Es gibt eine zunehmende Konkurrenz zwischen Industriebetrieben wie den Dresdner Chipfabriken, die viel Wasser benötigen, oder Kleingärtnern, die Beete bewässern und Eigenheimbesitzern, die sich Pools auf die Wiesen stellen. Die Moderatorin des Abends merkt an, die Kriege des 21. Jahrhunderts würden »um den Zugang zu sauberem Wasser« geführt. Eine Zuhörerin drängt darauf, die Produktion von Planschbecken zu verbieten, »um diese Wasserverschwendung zu beenden«. Andere kritisieren den Bau des Industrieparks Oberelbe unweit von Großsedlitz, der nicht nur historische Sichtachsen verstelle, sondern dem Barockgarten womöglich auch das Wasser abgrabe.

Was bedeutet all das für historische Parks und Gärten, deren »lebendige Seele« das Wasser doch sei? Die Formulierung eines französischen Gartenbaumeisters zitiert Peter Fibich, ein Landschaftsarchitekt, der an diesem Abend einen Streifzug durch die Rolle des Wassers in europäischen Park- und Gartenanlagen unternimmt: die theatralische Inszenierung von Brunnen, Kanälen und Kaskaden im Barock, wie sie auch in Großsedlitz zu erleben ist; verspielte Fontänen und Wasserläufe im Rokoko; die Teiche der Landschaftsparks im englischen Stil, in denen sich der Himmel spiegelte und die deshalb als deren »Augen« galten. Wasser war in Parks immer ein zentrales Element, auch in Zeiten, als es in die Mietskasernen der Städte noch nicht Einzug gehalten hatte. Brunnen und Fontänen, sagt Fibich, seien zweifellos »Luxusobjekte« gewesen.

Vielleicht ist es damit ja vorbei in Zeiten, in denen Wasser noch keine Luxusware, aber doch ein zunehmend selteneres Gut ist. Sprudelnde Springbrunnen wirken frivol, wenn nebenan die Bäume verdorren. Immerhin: In Großsedlitz haben sie schon vor 20 Jahren für trockenere Zeiten vorgesorgt. Der Park erhielt sein Wasser ursprünglich über Kanäle und Pumpen aus dem Flüsschen Müglitz; die Anlagen hatten aber Napoleons Truppen schon 1812 zerstört. Fortan versorgte man sich aus Brunnen. Dann begannen die Blätter der Pomeranzen-Bäumchen nach dem Gießen gelb zu werden. Es stellte sich heraus, dass von der Landwirtschaft eingetragene Chemikalien im Brunnenwasser die Ursache waren. Also legte man zwei große Zisternen an, in denen das Regenwasser von den Dächern aller Gebäude im Park aufgefangen wurde. Das hilft heute nicht nur den Pomeranzen, sondern speist auch die Tröpfchenbewässerungen der Rabatten und selbst die Toilettenspülungen in den Schlossgebäuden. Auch die Wasserspiele werden mit Brauchwasser betrieben. Damit werde im Barockgarten eine zentrale Prämisse für Zeiten des Klimawandels schon befolgt, sagt Landschaftsarchitekt Fibich: »Wir müssen das Wasser besser im Garten halten.«

All das setzt freilich selbst in Großsedlitz voraus, dass es genug regnet, um die Zisternen zu füllen. Alternativen gibt es nicht; Bohrungen, um einen weiteren Brunnen anzulegen, waren erfolglos. Womöglich lasse sich von den Wasserkunstwerken in historischen Gärten »auch nicht alles bewahren«, räumt Fibich ein. Sein Büro hat in Görlitz einen historischen Brunnen restauriert; bei einem danebenliegenden wurde das Wasserbecken zum Sandkasten umfunktioniert.

