- Wirtschaft und Umwelt
- Artensterben
Schäden durch invasive Arten nehmen exponentiell zu
Neuer Sonderbericht zeigt, dass sich das Problem eindämmen lässt
Am Montag hat der Weltrat für Biologische Vielfalt (IPBES) einen Sonderbericht zu invasiven Arten vorgestellt. Dieser Bericht wurde, wie die Berichte des Weltklimarats (IPCC), zunächst von Wissenschaftlern zusammengestellt. Anschließend wurde die Zusammenfassung für Entscheidungsträger von Vertretern der 143 IPBES-Mitgliedsländer ausgehandelt. Der vorliegende Bericht zeigt, dass invasive Arten ein riesiges Problem darstellen: Weltweit sind 37 000 ortsfremde Arten dokumentiert, von denen 3500 als invasiv gelten. Das bedeutet, dass sie sich in ihrem neuen Umfeld massiv ausbreiten, etwa weil Fressfeinde fehlen.
Und es werden immer mehr: Der IPBES schätzt, dass bis zum Jahr 2050 die Zahl der ortsfremden Arten um ein weiteres Drittel zunehmen wird, wenn sonst alles gleich bleibt. Dass alles andere gleich bleibe, sei allerdings unwahrscheinlich, schätzt Helen Roy, eine der Co-Vorsitzenden der IPBES-Arbeitsgruppe. »Die sich beschleunigende Weltwirtschaft, ausgedehnte Nutzungsänderungen an Land und in den Meeren sowie demografische Veränderungen werden wahrscheinlich zu einer weltweiten Zunahme invasiver Arten führen. Der Klimawandel macht die Situation noch schlimmer«, warnt Roy.
Auch nimmt das Ausmaß der wirtschaftlichen Schäden, die invasive Arten anrichten, enorm zu. Lagen die Kosten im Jahr 2000 noch bei rund zehn Milliarden US-Dollar, beliefen sie sich im Jahr 2019 bereits auf 423 Milliarden Dollar. Das entspricht der Wirtschaftsleistung von Bangladesch, einem Land mit 165 Millionen Einwohnern. Der Grund für diese massive Zunahme in kurzer Zeit ist das exponentielle Wachstum der Schäden. Diese verfünffachen sich alle zehn Jahre.
Doch das müsse nicht sein, betonen die Autoren des IPBES-Berichtes. »Die gute Nachricht ist, dass es Managementinstrumente und Regulierungsmöglichkeiten gibt, die wirklich funktionieren«, sagt Anibal Pauchard, ebenfalls Co-Vorsitzender der internationalen Arbeitsgruppe. »Vorbeugung ist absolut die beste und kosteneffektivste Option. Aber auch Ausrottung, Eindämmung und Kontrolle sind in bestimmten Kontexten wirksam«, erklärt er. Entscheidend sei dabei schnelles Handeln. Solange eine ortsfremde Art sich noch nicht zu stark verbreitet habe, könne man effektiv Maßnahmen einleiten. Aber auch wenn diese Gelegenheit verpasst worden sei, könne man invasive Arten wieder loswerden, sagt der Experte. So seien 88 Prozent der Programme zur Ausrottung von invasiven Arten auf Inseln erfolgreich.
Solche Programme nutzen insbesondere der Artenvielfalt. Denn invasive Arten gelten als bedeutende Ursache dafür, dass andere Arten verschwinden. Bei 60 Prozent der dokumentierten Fälle ausgestorbener Arten spielten invasive Arten eine Rolle. Bei 16 Prozent der Fälle waren sie gar der einzige Grund für das Verschwinden einer anderen Art. Ein besonders krasser Fall ist der Nilbarsch: Dieser wurde in den 50er Jahren im Victoriasee zu Fischereizwecken ausgesetzt, dem größten See Afrikas. Dies hat zur Ausrottung von mehreren hundert Fischarten geführt, die nur im Victoriasee heimisch waren.
Wenn das derzeitige Massenaussterben gestoppt werden soll, dann muss die Ausbreitung invasiver Arten international verhindert oder zumindest begrenzt werden. Als Reaktion auf den IPBES-Bericht zu den Schäden durch invasive Arten forderte darum auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) mehr internationale Kooperation. »Damit invasive gebietsfremde Arten nicht eingeführt werden oder sich über die Landesgrenzen hinaus ausbreiten können, ist eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit nötig«, erklärte Lemke.
Die Zusammenarbeit soll mit dem Kunming-Montreal-Biodiversitätsabkommen verstärkt werden, das 2022 geschlossen wurde. Es sieht vor, dass das Wachstum der Zahl ortsfremder Arten bis 2030 um die Hälfte reduziert wird. Das lohnt sich auch finanziell, wie der neue IPBES-Bericht zeigt.
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