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Die Auferstehung des Kinos »Colosseum«
Nach über drei Jahren Pause werden an der Schönhauser Allee wieder Filme gezeigt
Drei Jahre lang lag das Kino »Colosseum« an der Schönhauser Allee, Ecke Gleimstraße in einem »Dornröschenschlaf«, wie David Boldt sagt. Er weckt es nun auf – gemeinsam mit seinen Geschäftspartnern David Kunze und Leon Roewer und ihrer Colosseum Event Berlin GmbH und gemeinsam mit Hans-Joachim Flebbe und dessen Filmtheater Colosseum GmbH. Es ist ein auf zunächst zwei Jahre angelegter Versuch.
Angeblich hatte die Corona-Pandemie samt Lockdown dem traditionsreichen Kino im Jahr 2020 den Rest gegeben und es in die Insolvenz getrieben. Der Betriebsrat der 40 Beschäftigten wollte das damals nicht glauben, zumal schon im November 2019 eine Immobilienentwicklungs- und Investmentgesellschaft plante, anstelle der Kulturstätte Büros einzurichten. Mehr als 10 000 Menschen unterzeichneten vor drei Jahren eine Petition, um das noch zu verhindern.
Jetzt stehen auf der großen Anzeigentafel am Kinoeingang an der Schönhauser Allee die verheißungsvollen Worte: »Das Colosseum ist zurück.« Drin im Foyer stehen Gerüstteile und eine Menge Kühlschränke. Zwei Arbeiter machen sich dort am Dienstagmorgen zu schaffen. Ab Samstag werden in drei der zehn Kinosäle wieder Filme laufen, am Abend des 9. September beispielsweise im riesigen Saal 1 der Streifen »In einem Land, das es nicht mehr gibt« von 2022. Gemeint ist die DDR, und die Handlung entführt den Zuschauer in die Traumwelt der Mode, aber auch in die Lebenswirklichkeit von Ostberliner Arbeiterinnen im Jahr 1989. Der Film gleitet immer wieder ins Klischee ab, ist aber trotzdem sehenswert. Der Eintritt kostet am Samstag und Sonntag nur fünf Euro je Vorstellung und damit deutlich weniger als vor der Schließung. Das ist aber auch nur ein Aktionspreis. Im Moment ist der Geldautomat am Kinoeingang Gleimstraße so tot wie das Kino war. Die Bildschirmanzeige verspricht allerdings, der Automat werde bald wieder betriebsbereit sein.
Der historische Kinosaal 1 steht unter Denkmalschutz. Wer wüsste das besser als Hans-Joachim Flebbe, der künftig außerdem noch die Säle 2 und 3 bespielen wird? Flebbe hatte 1997 das alte Kino »Colosseum« zusammen mit dem Filmproduzenten Artur Brauner (1918–2019) zum Multiplex-Kino umgebaut. »Für mich hat das Colosseum-Kino immer einen besonderen Stellenwert gehabt. Die Ereignisse der vergangenen Jahre habe ich aufmerksam verfolgt, denn ich kenne jeden Backstein in diesem Haus«, sagt Flebbe. »Wir tragen unseren Teil zur Auferstehung des ›Colosseums‹ bei und haben auch nicht unerheblich investiert.« Hans-Joachim Flebbe betreibt in Berlin sonst noch den Zoo-Palast und die Astor Filmlounge. Am Projekt »Colosseum« hat ihn der Gedanke gereizt, »einen experimentellen Raum zu öffnen für die Umnutzung von ausrangierten Multiplex-Sälen«.
In den übrigen sieben Kinosälen und auf der sonst noch freien Fläche in der ehemaligen Wagenhalle der Großen Berliner Pferde-Eisenbahn AG von 1894 übernimmt die Colosseum Event Berlin GmbH von David Boldt die Regie. Konzerte, Lesungen, Ausstellungen und vieles mehr wollen Boldt und seine Mitstreiter den Besuchern bieten. Den Auftakt macht am 7. September eine Lesung von Schauspieler Bjarne Mädel »Bin nebenan. Monologe für zuhause«.
Die historische Wagenhalle mit Hof fasste einst 360 Pferde. 1924 wurde dort das erste Filmtheater mit 1200 Plätzen eröffnet. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs befand sich am Ort ein Lazarett. In den Nachkriegsjahren war das Kino eine Theaterspielstätte und nach einem Umbau ab Mai 1957 dann auch wieder ein Kino, in dem aber nicht nur Filme gezeigt, sondern auch damals schon Konzerte gespielt worden sind.
Die Bezirksverordnete Silke Gänger (Grüne) freut sich. »Die Wiedereröffnung des Kinos am Samstag ist ein Grund zur Freude für alle hier in Pankow«, sagt sie. »Das ›Colosseum‹ hat einen einzigartigen kulturellen und historischen Wert für den Kiez.«
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