Im Großen Garten in Dresden würden Zisternen ohnehin kaum helfen. An Dächern, von denen Regenwasser gesammelt werden könnte, mangelt es, und 17 500 Bäume zu gießen, ist undenkbar. Das Privileg ist einigen wenigen vorbehalten, allen voran den Bouché-Buchen. Neben ihnen wurden Instrumente in den Boden eingelassen, die die Bodenfeuchte messen. Der Gartenmeister bekomme ein Signal auf sein Handy, »wenn die Bäume Durst haben«, sagt Wecke. Dann wird gewässert. Das sei eine »lebensverlängernde Maßnahme«, sagt Silke Epple. Sie wird Bäumen zugestanden, die besonders markant, für das Erscheinungsbild der Gärten wichtig und nur schwer zu ersetzen sind, wie eben die Blutbuchen. Auch die aufwendige Pilzbehandlung der verbliebenen »Schwesterbuche« in Pillnitz ist eine solche Ausnahme.

Daneben sucht man in den historischen Parks und Gärten bundesweit nach anderen, praktikableren Mitteln und Wegen, um den Folgen des Klimawandels zu begegnen. Das ist aus verschiedenen Gründen durchaus schwieriger als etwa in Land- und Forstwirtschaft. Einige nennt der Abschlussbericht eines Forschungsprojektes an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, das sich bereits von 2014 bis 2019 mit dem Thema befasste und warnte, Parks und Gärten seien durch den Klimawandel »in besonderem Maße gefährdet«. Verwiesen wird etwa auf ihren Charakter als »begehbare Kunstwerke«. Als Gartendenkmale sollten sie möglichst in ihrer historischen Gestalt erhalten bleiben. Wenn aber markante Bäume verloren gingen oder einzelne Arten unter den veränderten Bedingungen nicht mehr gedeihen, gehe »der durch Authentizität und Originalität definierte Kunstwert verloren«, heißt es in dem Bericht. Inzwischen wird in Deutschland zu »Ersatzbaumarten im Kulturdenkmal« geforscht.

In Dresden setzt man Hoffnungen vorerst in einen anderen Ansatz: eine eigene Baumschule. Derlei Einrichtungen habe es in der Geschichte des Parks die meiste Zeit gegeben, sagt Wecke: »Das war ein zentrales Element des historischen Großen Gartens.« Teils wurden nicht nur Setzlinge für den Park erzeugt, sondern sogar Obstbäume für Kleingärtner. Später verschwanden die Baumschulen aus ökonomischen Gründen; gepflanzt wurden Bäume aus kommerziellen Betrieben. Die kommen heute allerdings meist aus Norddeutschland, haben ihre ersten Lebensjahre womöglich sogar in China oder Nordafrika verbracht und sind an örtliche klimatische und Bodenbedingungen nicht angepasst. Jetzt soll unweit des Palais-Teiches auf 5500 Quadratmeter wieder eine Baumschule eröffnet werden. Zu erwarten wäre, dass dort gezogene Setzlinge besser mit dem Klima in der Dresdner Stadtmitte zurechtkommen. »Fachleute machen uns Hoffnung«, sagt Wecke: Auch traditionelle Baumarten seien deutlich toleranter gegenüber Hitze und Trockenheit als befürchtet. »Unser Plan A«, sagt er, sei, »weiter mit den vorhandenen Baumarten zu arbeiten.« Sollte das nicht funktionieren, besteht Plan B darin, Nachkömmlinge von Buchen oder Eichen aus Südosteuropa zu setzen. Erst wenn auch das nicht klappt, wolle man auf gänzlich andere Arten zurückgreifen.

Die Einrichtung der Baumschule ist eine Idee, die der sächsische Staatliche Schlösserbetrieb im Rahmen eines vom Bund geförderten Projekts zu historischen Gärten und Klimawandel entwickelt. Ein anderes ist die Verwendung von Pflanzenkohle zur Verbesserung des Bodens, der dadurch Wasser besser speichern soll. Auch die Bewirtschaftung der Parkanlagen soll behutsam an neue Erfordernisse angepasst werden. So wird unter den Baumkronen das Gras nicht mehr regelmäßig gemäht. Höhere Halme schützen besser vor Verdunstung und bewirken, dass der Boden kühler bleibt, »um fünf bis sieben Grad«, sagt Silke Epple.

