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Noch mehr Geld für die Abgeordneten
Opposition gegen höhere Diäten, doch die Koalitionsfraktionen halten am Mechanismus fest
Um dem Vorwurf der Selbstbedienung zu begegnen, sind die Diäten der Landtagsabgeordneten in Brandenburg seit dem Jahr 2014 an die allgemeine Einkommensentwicklung gekoppelt. Nach den neuesten statistischen Berechnungen würde es nun für die Abgeordneten ein Plus von 3,8 Prozent geben.
Damit ist Linksfraktionschef Sebastian Walter aber nicht einverstanden. Die Politiker, die zurzeit knapp 9000 Euro monatlich erhalten, würden rund 400 Euro mehr beziehen. Walter rechnet am Dienstag vor: Der brandenburgische Durchschnittsverdiener erhalte rund 3000 Euro im Monat. Für diesen würden 400 Euro mehr ein Plus von 13 Prozent bedeuten.
»Da müssen wir uns nicht wundern, wenn es immer weniger Vertrauen in die Politik auch in Brandenburg gibt«, kommentiert Walter die im Raum stehende Diätenerhöhung. Nach seiner Überzeugung müsste der Landtag die Erhöhung aussetzen und ein neues Verfahren finden, weil das bisherige »nicht mehr funktioniert«. Vielleicht sollte ein Gremium eingesetzt werden, das eine neue Lösung entwickele, sagt Walter. Über die seit 2014 übliche, quasi automatische Anpassung denkt er: »Grundsätzlich ist es ein ungerechtes Verfahren, das der Realität nicht standhält.« Ein Landtagsabgeordneter könne einen Euro mehr für die Kartoffeln bezahlen, eine alleinerziehende Mutter jedoch nicht. »Mit dieser Erhöhung werden wir weiter massiven Schaden anrichten«, warnt der Oppositionspolitiker. Schon die alte PDS hat, was höhere Diäten betraf, meistens für Zurückhaltung geworben.
In den Corona-Jahren 2020 und 2021 gab es keine Diätenerhöhung. 2022 erhielten alle Abgeordneten 300 Euro mehr. Die Abgeordneten der oppositionellen Linksfraktion waren damals schon dagegen und spenden diese 300 Euro für gute Zwecke. Das würden sie auch mit den nächsten 400 Euro machen, wenn sie die Erhöhung wieder nicht verhindern können.
Die Freien Wähler sehen es ähnlich. »Wir tun gut daran, ein Zeichen der Zurückhaltung zu setzen«, meint ihr Fraktionschef Péter Vida. Man müsse wegkommen von den mathematisch berechneten und dann automatisch erfolgenden Diätenanpassungen. Auch Vida rechnete etwas vor: Wenn das durchschnittliche Einkommen aller Bürger um drei Prozent steige, so erhielten diese 90 Euro mehr, ein Abgeordneter jedoch 270 Euro. »Am Ende gehen die Leute nicht mit Prozenten einkaufen, sondern mit Euro.« Vida findet, über 90 Euro mehr für die Abgeordneten könnte man prinzipiell reden – allerdings nach der Landtagswahl am 22. September 2024. Vorher sollte es keinen Aufschlag mehr geben. Nach Angaben von Vida verdienen Brandenburger Landtagsabgeordnete auch im Bundesvergleich viel.
Die AfD lehnt die Diätenerhöhung ebenfalls ab. Doch die Koalitionsfraktionen SPD, CDU und Grüne lassen da nur begrenzt mit sich reden. Ihm sei »noch kein anderer oder besserer Weg bekannt«, verteidigt SPD-Fraktionschef Daniel Keller den gegenwärtigen Mechanismus. »Der Mechanismus sollte auch dieses Jahr Anwendung finden.« Keller vergleicht die Einkommen der Landtagsabgeordneten mit den ähnlich hohen Bezügen der Bürgermeister von Städten mit 25 000 bis 40 000 Einwohnern. Letztere stünden nicht so in der Kritik, beklagt er sich.
Richtig sauer ist CDU-Fraktionschef Jan Redmann. Im öffentlichen Dienst betrage die Tarifsteigerung 5,5 Prozent, versucht er, die 3,8 Prozent für die Abgeordneten zu relativieren. »Der Mechanismus, der im brandenburgischen Abgeordnetengesetz verankert ist, der ist nicht vom Himmel gefallen«, erinnert er. Die Linke habe seinerzeit auch zugestimmt. Er würde ja darüber diskutieren, wenn es eine bessere Idee gäbe. Aber die habe er nicht gehört. »Linksfraktionschef Sebastian Walter steht mit dem Rücken zur Wand und greift nun zu populistischen Forderungen und bedient antidemokratische Reflexe«, schimpft Redmann. Die Linke hoffe, bei der Landtagswahl dafür belohnt zu werden. Kurz nach der Wahl würde die Linksfraktion eine Diätenerhöhung gern mitnehmen, nur nicht kurz vor der Wahl, unterstellt der CDU-Politiker.
»Wir wissen, dass es eine schwierige Debatte ist«, bekennt Grünen-Fraktionschef Benjamin Raschke. Seine Partei sei aber für einen klaren Mechanismus. Der derzeitige sei nicht perfekt, räumt Raschke ein. Über Verbesserungen würde er reden. Aber die Anpassung einfach aussetzen? »Dann wird es willkürlich.«
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