Ein wenig trägt das auch zur Entlastung der Gärtner bei, die zunehmend andere Arbeiten erledigen müssen. Der Anteil der Arbeitszeit, die zur Baumpflege aufgewendet werden müsse, sei wegen der vielen dürren Äste und abgestorbenen Bäume allein von 2021 auf 2022 von 20 auf 30 Prozent gestiegen, sagt Wecke; die Kosten hätten sich auf 1,2 Millionen Euro fast verdreifacht. In Gärten wie Pillnitz fehlt angesichts dessen zunehmend die Zeit zum Gießen der vielen in Töpfen und Kübeln stehenden Bäume. Im Rahmen des Klimawandel-Projekts soll deshalb auch ein Gießroboter entwickelt werden, der Gärtner künftig entlasten könnte.

Eine auf den ersten Blick eher skurrile Folge des Klimawandels im Großen Garten ist der Umstand, dass nicht nur Bäume verschwinden, sondern andere überhandnehmen. An einem Vormittag steht Wecke mit Spaten und Hacke vor Journalisten, neben sich eine Fläche, auf der hüfthoch und dicht dünne Bäumchen sprießen: Spitzahorn. »Das ist ein Gewinner des Klimawandels«, sagt er. Dort, wo große, alte Bäume gestorben sind und wieder Licht auf den Boden fällt, schießen junge Ahorne empor. Andere Arten haben dann keine Chance mehr. Die Samen werden vom Wind durch den gesamten Park getragen. Würde nicht eingegriffen, drohte der Große Garten zur Spitzahorn-Plantage zu werden. Das ist aus mehreren Gründen unerwünscht. Das historische Erscheinungsbild ist von 150 verschiedenen Arten geprägt. Vielfalt sei das beste Rezept gegen den Klimawandel. Ahorn ist anfällig für die Rußrinden-Krankheit, die auch in Sachsen auftritt und für Menschen gefährlich ist.

Also soll dem Spitzahorn zu Leibe gerückt werden: bei einem Parkseminar im Herbst, für das Wecke an diesem Vormittag wirbt. Dresdner Bürger können dabei an der Seite der Fachleute Jungbäume ausgraben, die Äste größerer gefällter Exemplare schreddern, Büsche neu pflanzen. Es ist ein neues Veranstaltungsformat, bei dem zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden: Die Gärtner erhalten Unterstützung – und bei den Stadtbewohnern wird Verständnis für die Sorgen und Nöte des historischen Parks geweckt.

Denn es gibt eine Herausforderung für Parkbetreiber in den Zeiten des Klimawandels, die deutlich schwieriger als die Errichtung einer Baumschule oder die Entwicklung eines Gießroboters ist. Es geht darum, Besucher von einem rücksichtsvolleren Verhalten zu überzeugen. Gerade ein Park wie der Große Garten, der mitten in der Großstadt liegt und seit 200 Jahren ohne Umgrenzung ist, wird von den Bürgern zwar vielleicht als Kulturdenkmal geschätzt und als grüne Lunge, in der es immer ein paar Grad kühler ist als in umliegenden Straßen. Vor allem aber sehen sie ihn als großen, kostenlos zu betretenden Freizeitpark. Das sei den Bürgern gegönnt, sagt Claudius Wecke, während Spaziergänger und Skater unter seinem Bürofenster passieren. Er merkt aber an, dass im Park eigentlich das Gebot gilt, Wege nicht zu verlassen und dass bei jedem Picknick auf den Wiesen der Boden verdichtet wird. Slacklines, die junge Leute um Bäume schlingen, um darauf zu balancieren, würden diesen im Wortsinn die Wasseradern abschnüren, ergänzt Silke Epple. Ein wichtiger Teil des Klimawandel-Projekts in Dresden ist daher auch, einen Wandel im Bewusstsein der Parkbesucher zu bewirken. »Es geht nicht darum, sie zu verprellen oder zu maßregeln«, sagt Epple. Sie sollten aber stärker berücksichtigen, dass »das hier keine Partymeile oder Fußballwiese ist, sondern ein historisches Kulturerbe«. Demnächst sollen Plakate aufgehängt werden. Ihre Aufschrift: »GARTEN DENK MAL«.

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